Eine Frau schaut auf die Uhr
Arbeitszeit bringt Geld. Doch was genau zählt als Arbeitszeit und was nicht? Bildrechte: IMAGO / Westend61

Ein Rechtsanwalt erklärt Arbeitszeit: Ihre Rechte und Pflichten

15. Juni 2023, 14:24 Uhr

Was zählt eigentlich alles zur Arbeitszeit? Fällt das Anziehen der Arbeitsschutzkleidung auch darunter? Und wie ist das bei Außendienstlern, wird ihnen die Anreise zum Kunden angerechnet? Der sächsische Rechtsanwalt Falk Zirnstein erklärt die Rechte und Pflichten von Arbeitnehmern beim Thema Arbeitszeit.

Welche Neuerungen gibt es bei der Arbeitszeiterfassung?

Mit einer Grundsatzentscheidung vom 14.05.2019 (C 55/18) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine gesetzliche Verpflichtung zur Einführung eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systems, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann, verlangt. Das Bundesarbeitsgericht hat mit einer späteren Entscheidung vom 13.09.2022 (1 ABR 22/21) festgestellt, dass eine Aufzeichnungspflicht bereits nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG besteht.

Inzwischen ist mit der Vorlage eines Referentenentwurfes vom 18.04.2023 ein deutsches Gesetzgebungsverfahren angelaufen, um Details zur Umsetzung in Abänderung von § 16 ArbZG auf den Weg zu bringen. Danach soll der Arbeitgeber künftig verpflichtet sein, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer jeweils am Tag der Arbeitsleistung elektronisch aufzuzeichnen. Vorgesehen sind Übergangsfristen und Ausnahmeregelungen für Kleinbetriebe.

Wie ist Arbeitszeit definiert?

Arbeitsrechtlich wird im Wesentlichen differenziert zwischen der Arbeitszeit im Sinne

  • des Arbeitszeitgesetzes (öffentlich-rechtliche Betrachtung mit dem Zweck des Arbeitsschutzes), die sich auf die Zeit von Beginn bis zum Ende der Arbeitszeit ohne die Ruhepausen bezieht, und

  • des privaten Arbeitsrechts, in dem es um die wechselseitigen Hauptleistungspflichten im Arbeitsverhältnis geht, d. h. der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers und der Entgeltpflicht des Arbeitgebers (§ 611a BGB). Hier geht es also insbesondere darum, wofür der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Entgelt schuldet.

Wie wird Arbeitszeit vergütet?

Es besteht ein Anspruch auf Zahlung des Mindestlohns (§ 1 MiLoG) für jede Arbeitszeitstunde, wobei es zulässig ist, die im Fälligkeitszeitpunkt der Vergütungszahlung über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit auf einem schriftlich vereinbarten Arbeitszeitkonto nach näherer Maßgabe des Mindestlohngesetzes zum späteren Ausgleich zu erfassen.

Wie lange darf täglich gearbeitet werden?

Die werktägliche Arbeitszeit darf 8 Stunden nicht überschreiten, kann jedoch auf 10 Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von 6 Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt 8 Stunden werktäglich nicht überschritten werden (§ 3 ArbZG).

Besondere Formen der Arbeitszeit sind Bereitschaftsdienst, Arbeits- und Rufbereitschaft, von denen letztere nicht als Arbeitszeit zählt.

Fachanwalt für Arbeitsrecht Falk Zirnstein
Bildrechte: Angela Liebich/MDR

Unser Experte Falk Zirnstein ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Wirtschaftsrecht mit mehr als 30 Jahren Berufserfahrung. Er wurde 1963 in Neustadt in Sachsen, Kreis Sächsische Schweiz, geboren, ist verheiratet und hat einen erwachsenen Sohn.

Kann der Weg zur Arbeit vergütet werden?

Die Wegezeit von der Wohnung zur Arbeit und von dort zurück liegt in der Sphäre der Arbeitnehmenden und ist grundsätzlich nicht vergütungspflichtig.

Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich regelmäßig bei Reisezeiten. Reisezeiten können arbeitsschutzrechtlich als Arbeitszeit gelten, wobei es stets auf die konkrete Fallgestaltung ankommt. Nach der EU-Arbeitszeitrichtlinie ist Arbeitszeit jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und / oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt.

Autocockpit
Für Außendienstmitarbeiter gilt: Zeit im Auto ist Arbeitszeit. Bildrechte: Colourbox.de

Bei Berufskraftfahrern oder Außendienstmitarbeitern, bei denen die Reise als Teil der Hauptleistungspflicht ist, ist das auf der Hand liegend zu bejahen. Überlässt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Wahl des Verkehrsmittels oder weist er die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel an, liegt grundsätzlich keine Arbeitszeit vor, ebenso wenn der Arbeitnehmer freiwillig mit dem Pkw reist.

Erbringt der Arbeitnehmer sonstige Arbeitsleistungen während der Fahrt (z. B. Studium dienstlicher Unterlagen), gilt die Reisezeit als Arbeitszeit. Es ist möglich, im Wege einer Vereinbarung solche Zeiten geringer zu vergüten als "normale" Arbeitszeit oder eine Vergütung auch vollständig auszuschließen (wenn jede im Monat geleistete Arbeitsstunde im Durchschnitt mindestens mit Mindestlohn vergütet ist).

Anm. d. Red.: In einer früheren Fassung hieß es, dass es darum gehe, ob der Arbeitnehmer im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis und einer dort ausgeübten Tätigkeit in einem derartigen Maße beansprucht werde, dass eine Einordnung als Arbeitszeit gerechtfertigt ist. Das war missverständlich und wurde entfernt.

Können Umkleidezeiten bezahlt werden?

Die Vergütungspflicht von Wasch- und Umkleidezeiten bestimmt sich nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages oder anzuwendenden Tarifvertrags. Erfasst werden in der Regel Umkleidezeiten, wenn der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Berufs- oder Schutzkleidung verlangt oder das Umkleiden in Betrieb erfolgen muss oder kann. Es kann eine eigenständige Vergütungsregelung getroffen werden, d. h. abweichend vom Stundenentgelt.

Müssen Teilzeitbeschäftigte so behandelt werden wie Vollzeitbeschäftigte?

Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer dürfen wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als vergleichbare vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen (§ 4 TzBfG).

Wie lange Pausen stehen Arbeitnehmern zu?

Ruhepausen betragen grundsätzlich bei einer Arbeitszeit von mehr als 6 Stunden 30 Minuten und bei einer Arbeitszeit von mehr als 9 Stunden 45 Minuten, wobei sie in Zeitabschnitte von 15 Minuten aufgeteilt werden können. Nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit ist grundsätzlich eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 Stunden zu gewähren.

Ein Bauarbeiter macht im Schatten Pause.
Bei sechs Stunden Arbeitszeit sind 30 Minuten Pause Pflicht. Bildrechte: IMAGO / Pius Koller

Die vereinbarte Arbeitszeit, vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraussetzungen für Schichtänderungen sowie bei Arbeit auf Abruf u.a. die Zahl der mindestens zu vergütenden Stunden und Referenztage sowie Referenzstunden, gehören zu den vom Arbeitgeber bei Begründung des Arbeitsverhältnisses nachweispflichtigen wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses.

Es gelten eine Vielzahl von Regelungen über inhaltlich zulässige Abweichungen und Ausnahmen, die im Wesentlichen im Arbeitszeitgesetz geregelt sind.

Übrigens: Die "Raucherpause" ist eine Ruhepause und gehört nicht zur Arbeitszeit. Der Arbeitgeber kann ein Rauchverbot regeln bzw. bestimmen, wo und wann geraucht werden darf.

Welche Mitbestimmungsrechte hat der Betriebsrat?

Mitzubestimmen hat der Betriebsrat bei der Festlegung von Dauer und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen und ihre Verteilung auf die einzelnen Wochentage (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG) sowie bei der vorübergehenden Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG). Er ist also insbesondere beteiligt an der Dienst- bzw. Schichtplanung, im Zusammenhang mit der Anordnung von Überstunden und bei der Einführung von Kurzarbeit.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 15. Juni 2023 | 17:00 Uhr

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