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Fußball | 3. Liga Sportpsychologe Lense: Rotwein-Vergleich und Aschenputtel-Story für Dynamo-Aufstieg

28. März 2024, 10:26 Uhr

Dynamo Dresden bangt um den Zweitliga-Aufstieg. Sportpsychologe Sascha Lense, einst selbst Dynamo-Spieler, erklärt im Gespräch mit Sport im Osten, mit welchen mentalen Tricks die Schwarz-Gelben am Ende doch noch jubeln können. Dabei geht es um das Entwickeln einer eigenen Gewinner-Story, um Verschütten von Rotwein und Lockerheit.

Strauchelt Dynamo noch im Aufstiegskampf? Die aktuellen Drittliga-Zahlen sprechen nicht gerade für die Schwarz-Gelben. In der Formtabelle der vergangenen fünf Spiele sind die Dresdner nur Tabellen-16. Zudem hat Dresden die größte Diskrepanz zwischen herausgespielten Chancen und erzielten Toren.

Was die Sache nicht gerade einfacher macht: am kommenden Samstag muss das Team von Trainer Markus Anfang zu Preußen Münster (14 Uhr im Audio-Livestream und Ticker) – der Aufsteiger ist das Team der Stunde. Die vergangenen fünf Spiele wurden allesamt gewonnen. Mit einem Sieg könnte das Team von Trainer Sascha Hildmann an Dynamo vorbeiziehen und auf einen Aufstiegsplatz springen.

Sportpsychologe Lense: "Optimale Mischung aus Anstrengung und Lockerheit"

Was kann Dynamo helfen, im Saisonendspurt nicht noch den lange sicher geglaubten Aufstieg zu verspielen? Sportpsychologe Sascha Lense gibt einen Einblick in mentale Unterstützungs-Ansätze für das Anfang-Team. Lense hat früher selbst für Dynamo gespielt und war nach seiner Karriere als Psychologe unter anderem für Manchester United, RB Leipzig, Dynamo Dresden oder Schalke 04 tätig. Aktuell ist er beim englischen Zweitligisten Sheffield Wednesday.

David Wagner mit Sascha Lense
Sascha Lense (l.) arbeitete bereits bei zahlreichen Vereinen als Sportpsychologe. So auch bei Schalke 04 mit dem damaligen Trainer David Wagner. Bildrechte: IMAGO / Team 2

Laut Lense könne Dynamo aus psychologischer Sicht "eine eigene Aschenputtel-Story" und den Spielern "eine optimale Mischung aus Anstrengung und Lockerheit" helfen, mental gut gerüstet in die finale Saisonphase zu gehen. Im Interview mit Sport im Osten beleuchtet der 48-Jährige auch die Situation "im Allgemeinen" bei Dynamo.

Münster ist "David, Dynamo der böse Goliath"

Da wäre zum Einen das anstehende Spiel am Samstag. "Münster kommt mit einem wahnsinnigen Flow, mit einer wahnsinnigen Energie. Mit einer Aschenputtel-Geschichte", verweist Lense auf den Saisonverlauf der Westfalen, die als Aufsteiger und zwischenzeitlicher Tabellen-13. im neuen Jahr noch nicht verloren haben. "Sie sind David, Dynamo ist der böse Goliath. Sie sind die Guten. Das würde ich nicht zulassen", so der Psychologe.

"Die Geschichte für sich drehen"

"Ich würde erarbeiten, dass Dynamo das gleiche Recht hat, das erfolgreiche Aschenputtel zu sein. Dynamo hat genauso die Chance, die Geschichte für sich zu drehen", empfiehlt Lense und sieht als Ansatz das verlorene Landespokal-Spiel der Münsteraner am vergangenen Wochenende gegen Bielefeld.

Plauen - Dynamo Dresden 9 min
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Dynamo Dresden hat das Viertelfinale im Sachsenpokal im Elfmeterschießen für sich entschieden. Die Anfang-Elf mühte sich durch die 90 Minuten und ging sogar in Rückstand.

So 24.03.2024 18:44Uhr 08:38 min

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"Münster wird ganz doll daran denken, dass sie in der Liga kein Spiel verloren haben", erwartet der Psychologe. Dynamo solle dagegen "daran denken, dass Münster im Pokal ausgeschieden ist, dass sie also doch verlieren können." Und ganz allgemein gesprochen: "Die Aufgabe für den Aufstieg und die kommenden Spiele ist, dass sie sich mental in eine Position bringen, eine eigene Geschichte zu erzählen, dass sie gewinnen können."

Was tun gegen den Chancenwucher?

Zu einer erfolgreichen Geschichte gehören auch Tore für den Aufstieg. Und auch hier hat Dynamo zuletzt viel liegen lassen. Nur fünf Tore aus den vergangenen fünf Spielen sind zu wenig. Was tun, Herr Psychologe? "Es gibt im Fußball die Vorstellung, dass das Ergebnis durch Anstrengung zustande kommt. Wenn eine Mannschaft verliert, hat sie sich nicht genug angestrengt", analysiert Lense.

Wenn man sich aber immer noch mehr anstrenge, führe das zu einer Verkrampfung. "Wir wissen alle, dass man unter Stress verkrampft und beim Verkrampfen die Bewegungsführung nicht optimal ist", erklärt der frühere Offensivspieler. "Es wird nicht besser, wenn ich mich doller anstrenge."

Sascha Lense 1 min
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Ein Glas Rotwein und ein weißer Teppich

Um seine Erklärung zu illustrieren, zitiert er ein psychologisches Experiment: "Wir sollten ein Glas Wein bei einer Party durch einen Raum tragen. Das ist jedem gut gelungen. In einem zweiten Experiment wurde uns gesagt, dass der Boden ein ganz, ganz teurer weißer Teppich ist und wir dürften auf keinen Fall etwas verschütten", erklärt Lense und berichtet von den Folgen: "Der ganze Bewegungsablauf wurde ganz anders, es wurde steifer, es wurde vorsichtiger, überhaupt nicht mehr flüssig und rund."

"Die besten Spieler verschütten Wein"

Und auf Stürmer übertragen: "Wenn ich mir die besten Spieler der Welt anschaue: Sie vergeben Chancen, aber sie nehmen in Kauf, dass sie vorbeischießen. Sie nehmen in Kauf, dass sie Wein verschütten. Aber sie machen es immer wieder und immer wieder. Eine Botschaft, die die Spieler mitnehmen sollten, ist: Es geht nicht darum, jedes Tor zu machen. Es geht darum, am Ende ein Tor mehr gemacht zu haben."

Zudem sei die psychologische Unterstützung einer Mannschaft viel individuelle Arbeit. "Ein Stürmer braucht etwas anderes als ein Abwehrspieler." Und für Angreifer, die nach vergebenen Chancen lange mit sich hadern, hat Lense folgenden Hinweis: "Wenn Spieler zu sehr nachdenken, gibt es eine Technik, die Gedankenstopp heißt. Es geht darum, das Grübeln zu unterbinden, im Moment zu denken und nicht zu sehr in der Zukunft."

Stefan Kutschke bekommt am Spielfeldrand Anweisungen von Trainer Markus Anfang
Stefan Kutschke (r.) ist mit elf Treffern derzeit bester Schütze bei Dynamo Dresden. Doch auch der Kapitän vergab bereits die ein oder andere Chance in dieser Saison. Bildrechte: IMAGO/Lutz Hentschel

"Trainer Anfang ist erstmal raus"

Dynamo-Coach Markus Anfang nimmt Lense dabei übrigens weitgehend aus der Verantwortung. Und Lense zitiert dabei einen der Großen des Trainerfachs: "Pep Guardiola sagt, seine Aufgabe sei, dass er seine Mannschaft vor das Tor bringt, dass sie Chancen kreiert. Die Chancen dann reinzumachen, ist Aufgabe der Mannschaft", sagt Lense und blickt auf Dynamo: "Da wäre der Trainer erstmal raus, Dresden hat genug Chancen."

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Dirk Hofmeister/Alexander Küpper

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Sascha Lense 14 min
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Videos und Audios zur 3. Liga

Dynamo-Trainer Markus Anfang
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Mit der 1:3-Niederlage gegen Saarbrücken wächst auch die Kritik an Dynamo-Trainer Markus Anfang. Der zeigt Verständnis und will aktuell nicht mehr über den Aufstiegskampf sprechen.

So 07.04.2024 16:22Uhr 03:40 min

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Dynamo-Angreifer Manuel Schäffler
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Manuel Schäffler war nach der 1:3-Niederlage gegen Saarbrücken sichtlich mitgenommen. Der Dynamo-Angreifer schoss den Anschlusstreffer, konnte sich über sein Tor aber nicht wirklich freuen.

So 07.04.2024 16:20Uhr 03:29 min

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Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Sport im Osten | 30. März 2024 | 16:00 Uhr

6 Kommentare

Rychlik vor 4 Wochen

Daumen drücken das morgen Münster an Dresden vorbeizieht. Viele haben heute Psychiater, warum nicht Trainer obwohl Fußballgottesdienst wohl für ex. Stasiverein noch kein Vergleich zum bekannten Motorradgottesdienst sein wird.

SGDHarzer66 vor 4 Wochen

Dem ist nichts hinzuzufügen weil es den Kern der Sache trifft. Kann mich nicht entsinnen, dass ein Croy oder Bransch einen Psychologen brauchten, weil der Druck stieg!

Bockwurst-Willi vor 4 Wochen

Mal eine ganz bescheidene Frage. Wieso kommen jetzt eigentlich Sportpsychologen ins Spiel und nicht gleich der liebe Gott ??? Das was die Spieler in der Rückrunde abgeliefert haben, spottet jeder Beschreibung. Druck ??? Wer hat sich denn den Druck mit 10 Punkten Vorspung selber gemacht ??? Der Trainer ??? Der jetzt nötige Sportpsychologe???
Nein, die Spieler haben sich den Druck selber aufgelegt, weil einige Herrschaften dachten und immer noch denken das alles von selber läuft. Aber Pustekuchen, da läuft nichts von selbst, da muß sich jeder einzelne mal hinterfragen was er in der Rückrunde bis jetzt geleistet hat um das Ziel zu erreichen. Da werden einige in Deckung gehen und wieder einen Sportpsychologen brauchen. Da kenn ich noch ein altes deutsches Sprichwort. Deutsche Arbeit, Deutscher Fleiß, streben nach den höchsten Preis. Davon sind die Dynamo Idole derzeit meilenweit entfernt.

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