Animation von B-Zellen Antikörper
Eine B-Zelle gibt Antikörper an ihre Umgebung ab (Illustration). Bildrechte: imago images/Science Photo Library

Covid-19 Impfdurchbruch mit Omikron fördert breite Immunität gegen Virusvarianten

15. Mai 2022, 08:51 Uhr

Eine neue Studie zur Immunantwort nach einem Impfdurchbruch mit der Omikronvariante zeigt: Das Immunsystem greift auf die durch Impfung gebildeten B-Zellen zurück, trimmt sie aber auf eine breitere Wirksamkeit.

Wie immun ist jemand, der geimpft und vielleicht sogar geboostert war und sich dann trotzdem mit Omikron angesteckt hat? Die Studienlage dazu ist widersprüchlich. Einige Forschende glauben, dass eine schwache Durchbruchsinfektion kaum zusätzliche Immunität auslöst und folglich mit immer wieder neuen Ansteckungen gerechnet werden muss. Andere Wissenschaftler hingegen vermuten, dass der Durchbruch langfristig eine deutlich breitere Immunität bringt, die dann auch gegen Virusvarianten schützt, die es zum Zeitpunkt der Ansteckung noch gar nicht gab.

In diese Kerbe stößt jetzt eine neue Studie von Chengzi Kaku und Kollegen verschiedener Biotechunternehmen, die im Detail analysiert haben, wie eine Durchbruchsinfektion mit Omikron BA.1 auf die für die Antikörperbildung zuständigen B-Zellen wirkt und wie es danach mit dem Schutz gegen BA.2 aussieht.

Impfdurchbruch: Vorhandene Immunität wird verbessert – keine Ausbildung neuer B-Zellen

In Science Immunology berichtet das Team von der Untersuchung, bei der die Forschenden einerseits Proben von B-Zellen bei sieben Menschen nahmen. Vier davon waren zweifach geimpft und drei sogar geboostert, bevor sie einen Impfdurchbruch erlitten. Die Krankheit war in allen Fällen mild oder sogar asymptomatisch verlaufen. Zum Vergleich untersuchten die Wissenschaftler auch Proben von Patienten, die lediglich geimpft oder geboostert waren, sich aber nicht mit dem Virus angesteckt hatten.

Bei den nach einem Impfdurchbruch genommenen Proben fanden die Forscher zunächst ungefähr gleiche Mengen von Antikörpern, die gegen BA.1 und gegen das Wildtyp-Virus wirkten. Bei der Analyse bestimmter Typen von B-Zellen fiel auf, dass alle stets kreuzreaktiv waren. Zellen, die Omikron BA.1 binden konnten, konnten zugleich immer auch den Wildtyp binden. Laut den Forschern ist das ein klarer Hinweis darauf, dass bei einem Impfdurchbruch die zuvor durch die Impfung gebildete Immunität weiter ausgefeilt wird, es aber nicht zur neuen Ausbildung von nur gegen Omikron gerichteten B-Zellen kommt.

Mild Infizierte entwickeln vor allem B-Zellen für Schleimhautantikörper

Die Vergleichsgruppe der nicht infizierten Geimpften zeigte zwar auch über viele Monate hinweg eine immer stärkere Ausreifung der B-Zellen, die damit auch wirksamer gegen Virusvarianten wurden. Allerdings verfügten sie über deutlich weniger Antikörper gegen Omikron, als diejenigen mit der Durchbruchsinfektion.

Eine weitere spannende Erkenntnis: Die mild und asymptomatisch infizierten Patienten bildeten vor allem solche B-Zellen weiter aus, die für die Produktion sogenannter IgA-Antikörper zuständig waren. Im Gegensatz zu den IgG-Antikörpern, die im Blutserum zirkulieren, wirken IgA-Antikörper auf den Schleimhäuten der Atemwege, wo die Infektion stattgefunden hatte. Allerdings gelten IgA-Antikörper als weniger langlebig, weshalb hier im weiteren Zeitverlauf beobachtet werden müsse, wie sich diese Immunität weiterentwickle.

Durchbruch fördert gegen mutierte Regionen des Virus wirksame B-Zellen

Eine weitere Veränderung betraf die bevorzugten Regionen, die die B-Zellen am Corona-Spikeprotein erkannten. Während nach der Impfung noch die sogenannte S-2-Untereinheit des Spikes am besten erkannt wurde – das ist ein Teil des Andockproteins des Virus, der sich zwischen den verschiedenen Virusvarianten kaum verändert hat –, wurde nach dem Impfdurchbruch vor allem die Rezeptorbindungsdomäne stärker erkannt. Die Bindungsdomäne ist der für das Virus entscheidende Teil, der an die menschlichen Zellen andockt und so den Infektionsvorgang auslöst.

Diese Bindungsdomäne aber ist bei der Omikronvariante stark verändert gegenüber dem Wildtyp, gegen den die Impfung gerichtet ist. Die Forschenden vermuten, dass beim Impfdurchbruch die unveränderten Teile des Virus von den durch die Impfung ausgelösten Antikörpern bedeckt werden. Damit bleibt nur die veränderte Bindungsdomäne übrig, die nun solche B-Zellen im Repertoire der Geimpften aktiviert und vermehrt, die aufgrund ihrer breiten Bindungsfähigkeit auch dieses mutierte Virusbauteil abdecken können. Die Antikörper dieser Patienten konnten auch das noch weiter mutierte Spikeprotein der BA.2 Variante abdecken.

Interessanterweise zeigt sich auch, dass die Antikörper nun auch gegen solche Stellen des Spikes wirksam waren, die die Impf-Antikörper nicht erkannten, obwohl diese Stellen sich seit dem Wildtypvirus nicht verändert hatten. Hier erkannte das Immunsystem offenbar erst durch den Durchbruch eine relevante Angriffsstelle.

Omikron-Impfstoffe könnten breiten Variantenschutz bringen

Aus Sicht der Forscher liefern die Ergebnisse klare Hinweise darauf, dass eine Konfrontation mit einem mutierten Corona-Spikeprotein – etwa bei einem Impfdurchbruch mit der Omikron-Variante – die durch Impfung ausgelöste Immunantwort diversifiziert. Es werden dabei keine neuen B-Zellen ausgebildet, sondern die vorhandenen, die aufgrund ihrer Kreuzreaktivität gegen viele Varianten wirksam sind, weiter verstärkt.

Das könnte dazu führen, dass eine an Omikron und andere Varianten angepasste weitere Booster-Impfung den Schutz gegen alle möglichen weiteren Virusvarianten deutlich verstärkt. Noch größer ist dieser Effekt nur bei denjenigen, die zuerst erkrankt sind und sich erst später haben impfen lassen. Hier sei bei der ursprünglichen Infektion wahrscheinlich ein noch breiter wirksames B-Zell-Reservoir aufgebaut worden, da das Virus alle möglichen Antigene und nicht nur das Spike mitgebracht habe.

"Unsere Studie zeigt, dass bei einer Omikron BA.1 Infektion vor allem Antikörper mit einer breiten Wirksamkeit gegen verschiedene Varianten gebildet werden", sagt Laura Walker, Co-Autorin der Studie. "Es braucht aber noch Langzeitbeobachtungen, um zu sehen, wie lang diese Immunantwort anhält."

(ens)

Ein Porträt-Foto von Virologe Alexander Kekulé. 29 min
Bildrechte: MDR/dpa

58 Kommentare

MDR-Team am 29.05.2022

@DermbacherIn
Es gab auch schon in Vor-Corona-Zeiten Schutzmaßnahmen gegen eine Ausbreitung von Grippewellen, zum Beispiel die Aufforderung, möglichst andere Menschen - gerade Risikogruppen - zu meiden bei einer Infektion. Auch gehört die Grippeimpfung dazu, von der es jedoch nicht genug Dosen gab. Letztlich war Covid-19 auch bisher gefährlicher als eine gewöhnliche Grippe.
LG, das MDR-Wissen-Team

MDR-Team am 29.05.2022

@DermbacherIn
Es ist in der Tat schwierig, zu bewerten, welchen Erfolg Maßnahmen hatten, da dort immer eine Vielzahl an Faktoren mit reinspielen. Dazu sind die Situationen in verschiedenen Ländern auch sehr unterschiedlich, was eine Vergleichbarkeit erschwert. Es lässt sich aber feststellen, dass Deutschland im Vergleich zu Schweden und Großbritannien bisher relativ gut durch die Pandemie gekommen ist (https://www.mdr.de/wissen/corona-covid-uebersterblichkeit-unterschiede-weltweit-100.html).
LG, das MDR-Wissen-Team

MDR-Team am 29.05.2022

@DermbacherIn
Ein an Omikron angepasster Impfstoff soll bis September zugelassen sein (https://www.mdr.de/wissen/corona-ema-omikron-booster-zulassung-bis-herbst-100.html). Die aktuellen Impfstoffe schützen auch weiterhin gut gegen schwere Verläufe, auch wenn Ihre persönlichen Erfahrungen etwas Anderes ergeben haben mögen.
LG, das MDR-Wissen-Team