Szene von der Premiere der Zauberflöte an der Oper Leipzig.
Bildrechte: Tom Schulze

Rezension Die Leipziger Zauberflöte – wunderbarer Einstieg in eine komödiantische Opernwelt

30. Oktober 2023, 17:35 Uhr

Volkstheater, Zauber- oder Mysterienspiel oder vielleicht sogar eine finstere Dystopie? Zu Saisonbeginn hatte Mozarts Zauberflöte an mehreren Häusern in unterschiedlichen Neudeutungen Premiere. In der Oper Leipzig inszeniert nur der auf Musical spezialisierte Regisseur Matthias Davids. Bernhard Doppler hat die Premiere am 28. Oktober besucht.

Wolfgang Amadeus Mozarts "Zauberflöte" gilt als meistgespielte deutsche Oper (Libretto von Emanuel Schikaneder) – auch in Leipzig wurde sie bereits zwei Jahre nach der Wiener Uraufführung 1791 gezeigt und kontinuierlich immer wieder in unzähligen Produktionen vorgeführt. Für viele Menschen war bzw. ist Mozarts Werk der Einstieg in die Welt der Oper.

Doch wie ordnet man "Zauberflöte" ein? Als Zaubermärchen? Als Alt-Wiener Volkstheater mit Kasper-Figuren, wie dem Vogelhändler Papageno? Oder als Prüfungsritual im Geiste der Aufklärung? Und für welche Seite sollte man Partei ergreifen? Für die Rache-schwörende Königin der Nacht oder für Sarastro, der ihre Tochter Pamina entführte, im "Tempel der Weisheit und Vernunft" residiert und eine Priesterschaft um sich versammelt hat?

Wie aktuell ist die "Zauberflöte" nach 232 Jahren?

Zu Beginn der Spielzeit 2023/24 gab es bereits mehrere Aktualisierungsversuche: Eine neue Textfassung der Schriftstellerin Ivana Sokola zum Beispiel, die statt des ursprünglichen Librettos Mozarts Musik unterlegt wurde und die am Beispiel der "Zauberflöte" vorführt, wie eine ältere Generation im Zeichen des Klimawandels einer jungen Generation, die Wasser- und Feuerproben zu bestehen hat, die Welt übergibt (am Theater Hof).

Szene von der Premiere der Zauberflöte an der Oper Leipzig.
Die Leipziger Inszenierung feierte am 28. Oktober Premiere. Bildrechte: Tom Schulze

Und dann die "Zauberflöte" als in der Zukunft spielende Dysotopie am Theater Brandenburg, aber auch in einer Produktion der niederländischen Gruppe "opera2days": Hier errichtet Sarastro eine populistische Herrschaft, in der Erinnerungen und Emotionen eliminiert sind. Vor allem versucht man in diesen Neuinszenierungen die zahlreichen misogynen, die Frau herabwürdigenden Sätze des ursprünglichen Librettos zu vermeiden ("Ein Weib tut wenig, plaudert viel", "Bewahret euch vor Weibertücken") und stellte im Gegenteil den Mut der Frauen in den Vordergrund.

Komödiantische Schauspiellust

Die Leipziger Inszenierung von Matthias Davids geht hier nicht so weit. Davids ist ein Musicalspezialist, Leiter der sehr erfolgreichen Musicalsparte am Linzer Theater, der aber auch 2025 in Bayreuth Richard Wagners "Die Meistersinger von Nürnberg" inszenieren wird. Er lässt nun in seiner Leipziger Inszenierung die Figuren zwar in zeitgemäßer Alltagssprache plaudern, mildert die frauenfeindlichen Stellen, belässt aber die Haltungen und Handlungen der Personen. Seine "Zauberflöte" ist vor allem eine schauspielerisch einfallsreich und flott durchgearbeitete Komödie.

Szene von der Premiere der Zauberflöte an der Oper Leipzig.
Bildrechte: Tom Schulze

Sarastros Priester sind ein Männerverein mit – teilweise dummen – Stammtisch-Ansichten, die Königin der Nacht hingegen eine recht lebenslustige, bodenständige Frau: Sie swingt und schnippt mit den Fingern, wenn sie ihre Koloraturen trällert. Vor allem Tamino und Papageno – in militärischen Klamotten und mit einem Werkzeugkoffer als Vogelkäfig ausgestattet – wissen als coole Jungs zu agieren.

Die Gleichheit der Paare – ein Ideal der Aufklärung

Nicht alles ist in gleicher Weise durchgearbeitet. Aber alle Figuren bleiben in dieser Komödie auf Augenhöhe – "Menschen", eben keine herausgehobenen Prinzen oder naive Vogelmenschen. Tochter Pamina ist nicht nur Opfer, sondern weiß selbstbewusst, was sie will. Sie gibt Papageno Tipps für die Liebe ("Mann und Weib") und wenn sich ihr Sarastro nähert, ist eher der Mann der Verklemmte. Gleichwertigkeit – ein Ideal der Aufklärung – bis zum Finale, wenn alle getrennt wieder ihre Wege gehen: jedes der beiden Liebespaare, die Königin der Nacht und schließlich Sarastro mit seinem Verein.

Eine Spiegelwelt

Szene von der Premiere der Zauberflöte an der Oper Leipzig.
Bildrechte: Tom Schulze

Fantastisch geht es in dieser Zauberwelt durchaus zu. Bei Matthias Fischer-Dieskau (Bühne und Video) sind aber keine Kulissen aufgebaut, lediglich eine Spiegelwelt dreier großer Spiegel ist zu sehen: Ein üppiges optisches Spektakel mit Lichteffekten, Schattenspielen, Projektionen, in der vor allem die fantastisch-modernen Kostüme von Susanne Hubrich eindrucksvoll zur Geltung kommen. Lediglich die Feuer- und Wasserproben hätte man sich dann doch noch etwas effektvoller gewünscht.

Selbstbewusst auch die Sängerinnen und Sänger

Beim Gewandhausorchester ist Mozarts "Zauberflöte" unter Jonathan Darlington in besten Händen: Weich, immer wieder überraschend in den Farbtönen, oft auch voll raffinierter Einfachheit.

Die Leipziger Premierenbesetzung überzeugte: Frech, selbstbewusst, burschikos. Jonathan Michie als Papageno; mit strahlendem Tenor David Fischer als Tamino; Julia Sitkovetsky, mit ihren Koloraturen eher bezirzend, als die Rache einhämmernd als die Königin der Nacht, und Samantha Gaul als Pamina. Sie ist kein tränenvoller dramatischer Sopran, sondern jugendlich klar. Viel Vergnügen bereiteten schließlich auch die lebenslustigen drei Damen Olga Jelinkowa, Katrhin Göring und Nora Steuerwald.

Szene von der Premiere der Zauberflöte an der Oper Leipzig.
Julia Sitkovetsky als die Königin der Nacht. Bildrechte: Tom Schulze
Szene von der Premiere der Zauberflöte an der Oper Leipzig.
Drei Knaben führen durch die Prüfungen. Bildrechte: Tom Schulze

Die Oper Leipzig empfiehlt diese lustvoll komödiantische Inszenierung als familientauglich ab 12, eventuell sogar auch ab 8 Jahren – auch wenn die Aufführung nirgendwo pädagogisch explizit auf ein jugendliches Publikum schielt. Aber auf der Bühne hopsen drei Knaben –Mitglieder des Thomanerchors –, die Tamino und Papageno durch die Prüfungen führen. Also die "Zauberflöte" doch weiterhin vielleicht ein schöner erster Einstieg in die Welt der Oper.

Weitere Vorstellungen am 4., 11., 12., 19., 24. 11.; 17. und 25.12.2023. Die Vorstellungen sonntags und am 25.12. beginnen um 17 Uhr, sonst um 19:30 Uhr.

Dieses Thema im Programm: MDR KLASSIK | MDR KLASSIK am Morgen | 30. Oktober 2023 | 09:10 Uhr

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