Szene aus "Die Hochzeit des Figaro" am Staatstheater Meiningen
Bildrechte: Christina Iberl

Rezension Unterhaltsam, aber wenig Tiefe? Die Premiere von "Le nozze di Figaro" am Staatstheater Meiningen

30. Oktober 2023, 13:31 Uhr

Vor allem Mozarts Kompositionen überzeugten an diesem Premierenabend am 27. Oktober 2023 im Staatstheater Meiningen – daneben auch das glanzvoll inszenierte Bühnen- und Kostümbild und die schrillen Charaktere. Uwe Friedrich hat die Premiere der "Hochzeit des Figaro" für MDR KLASSIK besucht.

Es wird geraucht bis die Luft zum Schneiden dick ist in der Werbeagentur des Grafen Almaviva. Wir sind in den sechziger Jahren, als Zigaretten noch cool waren und die Zigarre des Firmeninhabers noch den sozialen Unterschied deutlich machte. Ein Heer von Angestellten bevölkert die holzgetäfelten Räume des Bühnenbildners Walter Schütze, der auch für die farbenfrohen Kostüme zuständig ist.

In dem verwinkelten Gebäude grenzen die Büroräume an die Privatgemächer des Patriarchen. Wir bekommen ebenso Einblicke in die Rumpelkammern wie in die Firmentoilette oder in das kühle Wohnzimmer der Familie. Hier geht es über Tische und Bänke, werden große Kostümfeste gefeiert, intime Momente zelebriert und ausgiebig auf dem Klo kopuliert. Da ist alles dekorativ, meistens sehr witzig und aus dem prallen Leben gegriffen.

Pralles Leben und viel Sex

Es wird viel gelacht in dieser Komödie und das ist auch völlig richtig. Der Sichtweise des Regisseurs Philipp M. Krenn fehlt es auf die Dauer dann aber doch an emotionaler Tiefe. Denn in Mozarts Oper geht es nicht nur um Situationskomik und den saftigen Humor einer Türenkomödie, sondern auch um tiefe Verwirrung, echte Verzweiflung und lächerliche Eifersucht, die doch einen traurigen Kern hat.

Szene aus "Die Hochzeit des Figaro" am Staatstheater Meiningen
Die Inszenierung von Philipp M. Krenn setzt auf körperliche Szenen und ein pralles Leben. Bildrechte: Christina Iberl

Das interessiert Philipp M. Krenn aber allenfalls am Rande, selbst die tieftraurige "Dove sono"-Arie der Gräfin deckt er mit einer Parallelhandlung zu, sodass die Melancholie des Augenblicks kaum Raum gewinnen kann. So blicken wir in dieser Inszenierung eher auf die komischen Seiten des Geschäfts- und Liebeslebens als in die menschlichen Abgründe, die sich hinter der bunten Oberfläche auftun könnten.

Generalmusikdirektor Killian Farrell sorgt für emotionale Tiefe

Für die emotionale Tiefe ist an diesem Abend also vor allem die Musik zuständig. Und: Sie behauptet ihren Stellenwert glanzvoll unter dem jungen Generalmusikdirektor Killian Farrell. Er hat ein sicheres Gespür für das Tempo des Abends, lässt den ruhigen Momenten ausreichend Platz, um das Orchester und die Solistinnen und Solisten in den turbulenten Szenen in einen irrwitzigen Taumel zu treiben. Die Meininger Hofkapelle bewältig schon die gefürchtete Ouvertüre bravourös und bietet die Partitur in klanglicher Tiefenstaffelung und immer prägnant phrasiert.

Szene aus "Die Hochzeit des Figaro" am Staatstheater Meiningen
Sara-Maria Saalmann als Cherubino. Bildrechte: Christina Iberl

Johannes Mooser ist ein bullig-schmieriger Graf Almaviva, dem man abnimmt, dass er seine Gattin ebenso einschüchtern kann wie die Untergebenen. Auch stimmlich hat er die Mackerposen ebenso zur Verfügung wie Momente großer Verunsicherung. Seinen Gegenspieler Figaro gibt Johannes Schwarz als quirlig-smarten Jüngling, der seine Position im Betrieb noch finden muss, aber immer auf dem Sprung ist, um den Chef in die Schranken zu weisen. Mittendrin und immer auch sich selbst im Weg ist Sara-Maria Saalmann als pubertär verwirrter Cherubino, den jede Frau aus der Bahn wirft.

Das gesamte Ensemble singt bis in die kleineren Rollen wie den intriganten Basilio von Tobias Glagau stilsicher und differenziert. Besonderen Wert legte Dirigent Killian Farrell offenbar auf die Durchgestaltung der Rezitative, die nun weit mehr sind als nur die notwendige Verbindung zwischen den Arien.

Überraschender Schluss

Szene aus "Die Hochzeit des Figaro" am Staatstheater Meiningen
"Die Hochzeit des Figaro" ist unterhaltsam, lässt aber den Wunsch nach Tiefe offen. Bildrechte: Christina Iberl

Nicht nur die Gräfin sitzt zum Schluss auf gepackten Koffern, auch Susanna hat offenbar keine Lust mehr auf eine Hochzeit mit Figaro. Warum Regisseur Philipp M. Krenn hier Text und Musik so sehr misstraut, hätte man gerne gewusst. Aber dafür hätte er die Widerhaken im Stück schon früher inszenieren müssen, statt den kürzesten Weg zum nächsten Gag zu wählen. Zwar stimmt das Timing der Komödie, sind die Abläufe minutiös geplant und vom Ensemble und der Bühnentechnik des Meininger Theaters präzise umgesetzt, aber letztlich rettet die Kraft von Mozarts Musik den ansonsten bloß unterhaltsamen Abend.

Dieses Thema im Programm: MDR KLASSIK | MDR KLASSIK am Morgen | 28. Oktober 2023 | 09:10 Uhr

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