"In Liebe, eure Hilde" Andreas Dresens neuer Film erzählt eine tragische Geschichte aus der NS-Zeit
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17. Februar 2024, 22:11 Uhr
Erstmals widmet sich Andreas Dresen ("Sommer vorm Balkon", "Gundermann") in einem seiner Filme der Zeit des Nationalsozialismus. Beeindruckend an "In Liebe, eure Hilde" ist die schauspielerische Leistung von Liv Lisa Fries ("Babylon Berlin"), die der erschütternden Geschichte der von den Nazis hingerichteten Hilde Coppi eindringliche Intensität verleiht. Der Film ist bei der Berlinale im Wettbewerb um den Goldenen Bären.
- Andreas Dresens Film "In Liebe, eure Hilde" erzählt eine tragische Geschichte aus der NS-Zeit, die auf einem realen Hintergrund basiert.
- Beeindruckend ist die schauspielerische Leistung von Liv Lisa Fries in der Hauptrolle der Hilde Coppi.
- Der Film ist im Wettbewerb um den Goldenen Bären bei der Berlinale.
Berlin, Sommer 1942. Hilde (Liv Lisa Fries), eine junge Zahnarzthelferin, schließt sich einer Widerstandsgruppe an, die mit Flugblättern gegen den Krieg protestiert und mit Klebezetteln die Propaganda der Nationalsozialisten anprangert. Sie verliebt sich in Hans (Johannes Hegemann), der als einer der führenden Köpfe in der Gruppe geheime Informationen per Funk in die Sowjetunion übertragen will.
Beide verbringen scheinbar entspannte Sommertage miteinander, doch die Liebesgeschichte nimmt einen tragischen Verlauf. Zusammen mit zahlreichen anderen Widerständlern werden Hans und Hilde von der Gestapo verhaftet. Hilde, die inzwischen schwanger ist, wird, ebenso wie Hans, zum Tode verurteilt.
Verschachtelte Erzählperspektive
Die dramatische Geschichte, die auf dem realen Schicksal von Hans und Hilde Coppi basiert, erzählt Andreas Dresen in seinem neuen Film "In Liebe, eure Hilde", der am Samstag seine Weltpremiere bei den 74. Internationalen Filmfestspiele gefeiert hat.
Das Drehbuch zum Film stammt von Laila Stieler, mit der Andreas Dresen schon bei zahlreichen seiner Filme zusammengearbeitet hat. Ähnlich wie bei "Gundermann" haben sich Dresen und Stieler auch diesmal gegen eine lineare Erzählung entschieden.
"In Liebe, eure Hilde" ist auf mehreren Zeitebene angesiedelt, die Handlung springt vor und zurück. Wie Puzzleteile fügen sich die Szenen erst nach und nach zu einem facettenreichen Bild, das die Zuschauer selbst zusammensetzen müssen – eine filmische Herausforderung, auf die man sich einlassen muss. Die verschachtelte Erzählung entpuppt sich als großer Gewinn, weil der Film keine "endgültige" Wahrheit behauptet, sondern unterschiedliche Sichtweise auf die historischen Protagonisten eröffnet.
Schauspielerin Liv Lisa Fries beeindruckt
Im Zentrum steht dabei stets die junge Hilde, aus deren Blickwinkel die Geschichte erzählt wird. Liv Lisa Fries spielt die Figur der Hilde Coppi mit einer Mischung aus zurückhaltender Schüchternheit und wachsendem Selbstbewusstsein.
Die intensive schauspielerische Leistung ist beeindruckend, weil es Fries gelingt, Hilde Coppi nicht zu einer idealistischen Heldenfigur erstarren zu lassen, sondern ihre menschliche Seite zu betonen. Vor allem aus der beschwerlichen Geburt ihres Sohnes in Haft – eine der intensivsten Szenen des Films – schöpft sie neue Kraft in einer Situation, aus der es letztlich keinen Ausweg gibt.
Humanistisches Anliegen
Die persönliche Sicht auf Hilde Coppi entspricht dem sozialen Anliegen, das sich durch alle Filme von Dresen zieht. Wenngleich er sich mit "In Liebe, eure Hilde" thematisch auf ein neues Feld begibt und zum ersten Mal eine Geschichte über die NS-Zeit erzählt, bleibt er dem Kern seines filmischen Stils treu: Es geht ihm um einen humanistischen Blick auf individuelle Schicksale von Menschen, die hart für ihre Ziele kämpfen müssen – und auch im Scheitern ihre Würde behalten.
Entsprechend liegt der Fokus von "In Liebe, eure Hilde" auch weniger auf den idealistischen Motiven des NS-Widerstands. Für die politischen Hintergründe der "Roten Kapelle", wie die Widerstandsgruppe später von den Nazis bezeichnet wurde, interessiert sich der Film nur am Rande.
Er vermeidet auch gängige Klischees anderer Filme über die NS-Zeit, die hier ganz bewusst aufgebrochen werden. Weder rot leuchtende Hakenkreuzfahnen, noch hackenschlagende Nazi-Figuren gibt es zu sehen. Stattdessen gesteht der Film selbst einer Gefängnisaufseherin (Lisa Wagner) menschliche Regungen zu – auch das ein Zeichen für den realistischen Blick von Dresen und Stieler.
Seine Stärke entfaltet der Film dabei vor allem aus dem Kontrast zwischen den bedrückenden Gefängnis-Szenen und den scheinbar idyllischen Schilderungen des Alltags von Hans und Hilde vor ihrer Verhaftung.
Chancen auf einen Bären?
Für Dresen ist der Aufritt in Berlin inzwischen fast eine Art "Heimspiel". Nach "Nachtgestalten" (1999), "Halbe Treppe" (2002), "Als wir träumten" (2015) und "Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush" (2022) ist "In Liebe, Eure Hilde" bereits sein fünfter Film, der im Wettbewerb des Festivals präsentiert wird.
Ob der Film am Ende zu den Gewinnern der diesjährigen Berlinale zählen wird, ist offen. Einen Silberne Bären haben Dresen (Großer Preis der Jury für "Halbe Treppe") und Stieler (Bestes Drehbuch für "Rabiye Kurnaz") bereits – und vielleicht kommt am nächsten Samstag ja noch weitere Auszeichnungen dazu. Verdient hätte es der Film allemal.
Quelle: MDR KULTUR (Andreas Kötzing), Redaktionelle Bearbeitung: op
Der Film
"In Liebe, Eure Hilde"
Laufzeit 125 Minuten
Regie: Andreas Dresen
Drehbuch: Laila Stieler
Besetzung:
Hilde Coppi - Liv Lisa Fries
Hans Coppi - Johannes Hegemann
Anneliese Kühn - Lisa Wagner
Hebamme - Fritzi Haberlandt
Kinostart: 17. Oktober 2024
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 18. Februar 2024 | 09:40 Uhr