Zwei junge Menschen fahren auf einem Moped.
Liv Lisa Fries spielt Hilde Coppi in dem Film "In Liebe, Eure Hilde" und Johannes Hegemann ihren Ehemann Hans. Bildrechte: Frederic Batier / Pandora Film

"In Liebe, eure Hilde" Andreas Dresens neuer Film erzählt eine tragische Geschichte aus der NS-Zeit

17. Februar 2024, 22:11 Uhr

Erstmals widmet sich Andreas Dresen ("Sommer vorm Balkon", "Gundermann") in einem seiner Filme der Zeit des Nationalsozialismus. Beeindruckend an "In Liebe, eure Hilde" ist die schauspielerische Leistung von Liv Lisa Fries ("Babylon Berlin"), die der erschütternden Geschichte der von den Nazis hingerichteten Hilde Coppi eindringliche Intensität verleiht. Der Film ist bei der Berlinale im Wettbewerb um den Goldenen Bären.

Berlin, Sommer 1942. Hilde (Liv Lisa Fries), eine junge Zahnarzthelferin, schließt sich einer Widerstandsgruppe an, die mit Flugblättern gegen den Krieg protestiert und mit Klebezetteln die Propaganda der Nationalsozialisten anprangert. Sie verliebt sich in Hans (Johannes Hegemann), der als einer der führenden Köpfe in der Gruppe geheime Informationen per Funk in die Sowjetunion übertragen will.

Beide verbringen scheinbar entspannte Sommertage miteinander, doch die Liebesgeschichte nimmt einen tragischen Verlauf. Zusammen mit zahlreichen anderen Widerständlern werden Hans und Hilde von der Gestapo verhaftet. Hilde, die inzwischen schwanger ist, wird, ebenso wie Hans, zum Tode verurteilt.

Verschachtelte Erzählperspektive

Die dramatische Geschichte, die auf dem realen Schicksal von Hans und Hilde Coppi basiert, erzählt Andreas Dresen in seinem neuen Film "In Liebe, eure Hilde", der am Samstag seine Weltpremiere bei den 74. Internationalen Filmfestspiele gefeiert hat.

Das Drehbuch zum Film stammt von Laila Stieler, mit der Andreas Dresen schon bei zahlreichen seiner Filme zusammengearbeitet hat. Ähnlich wie bei "Gundermann" haben sich Dresen und Stieler auch diesmal gegen eine lineare Erzählung entschieden.

Leila Stieler bei der Pressekonferenz zum Film  "In Liebe, eure Hilde". Sie hält gestikulierend ihre Hände hoch.
Die im thüringischen Neustadt an der Orla geborene Laila Stieler hat das Drehbuch für Andreas Dresens Film "In Liebe, eure Hilde" geschrieben. Die mehrfache Grimme-Preisträgerin arbeitete schon bei zahlreichen Filmen mit dem Regisseur zusammen. Bildrechte: IMAGO/Cathrin Bach

"In Liebe, eure Hilde" ist auf mehreren Zeitebene angesiedelt, die Handlung springt vor und zurück. Wie Puzzleteile fügen sich die Szenen erst nach und nach zu einem facettenreichen Bild, das die Zuschauer selbst zusammensetzen müssen – eine filmische Herausforderung, auf die man sich einlassen muss. Die verschachtelte Erzählung entpuppt sich als großer Gewinn, weil der Film keine "endgültige" Wahrheit behauptet, sondern unterschiedliche Sichtweise auf die historischen Protagonisten eröffnet.

Schauspielerin Liv Lisa Fries beeindruckt

Im Zentrum steht dabei stets die junge Hilde, aus deren Blickwinkel die Geschichte erzählt wird. Liv Lisa Fries spielt die Figur der Hilde Coppi mit einer Mischung aus zurückhaltender Schüchternheit und wachsendem Selbstbewusstsein.

Schauspielerin Liv Lisa Fries steht beim Photocall ihres Films „In Liebe, Eure Hilde“ (Sektion Wettbewerb) vor der blauen Fotowand.
Die Berliner Schauspielerin Liv Lisa Fries spielt die Hauptrolle der Hilde Coppi. Bildrechte: picture alliance/dpa | Soeren Stache

Die intensive schauspielerische Leistung ist beeindruckend, weil es Fries gelingt, Hilde Coppi nicht zu einer idealistischen Heldenfigur erstarren zu lassen, sondern ihre menschliche Seite zu betonen. Vor allem aus der beschwerlichen Geburt ihres Sohnes in Haft – eine der intensivsten Szenen des Films – schöpft sie neue Kraft in einer Situation, aus der es letztlich keinen Ausweg gibt.

Humanistisches Anliegen

Die persönliche Sicht auf Hilde Coppi entspricht dem sozialen Anliegen, das sich durch alle Filme von Dresen zieht. Wenngleich er sich mit "In Liebe, eure Hilde" thematisch auf ein neues Feld begibt und zum ersten Mal eine Geschichte über die NS-Zeit erzählt, bleibt er dem Kern seines filmischen Stils treu: Es geht ihm um einen humanistischen Blick auf individuelle Schicksale von Menschen, die hart für ihre Ziele kämpfen müssen – und auch im Scheitern ihre Würde behalten.

Entsprechend liegt der Fokus von "In Liebe, eure Hilde" auch weniger auf den idealistischen Motiven des NS-Widerstands. Für die politischen Hintergründe der "Roten Kapelle", wie die Widerstandsgruppe später von den Nazis bezeichnet wurde, interessiert sich der Film nur am Rande.

Mann mit kurzen grauen Haaren und Nickelbrille schaut lächelnd in die Kamera 7 min
Bildrechte: Jochen Saupe
7 min

74. Internationale Filmfestspiele Berlin Wie wird die Berlinale 2024?

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Am 15. Februar wird die 74. Berlinale eröffnet. Dabei ist der in Gera geborene Regisseur Andreas Dresen für einen Preis nominiert. MDR KULTUR hat mit Filmexperte Knut Elstermann über ihn und andere Highlights gesprochen.

MDR KULTUR - Das Radio Di 23.01.2024 07:10Uhr 07:14 min

https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/ost-thueringen/gera/berlinale-wettbewerb-dresen-ausblick100.html

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Er vermeidet auch gängige Klischees anderer Filme über die NS-Zeit, die hier ganz bewusst aufgebrochen werden. Weder rot leuchtende Hakenkreuzfahnen, noch hackenschlagende Nazi-Figuren gibt es zu sehen. Stattdessen gesteht der Film selbst einer Gefängnisaufseherin (Lisa Wagner) menschliche Regungen zu – auch das ein Zeichen für den realistischen Blick von Dresen und Stieler.

Seine Stärke entfaltet der Film dabei vor allem aus dem Kontrast zwischen den bedrückenden Gefängnis-Szenen und den scheinbar idyllischen Schilderungen des Alltags von Hans und Hilde vor ihrer Verhaftung.

Andreas Dresen, ein Mann mit grauen Haaren sitzt vor einem Mikrofon.
Andreas Dresen bei der Berlinale-Pressekonferenz zu seinem Film "In Liebe, eure Hilde". Bildrechte: IMAGO/Cathrin Bach

Chancen auf einen Bären?

Für Dresen ist der Aufritt in Berlin inzwischen fast eine Art "Heimspiel". Nach "Nachtgestalten" (1999), "Halbe Treppe" (2002), "Als wir träumten" (2015) und "Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush" (2022) ist "In Liebe, Eure Hilde" bereits sein fünfter Film, der im Wettbewerb des Festivals präsentiert wird.

Ob der Film am Ende zu den Gewinnern der diesjährigen Berlinale zählen wird, ist offen. Einen Silberne Bären haben Dresen (Großer Preis der Jury für "Halbe Treppe") und Stieler (Bestes Drehbuch für "Rabiye Kurnaz") bereits – und vielleicht kommt am nächsten Samstag ja noch weitere Auszeichnungen dazu. Verdient hätte es der Film allemal.

Quelle: MDR KULTUR (Andreas Kötzing), Redaktionelle Bearbeitung: op

Der Film "In Liebe, Eure Hilde"
Laufzeit 125 Minuten

Regie: Andreas Dresen
Drehbuch: Laila Stieler

Besetzung:
Hilde Coppi - Liv Lisa Fries
Hans Coppi - Johannes Hegemann
Anneliese Kühn - Lisa Wagner
Hebamme - Fritzi Haberlandt

Kinostart: 17. Oktober 2024

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 18. Februar 2024 | 09:40 Uhr

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