Friedrich Merz
CDU-Chef Friedrich Merz hat Bundeskanzler Olaf Scholz aufgefordert, spätestens nächste Woche die Vertrauensfrage zu stellen, damit es im Januar Neuwahlen geben kann. Bildrechte: picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Reaktionen zum Ampel-Aus Merz fordert von Scholz Vertrauensfrage nächste Woche

07. November 2024, 09:34 Uhr

Die Ampel-Koalition ist zerbrochen: Bundeskanzler Olaf Scholz hat Finanzminister Christian Lindner aus der Regierungsverantwortung entlassen und plant, im Januar die Vertrauensfrage zu stellen. Während die Union Neuwahlen für nächste Woche fordert, kritisieren die Grünen Lindners Amtsführung. Die Linke sieht ihre Chancen steigen, die AfD spricht von einem "Neuanfang". Bundespräsident Steinmeier mahnt zur Besonnenheit. Das Ende der Ampel sei "nicht das Ende der Welt".

Nach dem Aus der Ampel-Koalition fordern CDU und CSU schnelle Neuwahlen. Unionsfraktionschef Friedrich Merz forderte am Morgen Bundeskanzler Olaf Scholz auf, spätestens nächste Woche im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen, damit Neuwahlen eingeleitet werden könnten. Merz sagte: "Die Ampel hat keine Mehrheit mehr im Deutschen Bundestag und damit haben wir den Bundeskanzler aufzufordern, und zwar mit einem einstimmigen Beschluss der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, jetzt sofort die Vertrauensfrage zu stellen, spätestens Anfang nächster Woche".

Gleichzeitig ist die Union nach Merz' Worten bereit, bis zur Auflösung des Bundestags noch dringende Gesetzesprojekte mit zu verabschieden. Der Bundespräsident könne den Bundestag nach einem Misstrauensvotum innerhalb von 21 Tagen auflösen. Man habe in diesen 21 Tagen genug Zeit, noch herauszufinden, ob es Themen gebe, die man gemeinsam beschließen müsse. "Wir sind selbstverständlich bereit, Gespräche zu führen, selbstverständlich bereit, auch hier Verantwortung für unser Land zu übernehmen", so Merz. Am Mittwochabend hatte bereits CSU-Chef Markus Söder den Kanzler gedrängt, umgehend die Vertrauensfrage zu stellen.

Bundeskanzler Scholz hatte angekündigt, die Vertrauensfrage am 15. Januar stellen zu wollen, sodass Ende März Neuwahlen stattfinden könnten.

Steinmeier: Nicht das Ende der Welt

Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich inzwischen geäußert: Er erklärte, Bundeskanzler Scholz habe ihn gestern um die Entlassung Lindners als Finanzminister gebeten. Auch die beiden Minister Buschmann und Stark-Watzinger hätten um Entlassung gebeten. Diese Entlassungen wolle er am Mittag vollziehen.

Für die Entscheidung über eine Auflösung des Bundestags – nach dem Stellen der Vertrauensfrage durch Scholz – stehe er bereit, sagte Steinmeier. Den Parteien gab Steinmeier mit auf den Weg, es sei nicht die Zeit für "Taktik und Scharmützel". Die Verfassung habe Vorsorge getroffen für eine solche Situation. "Es ist das Ende der Koalition, nicht das Ende der Welt", sagte der Bundespräsident. Er erwarte von allen Verantwortlichen, dass sie der Größe der Herausforderung gerecht würden.

Linke sieht im Ampel-Aus eine neue Wahlchance

Die Linke betrachtet die Neuwahl-Situation als Möglichkeit, sich klarer als starke linke Kraft zu positionieren. Die Parteichefs Ines Schwerdtner und Jan van Aken sowie die Bundestagsmitglieder Heidi Reichinnek und Sören Pellmann erklärten, die Linke sei "bereit für Neuwahlen". Ihrer Ansicht nach sei die Ampel-Koalition über die letzten drei Jahre gescheitert, weil sie, so die Partei, vor allem Wohlhabende begünstigt und ärmere Teile der Bevölkerung vernachlässigt habe. Die Linke wolle nun mit "frischem Wind" antreten und mit einer vereinten Basis die linken Wählerschichten ansprechen.

AfD begrüßt das Ende der Ampel-Koalition als "Befreiung"

Die AfD sieht im Scheitern der Ampel-Koalition einen "überfälligen Schritt". Alice Weidel und Tino Chrupalla, Parteivorsitzende und Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, bezeichneten das Aus der Regierung als Chance für einen "grundlegenden politischen Neuanfang". Die Ampel-Koalition habe das Land in eine wirtschaftliche Krise geführt. Wie Teile der Union forderten auch sie Scholz auf, umgehend die Vertrauensfrage zu stellen.

BSW-Chefin Wagenknecht kritisiert Scholz' Zeitplan als "Insolvenzverschleppung"

Die Vorsitzende der neu gegründeten Partei BSW, Sahra Wagenknecht, kritisierte Bundeskanzler Olaf Scholz scharf für seinen Zeitplan zur Vertrauensfrage. Wagenknecht bezeichnete den Plan des Kanzlers, erst am 15. Januar im Bundestag das Vertrauen abzufragen, als "politische Insolvenzverschleppung". In einem Interview mit dem Nachrichtenportal "t-online" sagte sie, Scholz hätte die Gelegenheit am Mittwochabend nutzen sollen, sich bei den Bürgern für die Fehler der letzten Jahre zu entschuldigen. Stattdessen habe der Kanzler eine "selbstgerechte Wahlkampfrede" gehalten, sagte Wagenknecht.

Grüne üben scharfe Kritik an Lindner, unterstellen ihm Blockade

Die Grünen äußerten deutliche Kritik am bisherigen Koalitionspartner FDP und an Finanzminister Christian Lindner. Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann sprach von "Egoismen" und einer "destruktiven Herangehensweise" Lindners, die eine Einigung über den Bundeshaushalt blockiert hätten. "Da hat ein Finanzminister seine Arbeit nicht gemacht", sagte Haßelmann deutlich.

Lindners Weigerung, die Schuldenbremse erneut auszusetzen, war laut Grünen der Hauptgrund für den Bruch der Koalition. Haßelmann betonte, dass ihre Partei kompromissbereit gewesen wäre und für andere Projekte bereits vorgesehene Milliardenbeträge hätte umwidmen wollten.

Unterschiedliche Reaktionen aus Sachsen-Anhalt

Auch Politikerinnen und Politiker aus Mitteldeutschland haben sich bereits zum Ampel-Aus auf Bundesebene geäußert. Sachsen-Anhalts Wissenschaftsminister und stellvertretender SPD-Landeschef Armin Willingmann sprach sich bei MDR AKTUELL für einen geordneten Übergang aus. Den von Scholz vorgeschlagenen Weg zu Neuwahlen bezeichnete er als "vernünftigen Zeit- und Fahrplan."

Der CDU-Landesvorsitzende von Sachsen-Anhalt, Sven Schulze, zeigte sich überrascht "wie harsch" der Kanzler über seinen Koalitionspartner Lindner geurteilt habe. Schulze zufolge zeigt das aber auch, dass jeder Tag, den die Ampelregierung weiter im Amt gewesen wäre, ein schlechter Tag für Deutschland gewesen wäre. Die Ampelregierung gehe mit einem großen Knall zu Ende, sagte Schulze weiter. Die Worte von Olaf Scholz zeigten, wie zerrüttet das Verhältnis unter den drei Koalitionspartnern gewesen sein müsse.

Die Fraktionschefin der Grünen in Sachsen-Anhalt, Cornelia Lüddemann, sagte am Mittwochabend, sie sei fassungslos, aber nicht überrascht. "Am Tage des Sieges eines irrlichternden Kandidaten voller toxischer Männlichkeit fährt Lindner weiter seinen Egotrip und destabilisiert damit unser Land."

Lydia Hüskens, die FDP-Landeschefin Sachsen-Anhalts, warf Scholz vor, die Wirtschaftswende nicht gewollt und die Vorschläge Lindners ignoriert zu haben. Thomas Kemmerich, FDP-Landeschef in Thüringen, verteidigte Lindners Wirtschaftsstrategie ebenfalls und sprach von einem "guten Tag für Deutschland".

Meinungen aus Thüringen und Sachsen

Thüringens geschäftsführender Ministerpräsident Bodo Ramelow bezeichnete das Ende der Ampel gestern Abend als überraschend. Zum Thema Neuwahlen sagte er, dass die Linke gerade "ziemlich gerupft" dastehe und sich im Moment in einem Veränderungsprozess befinde, die Partei wolle aber den Schwächsten eine Stimme geben.

SPD-Chef Georg Maier bezeichnete das Ende der Bundes-Ampel als schmerzlichen aber notwendigen Schritt. Die letzten Wochen hätten gezeigt, dass man mit der FDP nicht konstruktiv zusammenarbeiten könne. Dabei müsse der Wirtschaft unter die Arme gegriffen und in die Infrastruktur und Daseinsvorsorge investiert werden. Das Beharren auf der Schuldenbremse sei "Blockadepolitik" und nicht zu rechtfertigen.

Der Thüringer FDP-Chef Thomas Kemmerich verteidigte Lindner. Die FDP vertrete die richtigen Positionen in der Wirtschaftspolitik. Er sprach von einem "guten Tag für Deutschland".

Thüringens AfD-Chef Björn Höcke äußerte Kritik an Christian Lindner und sprach von "taktischen Spielen" des FDP-Politikers. Im Interview mit MDR AKTUELL schien er auch keine Probleme mit dem Zeitplan von Scholz zu haben. Er sagte, Neuwahlen seien auch mit einer Organisationsleistung von Seiten der Parteien verbunden. Das sei nicht von heute auf morgen zu machen. Daher gebe es die Notwendigkeit eines gewissen Vorlaufes.

Die Leipziger Grünen-Bundestagsabgeordnete Paula Piechotta schrieb am Mittwochabend bei X: "An diesen Tagen trennt sich die Spreu vom Weizen. Nicht alle Parteien sind gemacht für härtere Zeiten."

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MDR/dpa/AFP(dkn,ost,cga)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 07. November 2024 | 06:00 Uhr

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