Talsperre
Die Wahnbachtalsperre in NRW. Aus ihr wird Trinkwasser gewonnen – in den vergangenen Jahren waren die Pegel in einigen Talsperren zwischenzeitlich rapide gesunken. Bildrechte: IMAGO / Zoonar

Nationale Wasserstrategie Wie die Bundesregierung die Wasserversorgung sichern will

03. Juli 2023, 11:16 Uhr

Im Frühling hat die Bundesregierung die Nationale Wasserstrategie beschlossen. Angesichts von Klimawandel und Dürren will sie langfristig die Trinkwasserversorgung sicherstellen – und Konflikte möglichst im Vorfeld vermeiden.

MDR AKTUELL Mitarbeiter Lucas Grothe
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Der wichtigste Satz in der Nationalen Wasserstrategie steht gleich am Anfang: "Wasser ist die Grundlage allen Lebens", heißt es in der 120 Seiten umfassenden Ausgabe vom März 2023. Weiter heißt es, Wasser sei keine übliche Handelsware, sondern ein öffentliches Gut, das geschützt und sorgsam behandelt werden müsse. Mit der Nationalen Wasserstrategie sollten erstmals wasserrelevante Maßnahmen aus allen wichtigen Bereichen gebündelt werden – Landwirtschaft und Naturschutz, Verwaltung und Verkehr, Stadtentwicklung und Industrie.

Im Frühling 2023 verabschiedete schließlich das Bundeskabinett die Strategie. "Mit der Nationalen Wasserstrategie und dem Aktionsprogramm Wasser legen wir die Grundlage für ein modernes Wassermanagement. Nur mit intakten Ökosystemen können wir auch unsere Wasserressourcen besser schützen und wiederherstellen", sagte Bundesumweltministerin Steffie Lemke (Grüne).

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Nötig geworden, so schreiben es die Verfasser, war die Wasserstrategie durch die Dürren der vergangenen Jahre. In den Jahren 2018 bis 2022 hatte es in den Sommermonaten in Deutschland extrem wenig geregnet. Die Folgen: Böden trockneten vielerorts aus, in ganzen Waldgebieten starben Bäume wegen Trockenheit und Borkenkäferattacken ab. Und: Die Wasserentnahme aus Flüssen und Bächen wurde teilweise untersagt. Mögliche Konflikte um die Ressource Wasser seien durch die Dürrejahre auch in Deutschland in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung gerückt, heißt es in der Wasserstrategie.

Gibt es in Deutschland schon Wassermangel?

Flächendeckender Wassermangel, sogenannter Wasserstress, ist in Deutschland bisher nicht aufgetreten, schreiben die Verfasser der Wasserstrategie. Es gebe aber "deutliche regionale Defizite in der Wasserverfügbarkeit und der Bodenfeuchte in den Frühjahrs- und Sommermonaten, mit erheblichen Auswirkungen auf die Natur, die Wasser-, Land- und Forstwirtschaft, die industrielle Produktion sowie Fischerei und Aquakultur". Heißt also: Das Trinkwasser ist sicher, die Regierung will aber vorbereitet sein, wenn es im Falle von Dürren künftig zu Nutzungskonflikten kommt, und die Frage entschieden werden muss, wer – etwa Verbraucher, Industrie, Landwirtschaft – wie viel Wasser entnehmen darf.

Um für den konkreten Fall gewappnet zu sein, sollen deshalb schon im Vorfeld sogenannte Wassernutzungshierarchien festgeschrieben werden. Dafür sollen bundesweit einheitliche Leitlinien entwickelt werden, die im Fall von Wasserknappheit zur Anwendung kommen – die Erarbeitung der Leitlinien habe bereits begonnen.

Welche Leitlinien sollen bei der Wassernutzung gelten?

Die genauen Leitlinien werden noch erarbeitet. Wenn sie feststehen, können die Behörden daraus konkrete Konzepte entwickeln und sogenannte Nutzungspriorisierungen festgelegt. Diese treten bei "regionaler temporärer Wasserknappheit und Bodentrockenheit" in Kraft. Betont wird aber schon jetzt die besondere Bedeutung der Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser (Vorrang der Trinkwasserversorgung) und anderer kritischer Bereiche der Daseinsvorsorge (z. B. Lebensmittel- und Gesundheitsversorgung). Berücksichtigt werden aber auch andere Bereiche.

Die Konzepte sollen in Kooperation unter anderem von Ländern, Wasserver- und Abwasserentsorgern und Kommunen erarbeitet werden. "Diese enthalten die Analyse des aktuellen und zukünftigen Wasserdargebotes sowie der Wasserbedarfe und führen diese ausgleichend zur langfristigen Sicherung der Wasserversorgung – innerhalb und außerhalb der öffentlichen Wasserversorgung – zusammen", heißt es dazu. Das Ganze soll möglichst transparent ablaufen.

Sollte es zu Dürren kommen, könnten laut Wasserstrategie von Trockenheit betroffene Bereiche durch Wassertransporte aus anderen Gebieten versorgt werden. In der Wasserstrategie heißt es dazu, es solle "eine Vernetzung von Versorgungsgebieten oder eine Fernversorgung sowie das Niedrigwasser- und Dürremanagement geschaffen werden". Wie weit diese Gebiete auseinanderliegen können, ob also Wasser aus Norddeutschland etwa in die Oberlausitz transportiert werden würde, ist noch offen.

Welche Auswirkungen hat die Wasserstrategie auf Städte und Land?

Flankiert werden sollen die Leitlinien durch eine Riehe weiterer Maßnahmen: Der Blick richtet sich dabei unter anderem auf die Städte, die "wassersensibel" entwickelt werden sollen. Im Mittelpunkt steht das Konzept der Schwammstadt. Damit sollen vor allem bei Starkregenereignissen Versickerungsmöglichkeiten geschaffen werden. Heißt konkret: Wasser soll nicht schnell durch die Kanalisation ablaufen, sondern in unversiegelten Flächen versickern und damit Trockenheit entgegenwirken sowie Überschwemmungen vermeiden.

Dafür sollen zum Beispiel an Straßen mehr Grünstreifen entstehen. Landnutzung soll künftig "gewässerschonend" sein, das Bundeswaldgesetz um wasserrelevante Aspekte ergänzt werden. An Flüssen soll es mehr Renaturierungen und Auenlandschaften geben.

Wie soll das Wasser geschützt werden?

Die Bundesregierung will künftig stärker die Qualität von Wasser – vor allem von Wasser in Flüssen – im Blick behalten. Dafür sollen auch strengere Richtlinien geprüft werden. Es geht um Reste von Düngung aus der Landwirtschaft, Chemikalienreste, Reste von Arzneimitteln und Mikroplastik. Schadstoffbelastete Sedimente in Flüssen sollen entsorgt werden.

Wie soll die Bevölkerung beteiligt werden?

Geplant ist eine "Kommunikationsstrategie Wasser", die auf zehn Jahre ausgelegt sei und "das Bewusstsein in der Gesellschaft mit der Ressource Wasser" stärken soll. Ausgerichtet ist sie auf den nachhaltigen Umgang mit Wasser und Gewässern. Geplant ist auch, den Blick auf die Anpassung an die Folgen des Klimawandels zu richten. Zudem soll es Schulungs- und Bildungsangebote zum Thema Wasser, außerdem Anreize zum Wassersparen geben.

Ab wann soll die Nationale Wasserstrategie greifen?

Die konkreten Punkte der Nationalen Wasserstrategie der Bundesregierung werden noch erarbeitet. Grundsätzlich ist die Strategie aber sehr langfristig ausgelegt. Ziel ist zunächst die Umsetzung eines Aktionsprogramms bis 2030. Darin sind 78 Maßnahmen enthalten, die bis dahin wirken sollen.

Ausgerichtet ist die Wasserstrategie letztlich auf das Jahr 2050. Folgende Ziele sollen dann erreicht werden:

  • Gewässer und unser Grundwasser werden sauber.
  • Bezahlbares und hochwertiges Trinkwasser soll überall und jederzeit verfügbar sein
  • Der naturnahe Wasserhaushalt wird gestärkt und wiederhergestellt.
  • Die Abwasserentsorgung wird nach dem Verursacherprinzip organisiert.
  • Wasserversorgungs-Infrastruktur und Wassernutzung werden an die Folgen der Klimakrise angepasst.

Wer verbraucht in Deutschland das meiste Wasser?

Am meisten Wasser wird in Deutschland durch die Energieversorgung (44,2 Prozent), das verarbeitende Gewerbe inkl. Bergbau und Industrie (26,8 Prozent), die öffentliche Wasserversorgung (26,8 Prozent) und die Landwirtschaft (2,2 Prozent) entnommen. Dabei entnimmt die Öffentliche Wasserversorgung zu rund 70 Prozent Grund- und Quellwasser, während die Energieversorgung überwiegend Flusswasser nutzt.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 20. Juni 2023 | 14:57 Uhr

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