Kristin Schwietzer zum Thema SPD und CDU nach MPK - Olaf Scholz und Michael Kretschmer
Hauptstadtkorrespondentin Kristin Schwietzer beschäftigt sich mit der jüngsten Konferenz der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit Bundeskanzler Olaf Scholz. Bildrechte: Collage: ARD-Hauptstadtstudio/Reiner Freese / picture alliance/dpa|Robert Michael

Unter der Lupe – die politische Kolumne Bezahlkarte für Geflüchtete: Viel geredet, nichts beschlossen

09. März 2024, 05:00 Uhr

Im November sprach der Kanzler noch von einem historischen Erfolg. Da war die beschlossene Bezahlkarte für viele Kommunen und CDU-regierte Länder wie ein Lichtblick am Ende des Tunnels. Drei Monate später haben einige Landkreise die Sache schon selber in die Hand genommen. Aber immerhin, die bundesweite Lösung soll nun endlich kommen. Anderes musste diese Woche nochmal auf den Prüfstand, bei der Konferenz der Ministerpräsidenten.

Alles schön, sagen die A-Länder. Gar nicht schön, finden das die B-Länder. Die A-Länder, also die SPD-geführten Bundesländer, unterstreichen die Fortschritte in der Migrationspolitik. Den B-Ländern, also den CDU-geführten Ländern, geht dabei vieles nicht schnell und weit genug. Willkommen im Wahlkampf. So sieht es der Ministerpräsident von Thüringen. Ein Kommentar von der Seitenlinie, vom Einzelkämpfer der Linkspartei, der selbst wohl schon im Wahlkampfmodus sein dürfte.

Die Landtagswahlen in Ostdeutschland werfen ihre Schatten voraus. Die einen wollen den Kanzler treiben, die anderen ihn schützen. Die nach außen getragene Harmonie dürfte dabei wenig realistisch sein. Die SPD will jeglichen Eindruck von Streit oder Unmut über die Ampel-Koalition in Berlin vermeiden. Die CDU will genau diesen Eindruck verstärken. Vor allem aber versuchen die Christdemokraten, der AfD beim Thema Migration den Schneid abzukaufen.

Migration: Kommunen am Limit

Ein Blick in die Protokollnotizen zeigt den Unmut der CDU-Ministerpräsidenten. Bayern und Sachsen fordern da einen grundlegenden Richtungswechsel in der Migrationspolitik. Länder und Kommunen seien längst an ihrer Belastungsgrenze oder schon darüber hinaus: "Die politische Stabilität des Landes ist in Gefahr. Es müssen umgehend Maßnahmen gegen unbegrenzte irreguläre Migration ergriffen werden."

Am Gastgeber, dem hessischen Ministerpräsidenten, ist das offenbar vorbeigegangen. In der abschließenden Pressekonferenz mit dem Kanzler ist Boris Rhein voll des Lobes, ob des Fortschritts oder der Schnelligkeit bei der Bezahlkarte und überhaupt der Migration. Spätestens jetzt brennt die Luft bei den anderen CDU-Ministerpräsidenten. Da hat der Kollege aus Wiesbaden mit seiner Euphorie die Strategie der CDU zerschossen. Den Kanzler treiben und nicht loben, passt besser ins Wahlkampfjahr und wohl auch eher zur Realität mancher Bürgermeister und Landräte.

Scholz verspricht Abschiebungen: Aber wohin?

In Thüringen etwa kämpfen die Behörden mit massiven Widerständen gegen weitere Flüchtlingsunterkünfte. Eine Bezahlkarte, die ein dreiviertel Jahr später kommt, als beschlossen, sorgt in vielen ostdeutschen Gemeinden eher für Kopfschütteln. Mehr Abschiebungen verspricht der Kanzler, nur wohin fragen sich einige Ministerpräsidenten schon lange.

Auch die Verhandlungen mit den Herkunftsländern kämen voran, sagt Scholz. Georgien habe man inzwischen zu einem sicheren Herkunftsland erklärt. Viel zu wenig, finden die Landesfürsten der CDU. Kritik kommt auch da von den Kommunen. Der Landkreistag fordert mehr Tempo. Die Türkei etwa hätte man längst als sicheren Herkunftsstaat einstufen sollen, erklärt der Präsident, Reinhard Sager (CDU), in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland..

Die Forderung der CDU-Ministerpräsidenten aus Sachsen und Sachsen-Anhalt, weitere Staaten, wie die Maghreb-Länder, in den Kreis der sicheren Herkunftsländer aufzunehmen, verhallt in den Reihen der SPD ebenso wie die Neuauflage einer altbekannten Forderung nach einer Obergrenze, wie sie der sächsische Ministerpräsident vor der Konferenz wiederbelebt hat. Darüber sei hinter verschlossenen Türen nicht einmal ernsthaft verhandelt worden, heißt es später. Hier hält man allerdings die von Kretschmer geforderte Zahl von 60.000 selbst in CDU-Kreisen für kaum umsetzbar.

Keine schnellen Lösungen zu erwarten

Und der Kanzler scheut bei der Frage nach mehr sicheren Herkunftsländern den Konflikt in der Ampel: die SPD unentschlossen, die Grünen dagegen, die FDP dafür. Scholz entscheidet sich dafür, dass erstmal im vagen zu lassen. Im Ergebnisprotokoll heißt es nur: "Bei weiteren Abkommen wird die Bundesregierung insbesondere diejenigen Staaten in den Blick nehmen, aus denen die meisten irregulären Flüchtlinge mit geringer Anerkennungsquoten nach Deutschland kommen."

Schnelle und pragmatische Lösungen konnten nicht präsentiert werden und waren wohl auch nicht zu erwarten. Nur so viel: der Kanzler kommt den Sachsen entgegen und spricht sich für eine Kommission zu Migrationsfragen aus, in der dann Tacheles geredet werden soll. Doch ehe man auch hier zu Lösungen kommt, dürfte es noch dauern.

Zähe politische Arbeit

Und sonst so? Viele Absichtserklärungen, Zwischenstände, die kaum über die Beschlüsse vom November hinausgehen. Immerhin, es geht voran, wenn auch zäh und langsam. Und was sie so gar nicht regeln konnten, wurde erstmal wieder vertagt. Die Frage, wie weiter mit dem Wachstumschancengesetz, bleibt verhakt.

Die SPD-Länder fordern die CDU-Länder auf, ihren Widerstand endlich aufzugeben. Zugeständnisse bei den Landwirten, wie von der CDU gefordert, konnten oder wollten sie allerdings noch nicht auf den Tisch legen. Die Situation bleibt trotz zweier Gesprächsanläufe bei der Ministerpräsidentenkonferenz verfahren. Der Vermittlungsausschuss im Bundesrat soll sich damit weiter beschäftigen. Hier will bisher keiner nachgeben, wohl auch schon ein bisschen Wahlkampfgetöse.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 06. März 2024 | 19:30 Uhr

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