In der Werkstatt arbeitet der Auszubildende Tom Zobel am Fahrwerk einer Straßenbahn.
Derzeit sind etwa 250.000 Stellen im Handwerk unbesetzt. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Jens Kalaene

Handwerkspräsident im Interview 4-Tage-Woche im Handwerk gefährdet Wohlstand

27. Mai 2024, 08:41 Uhr

Der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, Jörg Dittrich, hat mit MDR AKTUELL über die Veränderungsbereitschaft im Handwerk gesprochen. Dittrich macht klar, im Inneren bewege sich mehr, als von außen oft sichtbar sei. Gleichzeitig nimmt er aber auch die Politik in die Pflicht – besonders in Sachen Bürokratieabbau.

Der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, Jörg Dittrich, hat sich skeptisch zu einer 4-Tage-Woche für Handwerker geäußert. Dittrich sagte MDR AKTUELL, derzeit seien 250.000 Stellen im Handwerk unbesetzt. Außerdem können jährlich um die 20.000 Ausbildungsplätze nicht besetzt werden.

Wolle man den Wohlstand erhalten, sei es daher rein rechnerisch nicht möglich, dass alle nur vier Tage arbeiteten. Viele Tätigkeiten wie Pflege oder das Busfahren könnten nicht produktiver gemacht werden. Und technologisch sei man noch nicht auf dem Stand das ausgleichen zu können.

Dennoch: Verschiedene Handwerksbetriebe experimentieren bereits mit der 4-Tage-Woche. Etwa der Fensterhersteller "Eurolam" in Wiegendorf und die Baufirma Gorgas-Lichtenecker aus Sangerhausen.

Und seit Februar läuft in Deutschland eine Pilotstudie zur 4-Tage-Woche, an der auch Unternehmen aus dem Handwerk teilnehmen. Sie wird von der Uni Münster begleitet und soll überprüfen, ob in den Betrieben das 100-80-100 Modell funktioniert: 100 Prozent Produktivität bei 80 Prozent Arbeitszeit und 100 Prozent Bezahlung.

Handwerk muss sich mit Robotik und KI beschäftigen

Jörg Dittrich erklärte im Interview mit MDR AKTUELL, dass Kostendruck und Fachkräftemangel perspektivisch erzwingen würden, dass sich das Handwerk mehr mit Themen wie Robotik und künstlicher Intelligenz beschäftige. "Es gibt auch viele Bereich, wo das bereits der Fall ist: "Der 3D-Druck in der Zahntechnik etwa oder Drohnen, die der Dachdecker-Meister verwendet, um Aufmaße oder Schadbilder von Dächern zu machen."

"Roboter und künstliche Intelligenz spielen im Handwerk eine größere Rolle als es in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird – aber sie spielen noch nicht die Rolle, die ich mir wünschen würde", sagte Dittrich.

In jedem Fall müssten die Innovationen aus dem Handwerk direkt kommen, da man selbst am besten wisse, welche Tätigkeit monoton und eventuell automatisierbar sei. Dittrich hofft besonders auf Roboter zur Unterstützung der Handwerker. Im Malerbereich würden diese jetzt schon eingesetzt.

Unnötige Bürokratie macht Handwerker teuer

Dittrich spricht sich außerdem für weniger Bürokratie im Handwerk aus. Die Meisterinnen und Meister seien bis zu 25 Prozent ihrer Arbeitszeit mit Bürokratie beschäftigt. Der Verbandspräsident macht auch diesen Umstand für die hohen Preise im Handwerk verantwortlich.

Als Beispiele für unnötige bzw. ineffiziente Bürokratie, nannte er den Umstand, dass die Kühlkette in Lebensmittelbetrieben immernoch analog auf einem Zettel nachgewiesen werden müsse und die Vorschrift, dass ein Betrieb für jeden Arbeitsplatz die Gefahrenlage für Schwangere dokumentieren müsse – auch wenn der Arbeitsplatz von einem Mann besetzt ist.

MDR (ewi)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 26. Mai 2024 | 08:00 Uhr

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