Ein Schild mit dem Hinweis «Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe» hängt an einem Bekleidungsgeschäft in der Stuttgarter Innenstadt, das geschlossen wird. Das Statistische Bundesamt veröffentlicht am 11.01.2022 Zahlen zu Insolvenzen (Januar-Oktober 2021 und Trendindikator für Dezember 2021).
Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle beobachtet seit Monaten einen Anstieg von Unternehmensinsolvenzen. Bildrechte: picture alliance/dpa | Bernd Weißbrod

Unternehmensinsolvenzen IWH rechnet mit Anstieg von Insolvenzen

06. September 2023, 10:33 Uhr

Die Zahl der Firmenpleiten in Deutschland steigt. Seit Monaten schon liegen die gemeldeten Insolvenzen über den Werten des Vorjahres. Was sind die Ursachen? Und wie dramatisch ist das wirklich? MDR AKTUELL durfte vorab in den Insolvenztrend des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle schauen.

Ralf Geißler, Wirtschaftsredakteur
Bildrechte: MDR/Isabel Theis

Stefan Ettelt ist für Firmen so etwas wie der Retter in letzter Not. Der Dresdner Rechtsanwalt begleitet durch Insolvenzen. Derzeit versucht er als Generalbevollmächtigter den Möbelbauer Posa zu erhalten. Ettelt erzählt, die erzgebirgische Möbelfabrik habe in der Corona-Pandemie kaum verkaufen können und Staatshilfen bekommen – als Kredit.

"Der Markt hat sich nicht wieder so erholt wie vor Corona", erklärt Ettelt. "Das bedeutet, diese Umsatzzahlen sind in vielen Branchen gerade in der Möbelbranche nicht unbedingt wieder erreicht worden. Was bedeutet, die Fördermittel konnten nicht zurückgezahlt werden. Also: Es geht nicht allen so wie TUI oder Lufthansa, die das zurückgezahlt haben, sondern gerade die kleineren Betriebe haben es unheimlich schwer, diese Kredite zurückzuzahlen."

Müller: Keine Insolvenzwelle erkennbar

Die Folge: Zahlungsunfähigkeit. Von einer Insolvenzwelle würde Rechtsanwalt Ettelt aber nicht sprechen. Und die kann auch Steffen Müller derzeit nicht erkennen. Der Insolvenzexperte am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle wertet monatlich die Insolvenzen in Deutschland aus. Müller sagte, "Ja, wir haben im August den dritten Monat in Folge mehr als 1.000 Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften beobachtet. Und in den größten Unternehmen waren davon mehr als 11.000 Jobs betroffen."

Unterm Strich registrierte Müller im August 40 Prozent mehr Insolvenzen als vor einem Jahr. Das klingt dramatisch. Aber man muss den Anstieg relativieren. In den vergangenen Jahren gab es ungewöhnlich wenige Insolvenzen – weil der Staat sie verhindert hat.

"Die Insolvenzzahlen waren im Zuge der Corona-Krise deutlich gesunken. Das hatte viel mit staatlichen Unterstützungsmaßnahmen zu tun, wie etwa Kurzarbeitergeld oder kurzfristige Kreditlinien für die Unternehmen", erklärt Müller. "Es sind damals eben auch viele schwache Unternehmen durch staatliche Hilfen am Leben erhalten worden. Und der derzeitige Anstieg der Insolvenzen hat dann auch damit zu tun, dass manche Insolvenzen von schwachen Unternehmen eben nachgeholt werden."

Insolvenzen werden laut Experten zunehmen

Vergleicht man die August-Insolvenzen mit der Zeit vor der Pandemie, lässt sich momentan nur ein leicht erhöhtes Insolvenzgeschehen feststellen. Aber Müller rechnet damit, dass die Zahlen noch steigen. Denn die wirtschaftliche Lage sei schwierig. Das empfindet auch René Glaser so. Der Geschäftsführer vom Handelsverband Sachsen sagt, die Insolvenzzahlen allein würden die Not vieler Firmen gar nicht abbilden.

"Hier muss man berücksichtigen, dass gerade im Handel viele Geschäfte einfach geschlossen werden, ohne dass die Geschäftsaufgaben in irgendeiner Insolvenzstatistik auftauchen", erläutert Glaser. "Der Handel stirbt also, wenn man das so sagen darf, größtenteils leise. Geschäfte werden einfach abgeschlossen und sichtbar wird das dann in den Innenstädten und Einkaufsstraßen."

Schuldenschnitt statt Insolvenz

Zwischen 2019 und 2022 hätten in Deutschland 40.000 Einzelhandelsstandorte zugemacht, sagt Glaser. In diesem Jahr könnten weitere 9.000 dazu kommen. Eine Firma, die schließt, ist verloren. Eine Firma in Insolvenz kann wiederauferstehen – wenn Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten. Darauf hofft Stefan Ettelt auch für den Möbelbauer Posa.

"Wir haben eine gute Mannschaft", meint Ettelt. "Wir haben eine Unternehmerfamilie, die hier engagiert ist, die auch den Gläubigern ein Angebot unterbreiten will. Und deswegen: Ich bin da optimistisch." Bei rund der Hälfte aller Insolvenzen kann es nach einem Schuldenschnitt weitergehen. Wenn auch oft nur mit reduziertem Personal.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 06. September 2023 | 06:00 Uhr

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