Video | MDR um 4: Auch Strommasten aufzustellen ist aufwändig. Trotzdem zieht 50Hertz sie den noch teureren Erdkabeln vor. Filmbericht von einer Stromleitungs-Baustelle 3 min
Video | MDR um 4: Auch Strommasten aufzustellen ist aufwändig. Trotzdem zieht 50Hertz sie den noch teureren Erdkabeln vor. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Stromnetz-Ausbau Wo Stromleitungen in Mitteldeutschland noch neu entstehen könnten

02. März 2024, 09:12 Uhr

Auch in Mitteldeutschland sollten sich Bewohner einiger Gegenden den Netzenwicklungsplan ansehen: Neue Stromleitungen sollen gebaut werden. Und in der finalen Phase der Erstellung des Bundesbedarfsplans spricht sich der zuständige Netzbetreiber aus Kostengründen gegen Erdkabel aus.

MDR AKTUELL Mitarbeiter Kristian Schulze
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Während Thüringen und Sachsen-Anhalt noch mit Neubau-Stromtrassen namens Süd- und Südostlink beschäftigt sind, rückt der Ost-West-Link in den Blick der Öffentlichkeit – eine neue Hochspannungsleitung in einem Korridor quer durch Sachsen-Anhalt und Sachsen. Am Freitag bestätigte die Bundesnetzagentur den neuen Netzentwicklungsplan als Grundlage für einen gesetzmäßigen Bundesbedarfsplan. Darin ist auch das Leitungsprojekt von Niedersachsen bis Sachsen aufgeführt, neben zahlreichen anderen.

Stromtrasse 1 min
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Der neue Netzentwicklungsplan 2037/2045 (NEP) strebt erstmals ein Stromnetz an, mit dem bis 2045 Klimaneutralität möglich sein soll. Die Gesamtkosten aller geplanten Maßnahmen bis 2045 bezifferte die Behörde am Freitag auf rund 320 Milliarden Euro. Sämtliche Kosten werden in der Regel über die Netzentgelte auf alle Stromverbraucher umgelegt.

Für ein klimaneutrales Stromsystem brauche es "in erheblichem Umfang zusätzliche Stromleitungen", sagte Bundesnetzagentur-Chef Klaus Müller laut Mitteilung der dem Bundeswirtschaftsministerium unterstellten Behörde.

Dämpfer für Thüringen

Der nun offizielle Netzentwicklungsplan enthält auch eine möglich neue Freileitung durch das Heldburger Unterland in Süd-Thüringen. Wie die Bundesnetzagentur MDR THÜRINGEN bestätigte, hatte sie die Netzbetreiber Tennet und 50Hertz ermutigt, diese zu beantragen. Es werde zusätzliche Übertragungskapazität zur Versorgung von Bayern benötigt.

Der Plan hatte bereits im Vorfeld der Entscheidung zu heftigem Streit zwischen den Landesregierungen geführt, da aus Sicht der Thüringer zu ihren Lasten bayerisches Gebiet stärker verschont werde.

Ost-West-Link quer durch Deutschland

Ein Stück des vorgesehenen neuen Ost-West-Links bleibt Thüringen aber erspart, nachdem in einem ersten NEP-Entwurf auch Wolkramshausen bei Nordhausen als möglicher Endpunkt der Leitung im Gespräch war.

Der nunmehr angepeilte Endpunkt heißt Streumen und liegt nördlich von Riesa in Sachsen nahe der Landesgrenze zu Brandenburg. Insgesamt ist laut Entwurf für den Ost-West-Link in Mitteldeutschland ein Streifen quer durch Sachsen-Anhalt vorgesehen, der bis zum Umspannwerk Streumen verläuft, also in die sächsische Gemeinde Wülknitz südlich der Gohrischheide.

Karte: In diesem Korridor könnte nach dem NEP-Entwurf der Übertragungsnetzbetreiber der Ost-West-Link verlaufen. Im NEP-Entwurf heißt das Projekt "DC40".
Karte: In diesem Korridor könnte nach dem Entwurf der Übertragungsnetzbetreiber der Ost-West-Link verlaufen. Im NEP-Entwurf heißt das Projekt "DC40". Bildrechte: StromnetzDC, MDR

Das als DC40 bezeichnete Projekt beschreibt eine Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) vom äußeren Nordwesten in Niedersachsen bis tief nach Sachsen. Ab der Landesgrenze von Sachsen-Anhalt fällt sie in die Zuständigkeit des Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz. Sie soll Strom aus Windenergie transportieren, Netzengpässe in Ost-West-Richtung beheben und so auch das bestehende Netz entlasten.

Dazu kommt eine weitere Leitung mit dem Titel DC40plus, die von der niederländischen Grenze durch Niedersachsen führen und in Sachsen-Anhalt bei Klostermansfeld enden soll. Sie war nach Angaben der Netzagentur von den Übertragungsnetzbetreibern erst nach der Veröffentlichung des zweiten Entwurfs des Netzentwicklungsplans beantragt worden.

50Hertz stellt Erdkabel zur Debatte

Brisanz bekommt das Thema durch Äußerungen von 50Hertz-Chef Stefan Kapferer im Januar. Im Reuters-Interview hatte er aus Kostengründen dafür plädiert, bei neuen Leitungen auf Erdkabel möglichst zu verzichten.

Kunststoffrohre, durch die Strom-Erdkabel gezogen werden, auf einer Baustelle des Netzbetreibers Amprion in Nordrhein-Westfalen als Teil der Nord-Süd-Stromtrassen.
Strom-Erdkabel des westdeutschen Übertragungsnetzbetreibers Amprion. Die meisten Anrainer bevorzugen diese Lösung. Bildrechte: picture alliance / Roland Weihrauch/dpa | Roland Weihrauch

Bei laufenden Projekten hatten Anwohner und Umweltschützer die weitgehend unterirdische Verlegung durchgesetzt. Die Netzbetreiber jedoch finanzieren den Ausbau und den Betrieb ihrer Anlagen über Netzentgelte als Bestandteil der Strompreise und sie fürchten laut Kapferer, "dass die Unterstützung für die Energiewende deshalb wegbricht, weil die Leute sagen, das wird mir alles zu teuer".

Die Kosten für die Erdkabel seien dreimal so hoch und auch ihre spätere Wartung teurer, hatte Kapferer gesagt. Deshalb sei eine Debatte erforderlich: "Was ist besser für die Akzeptanz, Erdverkabelung oder Freileitung?"

Von der Bundesnetzagnetur hieß es jetzt, es sei nicht Aufgabe des Netzentwicklungsplans festzulegen, ob und an welchen Stellen nun Freileitung oder Erdkabel zu realisieren seien. Das entscheide der Gesetzgeber durch Kennzeichnung im Bundesbedarfsplan laut § 3 Bundesbedarfsplangesetz und danach gegebenenfalls die zuständige Genehmigungsbehörde.

Wo weitere Trassen kommen könnten

Im Zusammenhang mit und zusätzlich zum Ost-West-Link (siehe oben) präsentiert der aktuelle Netzentwicklungsplan weitere Vorschläge für neue Stromleitungen in Mitteldeutschland, vor allem in Sachsen.

P625: Netzausbau für Dresden

Vom Ost-West-Link-Endpunkt in Streumen sieht der Plan eine neue Leitung nach Großenhain und über "Suchräume" bei Moritzburg, Radeburg, Dresden-Klotzsche bis nach Schmölln bei Bischofswerda vor. Im Norden von Dresden sollen zwei neu zu errichtende Umspannwerke angeschlossen werden, um die Versorgungssicherheit der Stadt erhöhen, weitere Industrie-Ansiedlungen zu ermöglichen und wachsenden Bedarf der vorhandenen zu decken.

Karte: Die stärkeren grünen Linien stammen nicht von der Bundesnetzagentur. Sie wurden redaktionell eingefügt, um die Angaben im Netzentwicklungsplan zu veranschaulichen.
Die stärkeren grünen Linien stammen nicht von der Bundesnetzagentur. Sie wurden redaktionell eingefügt, um die Angaben im Netzentwicklungsplan zu veranschaulichen (Klick zum Vergrößern). Bildrechte: StromnetzDC, MDR

Nach Angaben der Netzbetreiber wird bereits länger ein steigender Leistungsbedarfs der sächsischen Hauptstadt verzeichnet, durch Wachstum ihrer Bevölkerung und durch die Industrie, der auch nach 2030 weiter zunehmen könne.

Zudem werde nördlich von Großenhain bis 2030 eine größere industrielle Ansiedlung erwartet und hier auch nach 2030 noch die Erschließung weiterer Flächen.

So sei "perspektivisch mit einer weiteren Lastentwicklung zu rechnen". Auf dem alten Militärflugplatz bei Großenhain sollen 145 Hektar Industriefläche entstehen, laut Landesregierung eine der größten Ostdeutschlands.

Eigentümer der Fläche ist das Land Sachsen. Schon vor einem Jahr hat die Landesdirektion hier ein Raumordnungsverfahren abgeschlossen und für eine oberirdische Freileitung vier mögliche Korridore zwischen zwölf und 15 Kilometern von Streumen bis Großenhain als raumverträglich erachtet.

P636: Link zwischen Delitzsch und Eula

Dieses Vorhaben soll die Übertragungskapazität in Sachsen erhöhen, mit einer neuen Leitung von einem geplanten Umspannwerk im "Suchraum" um Delitzsch bis zu einem bestehenden bei Eula nahe Borna.

Karte: Die stärkere grüne Linie stammt nicht von der Bundesnetzagentur. Sie wurde redaktionell eingefügt, um die Angaben im Netzentwicklungsplan zu veranschaulichen.
Die stärkere grüne Linie wurde redaktionell eingefügt, um die Angaben im Netzentwicklungsplan zu veranschaulichen (Klick zum Vergrößern). Bildrechte: StromnetzDC, MDR

Die neue Leitung könnte über Taucha im Osten von Leipzig nach Süden führen (siehe Karte).

Als Begründung wird auch hier auf den Ausbau erneuerbarer Energien in der Region verwiesen. Zudem werde "ein signifikanter Anstieg der Last erwartet", für den bestehende Leitungen eine zu geringe Kapazität hätten – auch mit bereits geplanten Netzverstärkungen.

Verfahren mit Beteiligung der Öffentlichkeit

Das Verfahren zur Aufstellung des Bundesbedarfsplans sieht in mehreren Stufen auch die Beteiligung der Öffentlichkeit vor. Der Netzentwicklungsplan und der darauf basierende Bundesbedarfsplan legen jeweils Anfang und Ende vorgeschlagener Leitungen fest, aber noch keine genauen Trassenverläufe.

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von Ralf Geißler

MDR AKTUELL Mo 19.06.2023 10:57Uhr 03:58 min

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Darum ist die Rede von "Suchräumen". Erster Schritt ist dabei immer die Festlegung von Bedarfszenarien, der zweite ein alle zwei Jahre aktualisierter Netzentwicklungsplan der Unternehmen. Den prüft die Bundesnetzagentur – mit öffentlicher Konsultation und Erstellung eines Umweltberichts. Alles wird kontinuierlich wiederholt, um den Plan an Veränderungen anzupassen.

Alle vier Jahre legt dann das Bundeswirtschaftsministerium auf Basis eines von der Bundesnetzagentur bestätigten Netzentwicklungsplans den Entwurf eines Bundesbedarfsplans im Bundestag vor. Der hatte zuletzt Ende Januar 2021 zugestimmt, womit der aktuelle BBPl seit Ende Februar 2021 gilt. Damit wäre spätestens in einem Jahr also der Bundestag wieder gefragt.

Baurecht ganz zum Schluss

Ein genauer Trassenverlauf wird erst danach in einem letzten Schritt per Planfeststellungsbeschluss fixiert, vor dem unmittelbar betroffene Bürger auch gehört werden. Gibt es dann Baurecht, sind schon vor dem Baustart auch noch archäologische Erkundungen entlang der Trasse möglich.

Wer sich genauer erkundigen will, kann das aber auch schon vor konkreten Planfeststellungsverfahren tun, etwa auf den Seiten von StromNetzDC, einem Projekt der Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz, TenneT und TransnetBW, das weit übersichtlicher und informativer ist als das der Bundesnetzagentur.

50Hertz – der Übertragungsnetzbetreiber im Osten Das Unternehmen mit Sitz in Berlin betreibt das große Strom-Übertragungsnetz in Nord- und Ostdeutschland mit einer Länge von mehr als 10.000 Kilometern. Es beschäftigt rund 1.600 Mitarbeiter und kooperiert auch mit diversen regionalen, kleineren Strom-Netzbetrieben. Es gehört dem belgischen Netzbetreiber Elia und zu 20 Prozent der staatlichen Förderbank KfW des Bundes und der Länder.

50Hertz ist nach der Netzlänge nur der drittgrößte der vier großen deutschen Übertragungsnetz-Betreiber, mit TenneT (ca. 13.500 km), Amprion (ca. 11.000 km) und der landeseigenen TransnetBW (in Baden-Württemberg ca. 3.100 km).

MDR AKTUELL, mit Reuters, dpa

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 01. März 2024 | 16:30 Uhr

13 Kommentare

kleinerfrontkaempfer vor 8 Wochen

gebaut wird was im Rahmen der Entwicklungspläne genehmigt wurde.
Der Investor will natürlich so billig wie möglich investieren. Der (staatl.) Regulierer will dem anstehenden "Verbraucherschutz" gerecht werden und er er muß die Energiewende regulieren. Höhere Investitionen = höheere Netzentgelte.
Wobei die großen länderübergreifenden Trassen nicht das Investende darstellen.
Worüber heute noch keiner spricht sind die nachfolgenden Mittel/Niederspannungsnetze und zugehörige Anlagen.
Billiger Strom aus erneuerbaren Energien aber inzwischen soooooviele ZUSATZkomponenten die bezahlt werden müssen! Von wem??
Einmal darf man raten.

Egone vor 8 Wochen

Ich habe keinerlei Probleme mit KKWs, auch wenn sie sich in meiner Nähe befänden. Das Atommüllendlager Morsleben ist gar nicht so weit weg von mir und auch nicht das Zwischenlager in Gorleben. Außerdem werden die „abgebrannten“ Brennstäbe eh nie „endgelagert“ werden. Dazu sind sie viel zu wertvoll! Es sind noch 95% der Energie enthalten, die zu erheblichen Teilen auch schon durch die heutigen Aufarbeitungsmethoden nutzbar gemacht werden. Da ist noch so viel Enegie enthalten, um Deutschland 300 Jahre mit Strom versorgen zu können. Und die Reaktoren der 4ten Generation werden den „Atommüll“ praktisch komplett verwerten, sodaß nur noch Spaltprodukte übrig bleiben die nach ca. 300 Jahren auf das Niveau von Natururan angeklungen sind.

Egone vor 8 Wochen

Was ist daran eine
Milchmädchenrechnung? 320:11= 29.
Und man müßte ja keinen EPR bauen lassen. Man kann das ja auch bei den Koreanern in Auftrag geben. Das KKW Bakarah in den VAR mit 4 Reaktoren a 1.345MW, also insgesamt 5,38MW, haben sie in 12 Jahren gebaut, wobei die einzelnen Reaktoren jeweils 8 Jahre Bauzeit hatten.

Wenn‘s die Europäer nicht (mehr) können, übernehmen andere die Lücke.


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