Mitarbeiterin begutachtet 2021 in der Endkontrolle einer Produktionslinie für Solarmodule im Werk der Meyer Burger Technology AG in Freiberg ein Solarmodul.
Mitarbeiterin begutachtet 2021 in der Endkontrolle einer Produktionslinie für Solarmodule im Werk der Meyer Burger Technology AG in Freiberg ein Solarmodul. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Hendrik Schmidt

Chinesische Dumping-Preise Resilienzbonus spaltet Politik und Solar-Branche

22. März 2024, 18:34 Uhr

Die deutsche Solarindustrie steht extrem unter Druck – mit den Billigpreisen in China kann sie nicht mithalten. Unternehmen und Branchenverbände fordern schon seit Monaten Unterstützung von der Bundesregierung. Im Gespräch ist ein sogenannter Resilienzbonus, der die heimische Industrie stärkt und unabhängig von China macht. Für diese Woche hatte die Solarbranche eine Einigung der Ampel-Parteien erwartet, oder zumindest erhofft – doch die Fronten bleiben offenbar verhärtet.

Gunter Erfurt, CEO von Meyer Burger, steht in der Produktion von Solarzellen des Schweizer Unternehmens.
Gunter Erfurt verteidigt das geplante Aus des Solar-Werkes in Freiberg. Grund sei fehlende Industriepolitik. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Hendrik Schmidt

In Thalheim laufen die Bänder noch, dort produziert die Firma Meyer Burger jeden Tag mehrere hunderttausend Solarzellen. Aktuell der einzige Ort in Europa, an dem überhaupt Solarzellen hergestellt werden. Diese hat Meyer Burger bis vor kurzem im sächsischen Freiberg in ihren Solarmodulen verbaut. Doch diese Module sind Geschichte - vergangene Woche wurde die Produktion eingestellt. Für die rund 500 Mitarbeiter dürfte Ende April endgültig Schluss sein. "Wir müssen unsere Schließungspläne leider fortsetzen", sagte Gunter Erfurt, Vorstand und CEO Meyer Burger, im Gespräch mit dem vom MDR produzierten ARD Mittagsmagazin. In Europa sei kein fairer Wettbewerb mehr möglich, daher müssten Unternehmen entsprechend reagieren. "Das Fehlen der Industriepolitik wird auf dem Rücken von Mitarbeitern hier in unserem ostdeutschen Werk ausgetragen".

Thalheimer Werk produziert bereits US-Maße

Das beschäftigt auch Meyer-Burger-Mitarbeiter in Sachsen-Anhalt. "Die Stimmung drückt natürlich die allgemeine Lage auch aus“, sagt Jochen Fritsche, Meyer-Burger-Werksleiter in Bitterfeld-Wolfen. Die Bindung zum Schwesterwerk, was bisher die Module aus den Zellen hier gebaut habe, sei sehr eng. "Wir haben unsere Ausrichtung geändert. Wir bauen jetzt die Zellen für den Hochlauf der Modulproduktion in den USA, dafür wurde auch die Produktion leicht angepasst."

Wir haben unsere Ausrichtung geändert. Wir bauen jetzt die Zellen für den Hochlauf der Modulproduktion in den USA, dafür wurde auch die Produktion leicht angepasst.

Jochen Fritsche Meyer Burger-Werksleiter in Bitterfeld-Wolfen

Mit etwas größeren Zellen setzt Meyer Burger nun auf den US-Markt, baut dort gerade zwei Werke. Ganz aufgeben will die Firma ihre Photovoltaik-Produkte aus Deutschland noch nicht. Doch ohne Subventionen wie einen Solar-Bonus sieht sie keine Chance. Zu übermächtig sei die Konkurrenz aus China, sagt Erfurt. "In Europa ist kein fairer Wettbewerb möglich, und deswegen müssen Unternehmen dann entsprechend darauf reagieren. Das ist leider so." Meyer Burger sei sicher das Unternehmen, das an der Stelle am klarsten kommuniziert hat. Betroffen aber sei die gesamte Solarindustrie, sagt er und warnt vor "tausenden Jobverlusten" vor allem in Ostdeutschland.

Es betrifft die gesamte Solarindustrie, das wird zu tausenden Jobverlusten vor allem in Ostdeutschland führen und bislang gibt's keine Einigung, (..) es wird Dumping geduldet, es wird Zwangsarbeit geduldet und damit müssen wir unsere Schließungspläne fortsetzen.

Gunter Erfurt Vorstand und CEO Meyer Burger

Die deutsche Solarbranche retten soll ein sogenannter Resilienzbonus. Der sieht vor, dass beim Kauf von Modulen aus deutscher oder europäischer Produktion eine höhere Einspeisevergütung für Solarstrom gezahlt wird. Der Bonus geht also an die Nutzer von Solaranlagen - soll die Produkte aus Europa attraktiver machen. Je mehr Bestandteile einer Solaranlage aus Deutschland oder Europa kommen, desto höher fällt der Bonus aus.

Bonus spaltet Branche

Einige Unternehmen sehen das kritisch. Die Firma Energiekonzepte Deutschland GmbH (EKD) im sächsischen Taucha plant ihre Solarmodule zwar in Deutschland, hergestellt werden sie aber in Asien. Täglich kommen im sächsischen Taucha Module aus China an und werden dann mit Zubehör an die Kunden deutschlandweit verschickt. Mit Bonus könnten sie zum Ladenhüter werden. "Ich glaube, dass das für den Markt nicht wirklich fair ist", sagt EKD-Geschäftsführer Timo Sillober, "weil es unterschiedliche Marktteilnehmer gibt, unterschiedliche Größen, die sich unterschiedlich leicht- oder schwertun, europäische Produkte zu verkaufen, weil es einen Run und Verteilungswettbewerb um diese Produkte geben wird." Auch wenn EKD selbst umsatteln könnte, fürchtet er, dass sich dann die Großen durchsetzen und die Kleineren auf der Strecke bleiben.

Ich glaube, dass das für den Markt nicht wirklich fair ist, weil es unterschiedliche Marktteilnehmer gibt, unterschiedliche Größen, die sich unterschiedlich leicht- oder schwertun, europäische Produkte zu verkaufen, weil es einen Run und Verteilungswettbewerb um diese Produkte geben wird.

Timo Sillober, EKD Taucha

Meyer-Burger und die anderen Modulhersteller hingegen vermissen Fairness in Deutschland. "Aus Sicht der Solarindustrie braucht es den Resilienzbonus auf jeden Fall", sagt Erfurt. Er ist der Ansicht, dass der Bonus faire Wettbewerbsbedingungen in Europa schaffen könnte. Diese gebe es jetzt so nicht - eben weil die Politik Dumping und Zwangsarbeit dulde. Die Solarindustrie stehe beispielhaft für das Ziel der chinesischen Industriepolitik: Industrien in anderen Regionen faktisch zu zerstören. Deutschland werde so in eine hundertprozentige Abhängigkeit getrieben. 

Branche wartet seit Monaten auf Hilfe

Ob und wann der Resilienzbonus kommt, ist offen. Seit Monaten wartet die Solarbranche auf ein klares Signal aus der Politik. Seit Wochen streitet die Ampel-Regierung. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist dafür, die FDP dagegen. Das sagte am Freitag auch noch einmal der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Reinhard Houben, im ARD Mittagsmagazin.

Er gehe nicht davon aus, dass ein Resilienzbonus im Rahmen des Solarpaketes eingeführt werde. Aus Sicht der FDP sei es nicht sinnvoll, eine Produktion von Solarpanelen zu subventionieren, wenn man sie billiger aus den USA zum Beispiel beziehen könne. In der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Unionsfraktion, heißt es lediglich, eine etwaige Einführung eines Resilienzbonus werde im Rahmen der parlamentarischen Beratungen zum Solarpaket 1 diskutiert. Die Hoheit des Verfahrens liege beim Bundestag.

Unionsfraktion spricht von "Offenbarungseid Habecks"

Andreas Jung, Bundestagsabgeordneter und stellvertretender Vorsitzender der CDU
Andreas Jung, CDU/CSU-Bundestagsfraktion Bildrechte: picture alliance/dpa | Bernd Weißbrod

Andreas Jung, einer der stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, bezeichnete die Antworten der Bundesregierung im Kommentar für das ARD Hauptstadtstudio als "Offenbarungseid von Robert Habeck zur Solarindustrie" und "Sonnenfinsternis der Koalition". Er halte angesichts massiver chinesischer Subventionen zwar ein deutsches Resilienzpaket für dringlich – "die Ampel macht aber das exakte Gegenteil: Resilienzstärkung ist ersatzlos ohne irgendeine Regierungslinie abgesagt, die Förderung von Forschung und Leuchtturmprojekten wird massiv gekürzt". Übrig bleibe lediglich Exportförderung für Meyer Burger zum Aufbau von Solarmodulen in den USA.

In Bitterfeld-Wolfen hatten viele auf ein Comeback vom in den Nullerjahren so erfolgreichen Solar Valley gehofft. Doch einmal mehr sieht es ohne staatliche Hilfe schlecht aus.

Dieses Thema im Programm: Das Erste | ARD Mittagsmagazin | 22. März 2024 | 13:10 Uhr

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