Wohnungsbautag Verbände fordern Milliardenpaket für sozialen Wohnungsbau

20. April 2023, 18:43 Uhr

Die großen Wohnungsbauverbände schlagen Alarm: Die deutsche Baubranche stehe vor einem Kollaps, wenn nicht schnell gehandelt werde. 400.000 Wohnungen wollte die Ampelkoalition jährlich bauen – das wird 2023 bereits verfehlt. Die Baubranche fordert von der Politik vor allem eines: Fördergelder.

Nikta Vahid-Moghtada
Bildrechte: MDR/Markus Geuther

50 Milliarden Euro mehr bis 2025 vom Staat, um ausreichend sozialen Wohnraum in Deutschland zu schaffen: Das forderte ein Bündnis aus Mieterbund und Baugewerkschaft sowie Sozial- und Branchen-Verbänden auf dem 14. Wohnungsbautag in Berlin. Dem Bündnis gehören unter anderem der Deutsche Mieterbund, der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen und der Zentralverband Deutsches Baugewerbe an.

Nur mit solchen finanziellen Mitteln könne es gelingen, die 100.000 Sozialwohnungen pro Jahr, die sich die Ampel-Koalition vorgenommen habe, zu bauen, hieß es. Insgesamt hatten die Ampelparteien den Bau von 400.000 Wohnungen pro Jahr in ihrem Koalitionsvertrag verankert.

Mieterbund: "Wohnen sollte wie Verteidigung mit einem Sondervermögen ausgerüstet werden"

Der Staat müsse den Bau bezahlbarer Wohnungen mit Quadratmeter-Kaltmieten zwischen 8,50 Euro und 12,50 Euro massiv unterstützen. "Wir brauchen schnell deutlich mehr sozialen und bezahlbaren Wohnraum", sagte die Präsidentin des Bundesverbands Deutscher Baustoff-Fachhandel, Katharina Metzger.

Der Präsident des Deutschen Mieterbunds, Lukas Siebenkotten, wies auf eine Abwärtsspirale hin: Bei steigendem Bedarf würden nicht nur zu wenige Sozialwohnungen gebaut. Immer mehr bestehender sozialer Wohnraum falle nach rund 20 Jahren aus der geltenden Bindungsfrist. "Ich finde, dass Wohnen so wichtig ist, dass es wie die Verteidigung mit einem Sondervermögen ausgerüstet werden kann", sagt Siebenkotten. Der Wohnungsmarkt stehe am Kipppunkt.

Steigende Baupreise und hohe Zinsen machen Baubranche zu schaffen

Diese Einschätzung teilt Dietmar Walberg, der Leiter des Kieler Bauforschungsinstituts Arge, der in Berlin eine neue Studie zum Bausektor vorstellte. Wenn jetzt nichts passiere, drohe ein "regelrechter Absturz", sagte Walberg. Zum einen sei der Wohnungsbedarf extrem hoch, wegen der sinkenden Kaufkraft lasse jedoch die Baunachfrage nach. Ein weiteres Ergebnis der Studie: Bei der aktuellen Preisentwicklung sei für den Bau der vom Bund geplanten 100.000 Sozialwohnungen eine staatliche Förderung von 15 Milliarden Euro nötig – pro Jahr.

Die Branche kämpfe mit den hohen Zinsen und den stark gestiegenen Baupreisen, sagte Walberg. Bezahlbarer Wohnraum könne derzeit nicht ohne massive Subventionen entstehen. Die Krux: Wer profitabel Mietwohnungen bauen will, müsse 20 Euro oder mehr pro Quadratmeter an Kaltmiete verlangen, sagte Walberg.

Verbände warnen vor Folgen für die Volkswirtschaft

Ein Einbruch beim Wohnungsbau würde sich nicht nur fatal auf vor allem den Wohnbedarf der Bevölkerung auswirken, sondern auch auf die Volkswirtschaft, warnten die Verbände. "Der Wohnungsbau ist ein starker Motor der Binnenkonjunktur, vor allem in der Krise", heißt es in einem gemeinsamen Statement. An der gesamten Wertschöpfungskette hingen mehr als drei Millionen Arbeitsplätze.

Zugleich warnte der Chef der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau), Robert Feiger, vor einem weiter drohenden Fachkräftemangel im Baugewerbe. Die in den vergangenen 13 Jahren aufgebaute Kapazität am Bau dürfe man "nicht leichtfertig aufs Spiel setzen". Wer einmal, wie in den Corona-Lockdowns in der Gastronomie, gehe, der sei weg, fürchtet Feiger.

Forderung: Niedrigere Standards, Aufstockung, einheitliche Regeln

Um dem drohenden Absturz im Wohnungsbau entgegenzuwirken, forderten die Verbände auch einen veränderten Umgang mit dem Überhang bereits genehmigter Wohnungen. So sei zum jetzigen Zeitpunkt der Bau von rund 900.000 Wohneinheiten in Deutschland bereits genehmigt. Bei rund 40 Prozent davon habe aber noch nicht einmal der Rohbau begonnen, weil Investoren kalte Füße bekämen. Ohne finanzielle Zuschüsse oder vereinfachte Auflagen bestehe die Gefahr, dass viele Wohnungen überhaupt nicht gebaut würden.

Das untermauern aktuelle Zahlen des Ifo-Instituts: Demnach werden immer mehr Aufträge im Wohnungsbau storniert. Aktuell melden 16 Prozent der Wohnungsbauunternehmen abgesagte Aufträge: Im Januar waren es noch 13,6 Prozent, im Februar 14,3 Prozent.

IG BAU: Toxische Situation auf dem Wohnungsmarkt

Neben einer Aufstockung von bereits bestehendem Wohnraum müsse auch über niedrigere Standards und bundesweit einheitliche Regelungen beim Bau nachgedacht werden, fordern die Verbände.

Die Bedingungen für den Neubau von Wohnungen seien in Deutschland so schlecht "wie noch nie seit dem letzten Weltkrieg", sagte der IG-Bau-Vorsitzende Robert Feiger. Im Gespräch mit MDR AKTUELL sprach er von einer "toxischen Situation" auf dem Markt. 700.000 Sozialwohnungen fehlten und der Bund könne schon jetzt gesetzte Ziele nicht erreichen.

Geywitz: Länder müssen Investitionen in sozialen Wohnungsbau erhöhen

Die Bundesregierung will bis 2026 für den Sozialwohnungsbau vorerst nur 14,5 Milliarden Euro bereitstellen. Sie könne die Forderungen des Bündnisses verstehen, sagte Bundesbauministerin Klara Geywitz. Entgegnete aber: "Das Grundgesetz schränkt die Verschuldungsmöglichkeiten des Staates ein."

Nicht nur der Bund, auch die Länder seien gefragt, sagte Geywitz. Mit der Co-Finanzierung durch die Bundesländer könne man voraussichtlich auf eine jährliche Fördersumme von 36 Milliarden Euro kommen. Das Bewusststein der Länder für preiswertes Bauen müsse geschärft werden.

Ein "halber Wumms" also, heißt es von den Verbänden zusammenfassend, sei nötig, um den deutschen Wohnungsbau zurecht zu rütteln. Ansonsten sei es ein Wettlauf gegen den demographischen Wandel: Weil sich die Anzahl der Personen in einzelnen Haushalten verringere, steige nicht nur die Zahl der Haushalte. Mit der immer älter werdenden Bevölkerung steige auch der Bedarf an altersgerecht ausgestatteten Wohnungen.

MDR (nvm), mit Material von Afp, epd, Reuters

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 20. April 2023 | 16:19 Uhr

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