Nachhaltig und autark Wie diese Instrumentenbau-Firma die Energiewende vorantreibt
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26. November 2024, 05:00 Uhr
Solaranlagen auf dem Dach, Wärmerückgewinnung für mehr Energieeffizienz und Wärmepumpen statt Blockheizkraftwerk. Der Instrumentenbauer Warwick im Vogtland zählt zu den Vorreitern in der Energiewende und rüstet stetig weiter nach. Andere Projekte in der Nachbarschaft scheiterten zuletzt an rechtlichen Hürden. Experten halten dennoch ein Umdenken auch bei einigen Unternehmen für notwendig.
- Sächsische Energie-Agentur sieht "Warwick" als Vorreiter in der Energiewende.
- Das Abgeben überschüssiger, selbst erzeugter Energie aus Erneuerbaren in der Nachbarschaft scheitert bisher an rechtlichen Hürden.
- Energie-Experte: Unternehmen sollten bei Investitionen langfristiger denken.
Energie möglichst effizient und nachhaltig nutzen – für Unternehmer Hans-Peter Wilfer ist das schon lange ein Thema. "Ich bin in einem Umfeld aufgewachsen, was immer schon nachhaltig gedacht hat", sagt der 66-Jährige. Dabei will er sich keineswegs als Idealist verstanden wissen. Als wertkonservativ und wirtschaftlich orientiert beschreibt er sich selbst. Im sächsischen Markneukirchen hat er das Unternehmen Warwick aufgebaut. Etwa 250 E-Bässe und E-Gitarren werden hier pro Monat hergestellt.
Ich bin in einem Environment aufgewachsen, was immer schon nachhaltig gedacht hat.
Inzwischen hat Sohn Nicolas Wilfer die Geschäfte übernommen. Ein Glücksfall, freut sich der Vater, für den die Nachfolge auch sehr viel komplizierter hätte werden können. Zurücklehnen will er sich aber noch lange nicht. "Hier ist natürlich auch noch extremes Potenzial, Wärmerückgewinnung reinzusetzen", sagt er bei einem Rundgang durch die Produktionshalle. Denn wenn Vater und Sohn durch den Betrieb gehen, beschäftigt sie nicht nur, wie die fertigen Instrumente später klingen.
SAENA spricht von Vorreiter in der Energiewende
"Hier erhoffen wir uns im nächsten Winter eine Einsparung von drei bis vier Grad, also entsprechend weniger Wärmeverlust", erklärt Nicolas Wilfer eine zusätzliche Isolierung von Absaugrohren auf dem Dach der Produktionshalle. Die Sächsische Energie-Agentur zählt Warwick schon seit Jahren zu den Vorreitern in der Energiewende.
Auch wenn das Unternehmen erst in den 1990er Jahren hierherkam – im sogenannten Musikwinkel hat die Produktion von Musikinstrumenten lange Tradition. Beim Ausbau der Photovoltaikanlagen hat Warwick allerdings sichtbar die Nase vorn. Auf den Dächern von Produktions- und Lagerhallen sind bereits 320 Kilowatt Leistung verbaut, direkt daneben ist ein Solarpark mit weiteren 600 Kilowatt am Entstehen, plus Batteriespeicher mit intelligenter Steuerung. So kann flexibel der eigene Strom oder Strom aus dem Netz direkt genutzt oder gespeichert werden – eine Entlastung auch für das Stromnetz.
Doch nicht alle haben die Möglichkeit, sich bei der Stromversorgung so unabhängig zu machen. Nicolas Wilfer zeigt auf die Halle eines Nachbarn. Dort gebe die Statik des Dachs nicht her, Photovoltaik zu verbauen. Ein Problem, auf das auch der Bürgermeister von Markneukirchen, Toni Meinel, hinweist.
Vorbild Österreich bei Energiegemeinschaften
Vergangenes Jahr gab es hier ein größeres Treffen mit verschiedenen Akteuren des Gewerbegebiets, zusammen mit der Sächsischen Energieagentur und juristischer Beratung. Die Idee: Wer mehr erneuerbaren Strom produziert als er selbst braucht, kann mit dem Überschuss andere versorgen, die keine eigenen Möglichkeiten zur Stromgewinnung haben. Ein Prinzip, das in Österreich mit sogenannten Erneuerbaren Energiegemeinschaften schon gut funktioniert.
In Deutschland hapert es allerdings noch an den rechtlichen Grundlagen. "Leider ist es nicht so einfach, wie es am Anfang klang", schildert Bürgermeister Meinel. Ein Unternehmen, das einem anderen Strom liefere, zähle damit automatisch als Stromlieferant. Für Instrumentenhersteller seien diese rechtlichen Rahmenbedingungen nicht vertretbar. "Da gab es eine große Ernüchterung bei allen Akteuren", sagt Meinel.
Die Idee war einfach: Ich möchte das unmittelbar neben mir liegende Industriegebäude mit Überschussstrom versorgen. Leider ist das aber nicht so einfach, wie es am Anfang klang.
Was bei den Unternehmen zunächst scheiterte, will Markneukirchen in kleinerem Rahmen auf kommunaler Ebene testen. Meinel erklärt ein sogenanntes Bilanzkreismodell, das der Netzbetreiber Mitnetz aktuell in Wermsdorf mit einem Pilotprojekt testet. Auch in Markneukirchen könnte das im nächsten Jahr umgesetzt werden, hofft der Bürgermeister. So könne Strom, der auf dem Dach des Gymnasiums erzeugt wird, etwa im Rathaus verbraucht werden. Zwar geht es hier zunächst nur um 50 Kilowatt Leistung – der Bürgermeister sieht aber noch einiges Potenzial, wenn sich daraus ein tragfähiges Modell ableiten ließe. "Ich denke hier an die Sporthalle, an unsere Musikhalle, wo große Dachflächen zur Verfügung stehen." Die möglichen Flächen für Solaranlagen sind jedenfalls noch lange nicht ausgereizt.
Bezug von Erdgas um drei Viertel reduzieren
Bei Warwick stehen unterdessen schon die nächsten Schritte an. Neben dem Solarpark hinter der Lagerhalle sind auch neue Wärmepumpen geplant, die das bisherige Blockheizkraftwerk ersetzen sollen. Der Erdgasbezug des Instrumentenbauers könne so von 3.930 MWh im Jahr auf 1.010 MWh reduziert werden, sagt Jann Binder vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg. Der Experte für erneuerbare Energien berät die Wilfers seit einigen Monaten bei der energetischen Transformation des Unternehmens.
Vor zehn Jahren, als noch viel Kohlestrom im deutschen Strommix gesteckt habe, hätten die gasbetriebenen Blockheizkraftwerke noch eine vergleichsweise gute CO2-Bilanz gehabt, erklärt Binder. Doch je mehr erneuerbare Energien verfügbar seien, desto weniger könnten die Blockheizkraftwerke noch punkten. Dennoch betont Binder auch, man könne eine Lösung "nicht generell überstülpen", sondern müsse von Fall zu Fall schauen.
Experte: Energiewende rechnet sich langfristig
Im Fall des Instrumentenbauers hat laut Binder hat auch die Weitsicht des Unternehmens bestimmte Entscheidungen erleichtert: "Warwick hat schon lange darüber nachgedacht, dass es in diese Richtung gehen will, und hat bei allen Neuinstallationen immer darauf geachtet, dass sie schon niedertemperaturfähig sind." So seien die Wärmepumpen hier viel leichter einzubauen.
Sehr oft wird in Industriebetrieben argumentiert, eine Investition müsse sich in fünf Jahren rechnen. Mit diesem Amortisationsgedanken wird es sehr schwierig
Zugleich verweist Binder auch auf die Verantwortung der Unternehmen. Oft werde in Industriebetrieben argumentiert, eine Investition müsse sich in fünf Jahren rechnen. "Mit diesem Amortisationsgedanken wird es sehr schwierig", sagt der Energieexperte. Langfristig würden sich die Investitionen aber durchaus rechnen. Davon ist auch Hans-Peter Wilfer überzeugt. "Wir denken in Lebenszyklen", betont er. "Wir müssen gucken, was ist in 20 Jahren? Was ist in 30 Jahren?"
Wenn die derzeitigen Pläne fertig umgesetzt seien, könne Warwick 64 Prozent seines Strombedarfs aus eigener Produktion abdecken, verweist Wilfer auf entsprechende Berechnungen. Ein hohes Maß an Energieunabhängigkeit also. Sohn Nicolas Wilfer freut sich über die Weichen, die sein Vater bereits gestellt hat – und verfolgt selbst aufmerksam, wie sich die Technologien für erneuerbare Energien weiterentwickeln.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 26. November 2024 | 21:45 Uhr