Museumsmitarbeiter Thomas Puttkammer arrangiert vorsichtig menschliche Knochen in einem Schaukasten.
Die Schamanin von Bad Dürrenberg ist einer der bedeutsamsten archäologischen Funde in Sachsen-Anhalt. 2022 gab es rund um ihr Grab neue Entdeckungen. Bildrechte: IMAGO/Steffen Schellhorn

Schamanin, Ringheiligtum, Gehängte Neue Funde: 2022 war besonderes Jahr für Archäologen in Sachsen-Anhalt

29. Dezember 2022, 11:36 Uhr

Eine Opfergrube am Grab der Schamanin, außerdem eine Siedlung ganz in der Nähe – ein untergegangenes Dorf im Harz und ein mittelalterliches Holzboot im Arendsee: Für Archäologen in Sachsen-Anhalt war 2022 ein außergewöhnliches Jahr.

Unterwasserarchäologen haben 2022 im Arendsee ein 800 Jahre altes Boot untersucht, im Harz sind erstmals Richtstätten ausgegraben worden und im Bindersee erfolgten Klimabohrungen. "Die Projekte bieten der Archäologie im Land neue Möglichkeiten der Forschung", sagte Landesarchäologe Harald Meller der Deutschen Presse-Agentur (dpa). "Als eine der fundreichsten Regionen Deutschlands gibt es in Sachsen-Anhalt immer wieder bedeutsame Entdeckungen." Insgesamt gab es landesweit 650 archäologische Untersuchungen, 100 weniger als im Vorjahr. "Hauptgrund ist der deutliche Rückgang beim Einfamilienhausbau", sagte Meller.

Im Arendsee gingen Archäologen auf Tauchgang

Spektakulär waren die Tauchgänge von Archäologen zu einem vor rund 800 Jahren gesunkenen Prahmboot im Arendsee (Altmarkkreis Salzwedel). Das Boot aus Eichenholz war ursprünglich eine flache Fähre, später ein Transportschiff mit schlanker und flacher Rumpfform. "Der Prahm wurde mit einer optischen 3D-Erfassung dokumentiert", sagte Archäologe und Projektleiter Sven Thomas.

Bei Harzgerode und Quedlinburg (beide Landkreis Harz) gab es erste Knochenfunde von Gehängten auf zwei Jahrhunderte alten Richtstätten. "Es sind die ersten Grabungen dieser Art in Sachsen-Anhalt", sagte Archäologin Marita Genesis. Die Galgen bestanden möglicherweise jeweils aus drei Eichenpfosten, die in tiefen Löchern mit Steinen verkeilt waren. Mehrere Meter lange Querbalken, sogenannte Rähne, verbanden die Pfosten. An dieser Konstruktion konnten sieben bis acht Menschen gleichzeitig gehängt werden. Bei der Grabung nahe Quedlinburg wurden unter dem ehemaligen Galgen auch Keramikreste gefunden.

Erkenntnisse über das Klima vergangener Zeiten

Eine Bohrung im Bindersee bei Rollsdorf (Landkreis Mansfeld-Südharz) verband die Archäologie mit Klimaforschung. "Gebohrt wurde an der tiefsten Stelle im See, weil hier die Ablagerungen noch ungestört sind", sagte Thomas Litt, Geowissenschaftler der Universität Bonn. Es geht nicht nur um die Verhältnisse in der Vergangenheit. Basierend auf den Ergebnissen sollen Modell-Szenarien der vom Klima abhängigen Vegetationsentwicklung erstellt werden.

Bei Helfta, nahe Eisleben, wurden die Überreste des Palastes der wiederentdeckten Königspfalz aus dem 10. Jahrhundert freigelegt. "Das Hauptgebäude der Pfalz war groß, mindestens 20 Meter lang und sieben bis zwölf Meter breit", sagte Projektleiter und Archäologe Felix Biermann.

Am Ringheiligtum entdeckten Archäologen eine "Gräberstraße"

Archäologen haben am Ringheiligtum Pömmelte (Salzlandkreis) überraschend eine über 4.000 Jahre alte "Gräberstraße" entdeckt. "Über fast 30 Meter reihen sich wie an einer Perlschnur mindestens 15 Körpergräber der frühen Aunjetitzer Kultur", sagte Projektleiterin Franziska Knoll. Die Archäologen gehen davon aus, dass sich die Bestattungen an einem Weg, der aus der Siedlung führte, orientierten.

Bei Nachgrabungen am rund 9.000 Jahre alten Grab der Schamanin von Bad Dürrenberg, wurde direkt vor dem Grab eine Opfergrube entdeckt. In ihr lagen zwei Masken aus Hirschgeweih. "Die Eintiefung wurde rund 600 Jahre nach dem Tod der Frau angelegt und mit den wertvollen Masken gefüllt", sagte Meller. Zugleich fanden sich Hinweise auf eine Siedlung, in der die Schamanin vermutlich lebte. Das Areal bei Dehlitz (Burgenlandkreis) liegt etwa sieben Kilometer südlich von ihrem Grab entfernt. Die etwa 30- bis 35-jährige Schamanin wurde sitzend mit einem Kind in den Armen und Beigaben begraben.

Bei Grabungen am Naumburger Dom wurden eine Nordklausur, Reste von Gebäuden und ein drei Meter breiter Kreuzgang freigelegt. Es stellte sich heraus, dass im Zuge des Neubaus des heutigen Doms um 1208 die Nordklausur teilweise abgerissen und an der Südseite des neuen Doms wieder aufgebaut wurde.

Diese Projekte haben sich Archäologen für 2023 vorgenommen

Die neue Sonderausstellung "Reiternomaden in Europa - Hunnen, Awaren, Ungarn" wurde am 16. Dezember eröffnet. Auf rund 700 Quadratmetern sind etwa 420 Ausstellungsstücke zu sehen. Zeugnisse der Reiternomaden sind Schmuck, Waffen und Alltagsgegenstände. Bis zum 25. Juni 2023 gibt die Schau Einblicke in einen bislang kaum beachteten Teil der europäischen Geschichte. Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit dem Museum Schallaburg in Österreich.

Auch 2023 wird für die Archäologie voraussichtlich ein spannendes Jahr werden. So soll etwa die Siedlung der Schamanin ausgegraben werden. Ebenso ist eine weitere Grabung auf dem Areal der Königspfalz Helfta geplant und auch die Unterwasserforschung geht in eine neue Runde.

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dpa/MDR (Daniel Salpius)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 16. Oktober 2022 | 10:00 Uhr

2 Kommentare

DermbacherIn am 29.12.2022

Was bringt denn so eine Archäologie für unsere Gegenwart und Zukunft?

kleiner.klaus77 am 29.12.2022

Welche Erkenntnisse für die Gegenwart und Zukunft er bringt die Archäologie überhaupt?

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