Forschung an Werkstoffen Frau leitet erstmals Fraunhofer-Institut in Halle

02. November 2022, 14:25 Uhr

Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut IMWS in Halle erforschen Strukturen und Stoffe auf kleinsten Ebenen. Vor 30 Jahren wurde ihre Einrichtung am Weinberg Campus gegründet. 2022 übernahm erstmals eine Frau die Institutsleitung. Ein Besuch bei Erica Lilleoddon.

So dünn wie ein Haar, dieser Vergleich wird gern herangezogen, wenn etwas besonders geringe Ausdehnung vorweist. Doch darüber können die Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut IMWS in Halle nur müde lächeln. In ihrer Nanometer-Welt wirkt ein Haar wie ein Stamm vom Mammutbaum. Vor 30 Jahren wurde ihre Einrichtung am Weinberg Campus gegründet. Seit diesem Jahr wird sie erstmals von einer Frau geführt.

Forschung am Elektronenmikroskop

Kaum größer als ein Stapel von zwei mal vier Waschmaschinen ist es groß, das Elektronenmikroskop, wo ich Erica Lilleodden zum Interview treffe. In solchen Laboren spielt sich das akademische Leben der 49-jährigen Forscherin ab.

Mit solchen Geräten hat sie erstmals in das Innere von Werkstoffen geschaut, ist den Geheimnissen von Metallen, Keramiken oder neuartigen Verbundwerkstoffen auf den Grund gegangen. Das sei ihre Leidenschaft, sagt sie und lächelt dabei ihren merkwürdigen Akzent einfach weg. Der macht nämlich weiterhin keinen Hehl aus ihrer US-amerikanischen Herkunft.

Von Stanford und Berkeley nach Halle

In Minnesota studierte sie Materialwissenschaften, nach Stationen an der renommierten Stanford University und Berkeley kam sie Anfang der 2000er Jahre nach Deutschland – erst Karlsruhe, dann die Technische Universität Hamburg-Harburg, hier als Professorin für Experimentelle Nano- und Mikromechanik.

Das Fraunhofer-Institut in Halle In Halle wird am Fraunhofer-Institut an Mikrostrukturen von Werkstoffen und Systemen geforscht. Es trägt deshalb das Kürzel IMWS.

Es gibt zudem in Sachsen-Anhalt das Fraunhofer für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF in Magdeburg sowie mehrere Forschungszentren und Außenstellen, darunter das Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP in Leuna.

Das hallesche Fraunhofer-Institut kennt sie schon seit 2006, es gab erste Kontakte zu hiesigen Wissenschaftlern, vor allem zu Matthias Petzold, dessen Kompetenz sie hoch schätzt. Der hat das Fraunhofer-Institut in Halle 1992 mit aus der Taufe gehoben, als die Zukunft der Mitarbeiter an der ehemaligen DDR-Akademie der Wissenschaften in den Sternen stand. Als Erica Lilleodden schließlich in diesem Frühjahr selbst nach Halle kommt, ist es dieser Physiker, aus dessen Händen sie die Institutsleitung übernimmt.

Finanzierung über Aufträge aus der Industrie

Dass wir uns in einem Labor treffen, ist jedoch eher ein Zufall, denn die Wissenschaftlerin hat dafür kaum derzeit kaum Zeit und Gelegenheit. So ein Institut für angewandte Forschung erfordert sehr viel Management. So ist Prof. Lilleodden viel auf Achse, bei ihren Industriepartnern, bei anderen Forschungseinrichtungen.

Denn ein Großteil des Haus-Budgets erwirtschaftet sich diese Einrichtung selbst über konkrete Aufträge. Beispielsweise aus der Autobranche, die leistungsfähige und vor allem sichere IT-Systeme braucht, um beispielsweise dem autonomen Fahren die technologischen Türen zu öffnen.

Deshalb werden Mikrochips unters Elektronenmikroskop gelegt, um hier auf Fehlersuche zu gehen. "Dazu haben wir hier eine phantastische Geräteausstattung und ein kompetentes Forscherteam, auf das man nur stolz sein kann!", schwärmt die neue Direktorin, die anlässlich des 30-jährigen Instituts-Jubiläums nun auch offiziell in ihr Amt eingeführt wird.  

Für Erica Lilleodden bringt der neue Job aber auch persönliche Einschränkungen mit sich. Der Ehemann, ihr Sohn und ihre Tochter leben weiterhin in Hamburg, sie pendelt wöchentlich per ICE. Obwohl sie sich schon einen Umzug vorstellen könnte, schließlich sei das Kulturangebot in Halle für eine so kleine Stadt – aus ihrer US-amerikanischen Sicht – enorm und die Natur direkt vor der Institutstür. Das alles genieße sie.

Forschungsfelder: Wasserstoff, nachwachsende Rohstoffe, Photovoltaik

Vor allem aber die enorme Themenvielfalt als Chefin über 350 Forscher. Dabei kann sich die Materialwissenschaftlerin nicht nur um Fehleranalyse in IT-System kümmern, sondern muss auch den anderen Forschungsfeldern viel Raum geben, mit denen die hallesche Fraunhofer-Mannschaft immer wieder punktet: als Vorreiter beim Wasserstoff, als Pionier in Sachen nachwachsende Rohstoffe, bei der Entwicklung neuartiger optischer Materialien oder bei der Photovoltaik.

Kompetenzen, die Forschungsaufträge aus der ganzen Welt anlocken, ist sich die Professorin sicher, und entpuppt sich bereits als überzeugte Sachsen-Anhalterin: "Der Strukturwandel ist eine große Chance für dieses Land und bringt derzeit viel in Schwung. Die Photovoltaik könnte wieder hierher zurückkehren, die Ansiedlung von Intel in Magdeburg eröffnet neue Möglichkeiten, all das könnte die Wirtschaft 'pushen', und wir als Fraunhofer sind fit für solche Innovationen ."

Anm. d. Red. Korrektur: In einer früheren Version des Artikels hieß es, Frau Lilleodden habe zwei Töchter. Dies haben wir in der aktuellen Version korrigiert.

MDR (Theo M. Lies, Julia Heundorf)

Dieses Thema im Programm: MDR um 11 | 02. November 2022 | 11:00 Uhr

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