Urteil verkündet Höchststrafe: Halle-Attentäter zu lebenslanger Haft mit Sicherungsverwahrung verurteilt
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21. Dezember 2020, 19:48 Uhr
Der Attentäter von Halle ist am Montag zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Das Gericht stellte außerdem die besonderen Schwere der Schuld fest. Der Angeklagte nahm das Strafmaß ohne Regung zur Kenntnis. Mit dem Urteil ging der aufwändige Prozess nach fünf Monaten zu Ende. Die Vorsitzende Richterin Ursula Mertens sagte, in diesem Verfahren habe sie "in die Abgründe des Menschlichen geschaut".
Im Prozess um den Attentäter von Halle ist am Montag das Urteil gesprochen worden. Stephan B. ist vom Oberlandesgericht zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Die Richter sprachen den 28-Jährigen des zweifachen Mordes und des versuchten Mordes in weiteren zahlreichen Fällen schuldig und stellten außerdem die besondere Schwere der Schuld fest.
Damit ist die höchste mögliche Strafe ausgesprochen worden, die auch die Staatsanwaltschaft gefordert hatte. Das Gericht stufte den Attentäter als voll schuldfähig ein. Eine vorzeitige Haftentlassung ist damit nach 15 Jahren ausgeschlossen.
Was bedeutet Sicherungsverwahrung:
Eine Sicherungsverwahrung verhängen Gerichte als präventive Maßnahme, nicht als Strafe. Sie soll die Bevölkerung vor Tätern schützen, die ihre eigentliche Strafe für ein besonders schweres Verbrechen verbüßt haben, aber weiter als gefährlich gelten. Die Täter können theoretisch unbegrenzt eingesperrt bleiben. Die Bedingungen müssen deutlich besser sein als im Strafvollzug, zudem muss es ein größeres Therapieangebot und Betreuung geben. Die Sicherungsverwahrung ist grundsätzlich zeitlich nicht begrenzt. Ob sie fortbesteht, prüft ein Gericht in regelmäßigen Abständen.
Eine "abscheuliche, feige und menschenverachtende Tat"
Die Vorsitzende Richterin Ursula Mertens sagte bei der Urteilsverkündung, es sei eine "abscheuliche, feige, menschenverachtende Tat" gewesen, das Motiv: niedere Beweggründe und Heimtücke. Die Richterin schaute dem 28-Jährigen immer wieder direkt in die Augen, teilweise klang ihre Stimme brüchig. "Bei Ihnen, gab es keine menschlichen Züge mehr", sagte sie.
Bei Ihnen Herr B. gab es keine Hemmschwelle mehr. Sie hatten bereits alle Hemmschwellen und alle menschlichen Züge abgelegt bevor sie ihre Montur angelegt haben.
Die Richterin sagte, sie wolle den Betroffenen und allen im Saal ersparen, welche Motive den Angeklagten antrieben und seine Worte nicht wiederholen. "Nur so viel: Sie sind absurd und logischen Überlegungen nicht zugänglich", betonte Mertens. Sie erklärte weiter, der Angeklagte hatte sich von der Gesellschaft isoliert und mit Verschwörungstheorien beschäftigt.
Die Richterin zeichnete in der Urteilsbegründung auch den Tathergang nach. Mehr als sieben Minuten lang habe der schwerbewaffnete Angreifer an der Synagoge versucht, seinen Plan umzusetzen, möglichst viele Menschen zu töten. Als das misslang, habe er aus Frust heimtückisch und feige Jana L. mit der Maschinenpistole in den Rücken geschossen. Den 20-jährigen Mann im Döner-Imbiss habe er regelrecht hingerichtet. Das hilf- und wehrlose Opfer habe ihn angefleht, nicht zu schießen.
Der Attentäter nahm den Urteilsspruch mit ausdruckslosem Gesicht zur Kenntnis. Seinem Anwalt zufolge ist noch offen, ob er Revision gegen das Urteil einlegen wird. Bundesanwalt Kai Lohse hingegen zeigte sich "sehr zufrieden" mit Ergebnis und Verlauf: "Es ist ein angemessenes Urteil am Ende eines Prozesses, der das richtige Signal gesetzt hat."
Bundesanwaltschaft forderte Höchststrafe
Das Verfahren ging nach genau fünf Monaten und 26 Prozesstagen zu Ende. In den letzten Prozesstagen hatten die Kläger und der Verteidiger des Angeklagten ihre Abschlussplädoyers gehalten. Auch die Betroffenen und der Angeklagte selbst waren zu Wort gekommen.
Der Pflichtverteidiger des Angeklagten, Hans-Dieter Weber, hatte für eine verminderte Schuldfähigkeit seines Mandanten plädiert. Das psychologische Gutachten, das dem Angeklagten eine schwere seelische Abartigkeit – aber zugleich die volle Steuerungsfähigkeit seiner Handlungen – attestiert hatte, impliziere nach seiner Wertung eine verminderte Schuldfähigkeit.
Auf der Gegenseite forderte die Bundesanwaltschaft die Höchststrafe für den Rechtsextremisten: Lebenslange Haft und die anschließende Sicherungsverwahrung. Oberstaatsanwalt Kai Lohse bezeichnete den Anschlag als "widerwärtigsten antisemitischen Akt seit dem Zweiten Weltkrieg".
Hintergrund des Gerichtsverfahrens
Seit Juli ist vor dem Oberlandesgericht Naumburg der Prozess um den Anschlag auf die Synagoge von Halle gelaufen. Aus Platzgründen war der Prozess aber in den Räumen des Landgerichts in Magdeburg geführt worden. Dort steht der größte Gerichtssaal Sachsen-Anhalts zur Verfügung.
Der 28-jährige Stephan B. hatte gestanden, am 9. Oktober 2019 schwer bewaffnet versucht zu haben, die Synagoge von Halle zu stürmen und ein Massaker anzurichten. Darin feierten gerade 52 Menschen den höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur. Der Attentäter scheiterte jedoch an der Tür, erschoss daraufhin eine Passantin, die zufällig an der Synagoge vorbei kam, und später einen jungen Mann in einem Döner-Imbiss.
Offene Fragen bleiben
In dem Prozess konnte nicht geklärt werden, inwiefern es Mitwissende oder möglicherweise Unterstützende der Tat gab. Der Attentäter von Halle handelte zwar am 9. Oktober 2019 allein, ist aber kein Einzeltäter. Wie Sachverständige vor Gericht belegt haben: Seine Ideologie speist sich aus einem weltweit im Internet verknüpften Netz aus Gleichgesinnten. Radikalisiert hatte er sich auf einschlägigen Imageboards. Er selbst gab an, das Attentat im neuseeländischen Christchurch im März 2019 sei ein Auslöser für seine eigene Tat gewesen.
Doch mit wem er im Internet genau Kontakt hatte, konnten die Ermittlerinnen und Ermittler des Bundeskriminalamtes nicht vollständig aufklären. Im Prozess wurden immer wieder Ermittlungslücken deutlich, was insbesondere von Vertreterinnen und Vertretern der Nebenklage scharf kritisiert wurde.
Auch welche Rolle die Familie und das soziale Umfeld spielten, konnte im Prozess nicht abschließend geklärt werden. Die Familie machte von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Viele Nebenklägerinnen und Nebenkläger bezweifeln, dass die Familie nichts von der geistigen Haltung des Täters und seinen Vorbereitungen mitkommen hat.
Alle Informationen zum Prozess
Quelle: MDR/aso,pat
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 21. Dezember 2020 | 19:00 Uhr
Harka2 am 22.12.2020
Interessant ist, dass die AfD erst von deren hier nur zu bekannten Sympathisanten ins Gespräch gebracht wurde. Getroffene Hunde bellen (ein sehr altes deutsches Sprichwort).
Harka2 am 22.12.2020
Verwirre die Gläubigen doch nicht mit Fakten. Am Ende kommen seine soliden Vorurteile noch ins Wanken. So viele Nebelkerzen kann er gar nicht zünden, um von den Fakten abzulenken.
DER Beobachter am 22.12.2020
Mediator, in Bezug auf die Omsewitzerin irren Sie wohl wirklich. Aber ich denke, Omsewitzerin irrt auch. Empathiefähigkeit habe ich bei SoSe bisher fast immer vermissen müssen und daher ist leider zu befürchten, dass auch diese hier lediglich ablenkend schönredet ...