Neue archäologische Erkenntnisse Grab von Schamanin bei Bad Dürrenberg war über Jahrhunderte Pilgerstätte

19. Oktober 2022, 16:31 Uhr

Wissenschaftler haben die Schamanin von Bad Dürrenberg zwei Jahre lang erforscht. Dabei haben sie zahlreiche neue Erkenntnisse gewonnen. Offenbar war die Schamanin über Jahrhunderte von Bedeutung für Menschen, die auf ihre Hilfe hofften. Künftig soll der Sensationsfund wieder in Halle zu sehen sein.

Ein Team aus Archäologen, Genetikern, Anthropologen und Medizinern hat in einer zweijähringen Forschungsarbeit neue Erkenntnisse über einen besonderen archäologischen Fund gewonnen: die Schamanin von Bad Dürrenberg im Saalekreis.

Landesarchäologe Harald Meller, der das Projekt koordiniert, sagte: "Das Grab der Schamanin ist ein Schlüsselfund, der tiefe Einblicke in die Anfänge von Spiritualität und Religion gewährt." Zudem zeige das Grab, welche zentrale Rolle Frauen in der Vorgeschichte spielten.

Säugling im Grab der Schamanin war nicht ihr Kind

Das Grab der Schamanin wurde bereits 1934 zufällig bei Kanalarbeiten entdeckt. Es hat einen außergewöhnlichen achteckigen Grundriss und ist laut Meller das reichste Grab seiner Zeit. Die Frau wurde mit einem Säugling im Arm bestattet. Sie trug einen Kopfschmuck aus Rehgeweih und Tierzähnen, die als Teil schamanischer Tracht gedeutet werden.

Laut Erkenntnissen der Forschenden wurde die Schamanin etwa 30 bis 35 Jahre alt. Bei Nachgrabungen im Jahr 2019 wurden Knochen gefunden, durch die die Identität des Kindes festgestellt werden konnte. "Dank des Max-Planck-Instituts für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig wissen wir nun, es handelte sich um einen Jungen", sagte Meller. "Er war aber nicht ihr Sohn."

Grab wurde jahrhundertelang besucht

Im September haben Wissenschaftler in einer Grube in unmittelbarer Nähe des Grabes zwei Masken aus Hirschgeweih gefunden. Diese sind nach Angaben des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle rund 600 Jahre nach der Beisetzung der Schamanin dort abgelegt worden. Offenbar seien die Masken mit der Bestattung der bedeutenden Frau verbunden.

Demnach entstammt die Schamanin einer Zeit, als nach der Eiszeit dichte Urwälder Europa überzogen. Damals sei die jährliche Durchschnittstemperatur um zwei bis drei Grad Celsius gesunken. "Die klimatisch radikal veränderte Lebenswelt stellte die Menschen vor enorme Herausforderungen", erklärte der Historiker Kai Michel, der gemeinsam mit dem Archäologen Meller ein Buch über die Schamanin geschrieben hat. Die Schamaninin sei eine spirituelle Spezialistin gewesen, zu der Menschen von weit her pilgerten.

Forscher leisten Detektivarbeit

"Dank detektivischer Arbeit vieler Wissenschaftler können wir das Schicksal und Aussehen einer einzigartigen Frau rekonstruieren", erklärte Meller. Das zeige eindrucksvoll, was Archäogenetik heute leisten könne. "Deren Begründer Svante Pääbo hat völlig zurecht jetzt den Nobelpreis für Medizin erhalten", sagte Meller weiter.

Pääbo leitet das Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig, dessen Abteilung für Archäogenetik die Menschheitsgeschichte anhand der DNA archäologischer Funde erforscht.

Die Schamanin von Bad Dürrenberg soll in Kürze wieder im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle zu sehen sein. Zuletzt war sie zusammen mit der Himmelsscheibe von Nebra im British Museum in London ausgestellt worden. Beide Museen wollen nun gemeinsam in Halle eine Dauerausstellung für die Schamaninin aufbauen.

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dpa, MDR (Maren Wilczek, Karin Roxer) | Erstmals veröffentlicht am 16.10.2022

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 16. Oktober 2022 | 10:00 Uhr

1 Kommentar

der Gnatz am 16.10.2022

Faszinierend, was nach so langer Zeit zu Tage tritt. Der nächste Ausflug nach Halle wird wieder spannend.

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