Schüler einer 4. Klasse während der Lesestunde
Trotz des Geburtenrückgangs fehlen an Sachsen-Anhalts Grundschulen weiter Lehrer. (Symbolbild) Bildrechte: IMAGO / Funke Foto Services

Trotz Bertelsmann-Prognose Lehrermangel an Grundschulen in Sachsen-Anhalt hält weiter an

10. Februar 2024, 09:33 Uhr

Die Bertelsmann-Stiftung hat im Januar eine Studie zum Lehrermangel an Grundschulen veröffentlicht. Sie rechnet damit, dass durch den Geburtenrückgang bald mehr Lehrkräfte zur Verfügung stehen könnten als gebraucht werden. In Sachsen-Anhalt ist das erstmal nicht zu erwarten, weil bald viele ältere Lehrerinnen und Lehrer aus dem Schuldienst ausscheiden. Das Bildungsministerium rechnet aber damit, dass die Anzahl der Schülerinnen und Schüler ab dem Schuljahr 2025/26 langsam abnimmt.

MDR San Mitarbeiterin Annekathrin Queck
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Entgegen einer Prognose der Bertelsmann-Stiftung ist an den Grundschulen in Sachsen-Anhalt beim Lehrermangel zunächst keine Entspannung zu erwarten. Das teilten das Landesbildungsministerium und die Gewerkschaft Bildung und Erziehung (GEW) Sachsen-Anhalt auf Anfrage mit.

Die im Januar veröffentlichte Studie der Bertelsmann-Stiftung geht davon aus, dass in Deutschland bereits ab 2025 mehr ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer im Grundschulbereich zur Verfügung stehen, als es Stellen zu besetzen gibt. Grund für diese Entwicklung sei der Geburtenrückgang.

Eva Feuߟner (CDU), Bildungsministerin in Sachsen-Anhalt. 4 min
Bildrechte: dpa/picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Christian Modla

Viele ältere Lehrer bald in Rente

Die GEW Sachsen-Anhalt kritisiert, dass die Studie dabei nicht die unterschiedliche Altersstruktur der Lehrerinnen und Lehrer in den alten und neuen Bundesländern berücksichtigt. Durch den Geburteneinbruch nach der Wende seien in Sachsen-Anhalt in den Folgejahren kaum neue Lehrkräfte eingestellt worden. Deshalb gebe es relativ viele ältere Lehrerinnen und Lehrer.

"Erst seit kurzem, vor drei oder vier Jahren, sind die Zahlen an beiden Universitäten aufgestockt worden", so die Landesvorsitzende Eva Gerth.

Hinzu käme, dass besonders Grundschul-Lehrkräfte, die in der DDR ausgebildet worden seien, schon sehr lange im Schuldienst arbeiteten. Viele von ihnen hätten bereits mit Anfang oder Mitte 20 angefangen zu unterrichten. Das ist Gerth zufolge auch ein Grund, weshalb aktuell mehr als die Hälfte aller Lehrkräfte, sobald es möglich ist, in Rente oder Pension gehen will, also mit 63 Jahren.

Eva Gerth
Die GEW-Landesvorsitzende Eva Gerth rechnet damit, dass in den nächsten Jahren viele ältere Lehrkräfte den Schuldienst verlassen. (Archivbild) Bildrechte: imago images/Christian Schroedter

Bildungsministerium: Bedarf an Lehrern weiter hoch

Auch das Landesbildungsministerium weist darauf hin, dass altersbedingt viele Lehrerinnen und Lehrer aus dem Schuldienst ausscheiden. "In Sachsen-Anhalt herrscht ein Bedarf an Lehrkräften, den es zunächst aufzufüllen gilt, bevor überhaupt ein Überschuss entsteht", so ein Sprecher.

Dass Lehrerinnen und Lehrer keine Anstellung fänden, sei deshalb nicht zu erwarten. Außerdem brauche man für den Ausbau der Ganztagsangebote an den Schulen weiteres Personal. Auch eine Beschäftigung von Grundschul-Lehrkräften in den unteren Klassen der weiterführenden Schulen kann sich das Ministerium vorstellen.

Mit spürbaren Effekten durch den Geburtenrückgang sei erst in einigen Jahren zu rechnen. Den Angaben zufolge wird die Anzahl der Schülerinnen und Schüler an den öffentlichen allgemeinbildenden Schulen in Sachsen-Anhalt voraussichtlich ab dem Schuljahr 2025/2026 langsam sinken.

GEW: Schulen entlasten

Auch Eva Gerth geht nicht davon aus, dass es in den kommenden Jahren in Sachsen-Anhalt zu viele Lehrerinnen und Lehrer geben könnte. "Da sind wir noch längst nicht".

Wenn es aber wirklich irgendwann mehr Lehrkräfte gebe als gebraucht würden, sollten damit die Schulen entlastet werden, fordert sie. "Lehrkräfte machen immer noch zu viele Aufgaben ohne Anrechnungsstunden, (...) die Mentorentätigkeit für Seiteneinsteigende, Studierende und Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst wird kaum noch honoriert, für individuelle Förderung (...) und Inklusion ist kaum Zeit."

Studien-Prognose könnte Studierende abschrecken

Gerth befürchtet, dass Berichte über die Bertelsmann-Studie zukünftige Studierende abschrecken könnten. Dabei seien an den Universitäten in Sachsen-Anhalt derzeit nicht alle Studienplätze für Grundschullehramt besetzt, sodass wahrscheinlich nicht so viele neue Lehrerinnen und Lehrer eingestellt werden könnten wie geplant.

"Sachsen-Anhalt darf die Fehler aus der Bullerjahn-Ära nicht weiterführen", fordert die GEW-Landesvorsitzende. In dieser Zeit seien Prognosen wie die Bertelsmann-Studie systematisch überbewertet worden, um Kürzungen vorzunehmen. Man müsse jetzt schauen, wie veränderte Bedingungen an den Grundschulen, aber auch an anderen Schulformen den Bedarf beeinflussen und entsprechend neue Lehrkräfte einstellen.

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Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 10. Februar 2024 | 09:00 Uhr

8 Kommentare

Anita L. vor 12 Wochen

Zumindest wird es nichts bringen, die Augen wie einer der drei sprichwörtlichen Affen vor der KI zu verschließen und dann kleinkindmäßig zu hoffen, dass was wir nicht sehen, einfach verschwindet oder an uns vorbeigeht. Denn in einem haben Sie Recht: KI ist eine weitere Stufe in der Entwicklung.

Anita L. vor 12 Wochen

@hilflos, diese "idealisierte" Sichtweise ergibt sich aus meinen persönlichen Erfahrungen aus Studium, Referendariat und Arbeit als Lehrkraft. Woher stammt Ihre?

Altlehrer vor 12 Wochen

Das Argument der Bertelsmannstiftung ist kurzsichtig. Wenn die schulische Bildung aus der Krise soll, braucht es gerade im Grundschul- und Sekundarschulbereich viel mehr Lehrer. Und das für kleinere Klassen, mehr Förderung in der Inklusion, in der Integration und in der Vermittlung von Basiskompetenzen. Allein im Deutschunterricht für Flüchtlinge fehlen tausende DAZ-Lehrer. Genauso im MINT-Bereich der Sekundarschulen. Der Lehrermangel ist hier auf lange Sicht absehbar.

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