Hilfe bei Corona und Ukraine-Krieg Der Krisenmanager von Aschersleben

29. Dezember 2022, 16:29 Uhr

Eigentlich ist Jörg Widder Veranstaltungsfachmann. In der Corona-Pandemie blieb aber die Arbeit für ihn aus. Also begann er, in Aschersleben ein Impfzentrum auf die Beine zu stellen. 2022 organisierte er die Unterbringung der Geflüchteten aus der Ukraine. Der Krisenmanager im Porträt.

Tom Gräbe
Bildrechte: MDR/Fabian Frenzel

  • Veranstaltungsfachmann Jörg Widder hat in Aschersleben ein Corona-Impfzentrum und die Unterbringung der Geflüchteten aus der Ukraine organisiert.
  • Für den Veranstaltungsfachmann galt in diesen Krisenzeiten oft "Learning by doing".
  • Eine Notunterkunft in Aschersleben war schon fix und fertig – und wurde dann doch nicht gebraucht.

Rund 29.000 Geflüchtete aus der Ukraine haben die Städte und Landkreise in Sachsen-Anhalt insgesamt aufgenommen. Als Russland Ende Februar die Ukraine angriff, brauchte es schnelle Hilfe: Die Unterbringung von Kriegsgeflüchteten musste organisiert werden, außerdem brauchte es schnell Wohnraum. Es war die Zeit der Krisenmanager.

In Aschersleben wurde die Ukraine-Hilfe aus den Räumen der Corona-Impfstation aus koordiniert. "Stop War", also "Stoppt den Krieg", steht hier in der Alten Tischlerei in Aschersleben auf einem Plakat in ukrainischen Landesfarben an der Bürotür. An der Wand eines Flures lehnen Bettgestelle. An den Wänden hängen noch Hinweise für Besucher, die sich dort gegen Corona impfen ließen. Das Behandlungszimmer nebenan ist an diesem Morgen verwaist. Hier haben Ärzte Corona-Impfungen verabreicht und später Sprechstunden für geflüchtete Familien angeboten.

Zwei Krisen, ein Mann

Vorne im Büro der Impfstation hatte Jörg Widder die zwei große Krisen der vergangenen Jahre auf dem Schreibtisch: Corona und den Krieg in der Ukraine. Oder zumindest das, was es in Aschersleben zu tun gab, um die Folgen beider Krisen abzumindern.

Widder, der eigentlich Veranstaltungsfachmann ist, war für die Abläufe in der Impfstation zuständig. Und dafür, die Hilfe für Geflüchtete vor Ort zu koordinieren. Bei ihm sind die lokalen Informationen zusammengelaufen.

Seit Corona Krisenmanager

Als 2020 innerhalb weniger Tage wegen Corona die komplette Jahresplanung für Veranstaltungen in sich zusammenfiel, fing Widder an, für die Stadt zu arbeiten. Menschen, die organisieren können, wurden auch in der Corona-Zeit gebraucht.

Während der Corona-Situation hatte Aschersleben in der Alten Tischlerei am Bestehornpark mit dem Arbeiter-Samariter-Bundes eine Impfstation eingerichtet – also Räume für Impfungen gestellt. Ende Februar 2022 wurde zwar noch geimpft, aber nicht mehr in den Größenordnungen wie 2021. Der damalige Oberbürgermeister hätte deshalb noch Kapazitäten gesehen, erzählt Jörg Widder. "So kam dann beides."

24/7 Arbeit

Widder hat zu der Zeit extrem lange Arbeitstage. Von früh bis abends, 24/7. Denn: Es gibt viel zu planen, zu koordinieren. Im Frühjahr 2022 rollt eine Welle der Hilfsbereitschaft durchs Land. Privatpersonen und Wohnungsgesellschaften bieten Wohnraum an, schnell sammeln sich Spenden. Netzwerke entstehen aus Privatpersonen, Hilfsdiensten, Vereinen. Es braucht nicht nur Wohnraum, sondern auch Wohnungseinrichtungen vom Bett bis zum Kochtopf. Geflüchtete müssen angemeldet werden, registriert und ärztlich untersucht. Alles muss schnell gehen.

Prozesse dafür gab es Anfang März noch nicht. Widder soll die Hilfe für Geflüchtete gemeinsam mit den Helfern koordinieren. Gleichzeitig zum Impfen. Zusätzlich zu vollen Impftagen kamen Geflüchtete in Aschersleben an: Menschen, Frauen, Kinder, Familien, die mitunter einfach am Bahnhof standen und schnell Obdach brauchten.

Learning by doing

Nach einer Woche bittet Jörg Widder die Stadt um Unterstützung. Er bekommt sie – zwei Mitarbeiter der Stadtverwaltung. Landauf, landab leisten Behörden und freiwillige Helfer schnelle, unbürokratisch Hilfe. Vieles muss sich zurecht ruckeln, viel wird auch schlicht improvisiert. Aber: Es klappt.

In Aschersleben hatten die Helfer immer etwas Vorlauf bei der Einrichtung von Wohnungen für Geflüchte. So musste in Aschersleben niemand in Großunterkünften untergebracht werden – obwohl die Notunterkunft in der Arena des Sport- und Freizeitzentrums schon eingerichtet war. Die Wohnungen reichten. "Learning by doing", sagt Widder rückblickend.

Wie eine Veranstaltung organisieren – nur ohne Bühne

Genau so lief 2021 das Impfen. Spritze in den Arm, das sei ihm klar gewesen. Allerdings nicht, was alles dazu gehört. Die Impfstation sei 2021 die große Sporthalle im Ballhaus gewesen. Deutlich größer als die Alte Tischlerei, ebenfalls geleitet von Jörg Widder. Wie ein großer Eingangsbereich für eine Veranstaltung sei die Station mit ihren Impfstrecken aufgebaut gewesen. Nur ohne Gastronomie und ohne Bühne, stellt Veranstaltungsfachmann Widder fest. Kabinen, Trennwände, Security, Ausschilderung: Damit kennt er sich aus.

Für den Veranstaltungfachmann Widder gab es in diesem Jahr noch ein ganz anderes Highlight zu organisieren: Konzerte, die nachzuholen waren aus 2020. "Wenn ein bisschen Normalität reinkommt, das wäre schön", sagt er noch. Inzwischen koordiniert Widder in Aschersleben bei der Stadt den kommunalen Ordnungsdienst.

MDR (Tom Gräbe, Alisa Sonntag)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 29. Dezember 2022 | 19:00 Uhr

0 Kommentare

Mehr aus dem Harz

Heissrauchversuch 1 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Mehr aus Sachsen-Anhalt

Eine Collage aus einem Christopher Street Day mit Polizeiauto im Vordergrund und einem kleinen Modell-Powerboat auf dem Wasser. 2 min
Bildrechte: dpa/MDR
2 min 26.04.2024 | 19:17 Uhr

Gekündigte Lehrerin lehnt Vergleich ab, Besserer Schutz von CSDs, Powerboatmeeting: die drei wichtigsten Themen vom 26. April aus Sachsen-Anhalt kurz und knapp. Präsentiert von MDR-Redakteurin Viktoria Schackow.

MDR S-ANHALT Fr 26.04.2024 18:00Uhr 01:53 min

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/video-nachrichten-aktuell-sechsundzwanzigster-april-104.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video