Ländlicher Raum "Sind der Stachel im Fleisch der Politik" – Verein kämpft weiter um medizinische Versorgung in Havelberg

31. August 2022, 19:50 Uhr

Vor zwei Jahren wurde in Havelberg das Krankenhaus geschlossen und in ein Seniorenheim umgewandelt. Der Protest dagegen ist bis heute nicht abgeebbt. Der Verein Pro Krankenhaus will bei der ärztlichen Versorgung retten, was kaum noch zu retten ist. Das wurde am Mittwoch auch im Gesundheitsausschuss des Landtags deutlich. Konkrete Zusagen gab es nicht.

Ein Mann steht vor einem Bücherregal
Bildrechte: MDR/Hannah Singer

Nicht die Schließung des Krankenhauses in Havelberg vor genau zwei Jahren hat für bundesweite Schlagzeilen gesorgt. Zu normal ist es mittlerweile geworden, dass in ländlichen Regionen kleine Krankenhäuser schließen. Vielmehr ist es der hartnäckige Protest, den eine kleine Gruppe immer weiter betreibt, der auch überregional in Zeitungen und auch Fernsehberichten gewürdigt wurde. "Wir sind der Stachel im Fleisch der Politik", sagt der Vorsitzende Holger Schulz vom Verein Pro Krankenhaus Havelberg. Zuletzt hatte der Verein mit einer "Schwarzen Liste" brenzlige medizinische Fälle der letzten Zeit dokumentiert.  

Schon vor zweieinhalb Jahren, als die KMG Kliniken als Betreiber des örtlichen Krankenhauses die Schließung ankündigten, formierte sich der Protest. Mit Mittags-Pausen-Demos ging es los, wie die ehemalige Betriebsratsvorsitzende Sandra Braun sagt.

Millionenbetrag für Schließung des Krankenhauses

Die KMG Kliniken hatten das Krankenhaus aus heiterem Himmel geschlossen. Es sei finanziell nicht mehr darstellbar, hatte es damals aus der Geschäftsführung geheißen. Gut ein Jahr später wurde das Haus als Seniorenheim weiter genutzt. Die KMG Kliniken konnte damit ein saniertes Haus nutzen, in welches das Land über Jahre immer wieder Millionen Euro investiert hatte. Besondere Ironie: Für die Schließung bekam das Unternehmen noch einmal mehr als sieben Millionen Euro aus dem Krankenhausstrukturfonds oben drauf.         

Jetzt, zwei Jahre später, sind die Mitglieder auf der einen Seite ernüchtert darüber, wie langsam sich in der Politik etwas bewegt. Immer wieder wurden Versprechungen gemacht und neue Ideen in die Welt gesetzt und wieder begraben. "Man muss wachsam sein", sagt Holger Schulz von "Pro Krankenhaus Havelberg".

Hausärztliche Versorgung im ländlichen Raum "besorgniserregend"

Irgendwie war es großer Zufall, dass der Termin der Sitzung des Gesundheitsausschusses des Landtags am Mittwoch genau auf den Jahrestag der Schließung des Havelberger Krankenhauses fiel. Und auf der Tagesordnung stand nicht nur die Situation der medizinischen Versorgung in Havelberg, sondern die hausärztliche Versorgung im ländlichen Raum allgemein.

So berichtete Martin Wenger, der Hauptgeschäftsführer der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) in Sachsen-Anhalt darüber, dass es landesweit rund 1.400 Hausärzte gibt, allerdings 267 Stellen unbesetzt sind. Und noch gravierender: 30 Prozent der Ärzte sind mittlerweile 60 Jahre und älter. "Darüber sind wir sehr besorgt", so Wenger. Stipendien und Landarztquote können nur begrenzt helfen. Mehr Studienplätze dagegen schon eher.

"Wir haben das Thema der ländlichen Ärzteversorgung hier schon dreimal im Ausschuss gehabt und es scheint mit nichts vorangekommen zu sein", sagte der Ausschussvorsitzende Ulrich Siegmund (AfD). Er plädierte für Honorarärzte auch im Fall Havelberg.  

Keine Bewerbung auf Stellenanzeigen

Wie schwer es am Ende ist, Ärzte fürs Land zu gewinnen, weiß der Geschäftsführer Jürgen Richter der landeseigenen Salus Altmark Holding GmbH mit seinen rund 3.670 Beschäftigten. Er soll ein sogenanntes intersektorales medizinisches Versorgungszentrum in Havelberg aufbauen. Trotz Image-Kampagne war es innerhalb der letzten zwölf Monaten nicht gelungen, einen Hausarzt oder einen Internisten für den Start eines solchen Zentrums zu gewinnen. "Wir hatten keine Bewerbungen auf unsere Stellenanzeigen", sagte Richter.

Verein will selbst Ärzte finden

Der Verein pro Krankenhaus möchte sich nicht damit abfinden und will alle Möglichkeiten ausschöpfen. "Wir haben Kontakt zu einer ukrainischen Ärztin aufgenommen", sagt Holger Schulz. Zusammen mit dem Integrationsmanagement des Landkreises Stendal soll dies forciert werden.  

"Wir werden uns das ansehen", sagt Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD). Schon in der kommenden Woche hat sie zusammen mit Salus-Geschäftsführer Jürgen Richter einen Vorort-Termin in Havelberg. Nach Ansicht von Grimm-Benne sollen aber auch noch einmal Kooperationsmöglichkeiten mit den umliegenden Krankenhäusern in Stendal und Seehausen erörtert werden. "Vielleicht können ja einige Ärzte zumindest zeitweise in Havelberg arbeiten", so die Ministerin.

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MDR (Bernd-Volker Brahms, Maren Wilczek)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 31. August 2022 | 11:30 Uhr

1 Kommentar

Karl-W am 31.08.2022

Immer mehr Krankenhäuser schließen. Diese Verknappung von Betten wird bei der nächsten Coronawelle wieder beim Panikmachen helfen. Auf ein Krankenhausbett wird heute schon mindestens vier Wochen gewartet. Selbst erlebt!

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