Die aneinander gehaltenen Hände von fünf Personen
Auferstehungsfeiern der Kirchen an Ostern vs. ewiges Leben im Netz: Es geht um Zusammenhalt. (Symbolbild) Bildrechte: Colourbox.de

Religion im Netz Ewiges Leben im Digitalen: Können wir unsterblich werden?

10. April 2023, 08:35 Uhr

Ostern wird in den Kirchen die Auferstehung gefeiert. In der aufgeklärten Gegenwart ist eine solche Sichtweise allerdings alles andere als mehrheitsfähig. Doch zugleich gibt es einen digitalen Trend – nämlich "ewiges Leben" im Netz.

Portrait-Bild von Uli Wittstock
Bildrechte: Uli Wittstock/Matthias Piekacz

Eine menschliche Stimme wie einen Computer klingen zu lassen, das ist inzwischen technisch kein großes Problem mehr. Doch einen Computer wie einen Menschen klingen zu lassen, das erfordert hingegen schon einen deutlich höheren Aufwand. Allerdings ist auch in diesem Bereich die Technologie in den letzten Jahren deutlich leistungsfähiger geworden.

Das bestätigt auch Dr. Ingo Siegert. Er ist Juniorprofessor an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und beschäftigt sich seit Jahren mit der Frage, wie die menschliche Stimme in digitalen Zusammenhängen genutzt werden kann. Stimmen sind eigentlich so individuell wie Fingerabdrücke, sagt Ingo Siegert. "Die Stimme wird auch durch die Anatomie geformt. Also je nachdem, wie groß der Körper ist, wie viel Lungenvolumen die Personen hat, so klingt ja auch die Stimme."

Und weil man an der Stimme den Menschen erkennen kann, ist es in alten Krimis üblich, dass Entführer ihre Lösegeldforderung durch ein Tuch in den Telefonhörer nuscheln. Technisch gibt es da inzwischen bessere Lösungen.

Weiterleben im Digitalen?

Ein altes Sprichwort kennt noch den Zusammenhang von Stimme und Person: Ein Mann ein Wort. Heute hieße es wohl eher: Ein Mensch ein Wort. Allerdings gilt das ab jetzt nur noch eingeschränkt. Denn moderne Sprachsysteme können Stimmen täuschend echt simulieren. Im Bereich der Popmusik wird so etwas inzwischen gelegentlich eingesetzt.

Aber es ergeben sich auch völlig neue Anwendungsbereiche, so Ingo Siegert: "In den USA gibt schon Bestrebungen, ein digitales Alter Ego anzulegen. Da werden Personen mit ihrer Stimme und ihrem Aussehen digitalisiert, um dann auch nach ihrem Ableben präsent zu sein, so dass man mit ihnen interagieren kann."

Also ein Treffen mit den Ahnen am Familientisch, das ist zumindest akustisch schon jetzt möglich. Künstliche Intelligenz, die über die nötigen Datenmengen verfügt, könnte so Gespräche mit dem Verstorbenen simulieren. Also eine Art ewiges Leben im Digitalen?

Das Paradies als neue Welt

Für Oberkirchenrat Albrecht Steinhäuser ist diese Entwicklung nicht so völlig neu. Denn bereits jetzt gebe es in der Bestattungskultur solche Tendenzen, wenn etwa vom Grabstein per Handy auf entsprechende Seiten im Netz verwiesen wird, mit Informationen aus dem Leben des Verstorbenen bis hin zu Bewegtbildern.

All dies entspreche jedoch nicht der Idee der biblischen Osterbotschaft. "Ich wäre zurückhaltend, das jetzt als elektronische Form von Auferstehungshoffnung oder ewigem Leben zu interpretieren. Auferstehungshoffnung ist etwas anderes als die Verlängerung des irdischen Lebens in die Zukunft, sondern die Erwartung einer neuen Zukunft."

Es geht im Christlichen Glauben beim Thema ewiges Leben um die Vorstellung einer neuen Welt, die notwendigerweise immer auch ziemlich abstrakt bleibt. Es handelt sich nämlich um eine Glaubensfrage, nicht um eine Frage des Wissens.

Auch aus theologischer Sicht keine einfache Materie, räumt Albrecht Steinhäuser ein: "Die Theologie spricht ja von dem schon jetzt und dem noch nicht, wenn es ums Paradies geht. Also es ist noch nicht in seiner verwirklichten Form unter uns. Aber in dem Glauben daran verwirklicht es sich aber schon und ragt so in unsere Wirklichkeit hinein." Sofern man daran glaubt natürlich.

Skepsis gegenüber dem Jenseits

In der Geschichte des Christentums spielte diese Hoffnung über viele Jahrhunderte hinweg eine große Rolle. Doch zumindest aus europäischer Sicht verliert das Jenseits an Bedeutung. Wurde den Kirchen vorgeworfen, mit dem Verweis auf das Paradies vom irdischen Jammertal abzulenken, so zeigt sich gegenwärtig das Diesseits überraschend paradiesisch. Denn inzwischen kann man ein relativ angenehmes Leben auch im Diesseits führen, so Steinhäuser:

"Je realistischer es scheint, dass ich mir ein angenehmes Leben auch im Diesseits machen kann, umso weniger attraktiv ist die Fokussierung auf das Jenseits. Und so erkläre ich mir, dass auch für Christen eine Fokussierung aufs Jenseits weniger attraktiv ist."

Mit Blick auf die Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte stellt sich allerdings die Frage, wie viel des irdischen Paradieses noch erhalten werden kann. Denn anders als das himmlische Paradies hat das irdische eben immer auch eine Kehrseite.

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MDR (Uli Wittstock, Hannes Leonard)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 10. April 2023 | 07:10 Uhr

1 Kommentar

nilux am 10.04.2023

Über tausend Jahre alte Höhlenmalereien kann man heute noch bewundern. In Fels gehauene Abbilder auch, ebenso wie mehrere hundert Jahre alte Bücher oder Fotos aus dem 19. Jahrhundert.
Bei Magnetbändern aus den 1960er-Jahren wird es schon langsam schwierig, da sind Spezialisten gefragt. Disketten aus den 1980er Jahren? Zerkratzte oder in der Sonne gelegene CDs aus den 2000ern? Online-Artikel aus den 2010ern?
Die Digitalisierung macht alles vergänglicher.

Wir holen mehrere tausend Jahre alte Dingen aus dem Boden, stecken es in Museen, streiten um die Rechte der Veröffentlichung oder lassen es von Diebesbanden aus Museen stehlen oder zerstören etc...

Wir rauben künftigen Generationen zunehmend den Blick auf unsere Geschichte.

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