Personalmangel Die Notlage der Kitas in Magdeburg dauert an

25. Oktober 2022, 08:06 Uhr

Die Personal-Lage an Magdeburger Kitas bleibt prekär. Die Maßnahmen von Stadt und Land wirken nur langsam. Obwohl die Kitas ihr Bestes geben, drohen weitere Ausfälle – mit erheblichen Konsequenzen für Kinder, Eltern und Arbeitgeber.

Am liebsten wäre es Andrea Kleinbauer, wenn sie sich ganz auf die Bedürfnisse der Kinder konzentrieren könnte. Auf Spiele, Singen, die Welt erkunden, auf Ausflüge, Bauprojekte, Sprachen lernen und all das, was ihrer Meinung nach dazugehört, um die Kinder gut auf das Leben vorzubereiten und ihnen eine glückliche Zeit bieten zu können. Stattdessen kämpft die Kita-Leiterin jeden Tag darum, in der Kita Wolkenschäfchen in Magdeburg den Betrieb aufrecht erhalten zu können – immer noch.

Seit Jahren haben die Kitas bundesweit mit fehlendem Personal zu kämpfen. Laut der Gewerkschaft ver.di fehlen in Sachsen-Anhalt derzeit 4.000 Kräfte. Die Konsequenzen sind chronisch überlastete und ausgebrannte Kräfte, Kündigungen, verkürzte Öffnungszeiten und Schließungen. Darunter leiden nicht nur die Kinder und Angestellten, sondern auch für Eltern und Arbeitgeber wird es zum Problem, wenn Kitas immer wieder ausfallen.

Es ist ein Problem, das sich selbst verstärkt: Je mehr Personal ausfällt, desto schwieriger wird die Lage für die verbliebenen Kräfte, desto unattraktiver wird der Beruf für Menschen, desto weniger neues Personal gibt es. Aufgrund der Coronapandemie war die Lage in diesem Jahr besonders schlimm. Im Mai hat sich deshalb die Initiative "Runder Tisch Magdeburger Kind" gegründet und mit lauten Appellen Hilfe von Stadt und Land gefordert. Ein halbes Jahr später zeigt ein Besuch bei der Kita Wolkenschäfchen: Es hat sich zwar etwas getan. Aus Sicht der Kita aber deutlich zu wenig.

Maßnahmen der Politik helfen kaum

Um mehr Fachkräfte zu gewinnen, hatte das Sozialministerium eine Initiative gestartet, um mehr Menschen für den Quereinstieg zu begeistern und die Ausbildungs-Attraktivität von Kita-Berufen zu erhöhen. Dazu wurden unter anderem praxis-integrierte Ausbildung mit Ausbildungsvergütung angeboten und Vor-Praktika für Quereinsteiger finanziert. Auch die Stadt Magdeburg hat unter anderem in Bau- und Sanierungsmaßnahmen von Kitas investiert und versucht, die Anzahl an Betreuungsplätzen zu erhöhen.

In der Kita Wolkenschäfchen konnte man von den Bemühungen des Landes sogar direkt profitieren und zwei Auszubildende einstellen, die eine praxis-integrierte Ausbildung absolvierten. Für Andrea Kleinbauer ist das ein Schritt in die richtige Richtung, auch weil sie glaubt, dass die Fachkräfte durch praxis-integrierte Ausbildungen besser geschult werden können. Trotzdem, sagt sie, bliebe die Lage äußerst schwierig.

"Es ist immer noch so, dass die Kollegen weiterhin am Limit sind und eher mit ihren Arbeitszeiten zurückgehen, um sich zu schützen. Es stellt sich weiterhin so dar, dass der Fachkräfte-Markt leergefegt ist. Dann wird man weiterhin nur betreuen und nicht eine fachliche Qualität leisten können, die gerade notwendig ist", erklärt Kleinbauer.

Fehlende Fachkräfte – Streit zwischen Bund, Land und Stadt

Das Sozialministerium von Sachsen-Anhalt teilt die Einschätzung, dass die Personalsituation im Kita-Bereich weiterhin sehr schwierig ist. "Die Herausforderungen bei Gewinnung, Qualifizierung und Bindung von Fachkräften sind nicht geringer geworden. Die Situation hat sich im Vergleich zum Mai 2022 nicht grundsätzlich verändert", teilte das Ministerium mit. Hinzu komme das Problem, dass der Bund die Mittel für Sprach-Kräfte für Kitas für das Jahr 2023 nicht verlängert habe. Derzeit sei das Land in Verhandlungen mit dem Bund, das Angebot zu verlängern. Das Land wolle die bisher angestrebten Bemühungen auch im nächsten Jahr aufrechterhalten.

Auch die Stadt Magdeburg teilte auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT mit, dass sich die Lage seit Gründung des "Runden Tischs Magdeburger Kind" nicht verändert habe. Die Stadt selbst werde weiterhin in Maßnahmen zum Ausbau und zur Sanierung von Kitas und Betreuungs-Angeboten investieren sowie kommunale Mittel für den Einsatz von Sozialarbeitern und -arbeiterinnen bereitstellen. Auf Landesebene sei bisher aus Sicht der Stadt leider nichts passiert.

Wie das Land kommentierte die Stadt Magdeburg die geplante Einstellung des Bundes des Programms Sprach-Kitas mit Sorge. Eine Einigung zwischen Bund und Ländern müsse schnellstmöglich erfolgen, auch um die Verträge der derzeit angestellten Sprach-Kräfte verlängern zu können.

Kita-Leiterin fordert strukturelles Umdenken

Andrea Kleinbauer glaubt nicht, dass sich die Probleme alleine durch Maßnahmen von Stadt und Land lösen lassen. Für sie stecken hinter den Problemen der Kitas strukturelle Probleme auf Bundesebene. Sie ist überzeugt, dass Kitas und andere Bildungs-Orte einen deutlich höheren Stellenwert und bessere Finanzierung bräuchten. Zudem fordert sie, dass Kitas als Bildungs- und nicht als reine Betreuungs-Orte wahrgenommen werden. Nur dann könne man genug Menschen für Kita-Berufe gewinnen. Für die Gesellschaft, ist Kleinbauer überzeugt, würde sich die Investition in Kinder auf jeden Fall auszahlen – auch wirtschaftlich.

"Die Kitas bieten so viel Chance, die hat die gesellschaftlichen Strukturen in Zukunft zu gestalten. Und da wird ganz, ganz viel Potenzial einfach nicht genutzt, weil es einfach immer zu knapp Personal gibt, die Gruppen zu groß sind, die Gebäude nicht geeignet sind, die Ausbildung nicht optimiert ist."

Nach aktuellem Stand wird die Kita Wolkenschäfchen aber erstmal mit angespannter Personal-Lage durch einen Winter gehen müssen, in dem durch Corona und hohe Energiekosten wieder besondere Herausforderungen warten werden. Für Kleinbauer ist klar: Die Kinder sollen nicht darunter leiden müssen. Und so versucht sie, wie so viele andere Kitas in Magdeburg, durchzuhalten und den Kindern Erlebnisse zu ermöglichen, die wenig kosten, aber den Kindern Kraft und schöne Erfahrungen schenken.

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MDR (Leonard Schubert)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT - Das Radio wie wir | 25. Oktober 2022 | 07:00 Uhr

3 Kommentare

MDR-Team am 25.10.2022

Vielen Dank für Ihr Interesse. Der Artikel sollte nicht ausdrücken, dass die Kita-Kinder zu den Protesten herangezogen werden. Die Bilder, die vielleicht an Demonstrationen erinnern, zeigen Ausflüge, auf denen den Kindern etwas erklärt worden ist.

hilflos am 25.10.2022

Wenn ich den Beitrag so richtig verstanden habe, werden die Kleinen auch zum Protest herangezogen. Also das sollte so nicht geschehen und das ist aus meiner Sicht unrechtmäßig

hilflos am 25.10.2022

Ok

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