Mann mit schwarzer Brille und dunklen Haaren in Anzug
Peter Panitz vom Nahverkehrsservice Sachsen-Anhalt spricht im Interview über Herausforderungen der Bahn. (Archivbild) Bildrechte: NASA GmbH

Verspätungen, Zugausfälle, Deutschlandticket Vor welchen Herausforderungen Bahnunternehmen in Sachsen Anhalt stehen

12. November 2023, 05:00 Uhr

Personalmangel, gestiegene Fahrgastzahlen, Baustellen – die Situation ist angespannt. Ein Interview mit Peter Panitz, Geschäftsführer des Nahverkehrsservice Sachsen-Anhalt über Herausforderungen und Verlässlichkeit im Bahnverkehr.

Tom Gräbe
Bildrechte: MDR/Fabian Frenzel

MDR SACHSEN-ANHALT: In den vergangenen Wochen gab es gehäuft Zugausfälle und Verspätungen. Wie ist die Situation momentan im Schienen-Nahverkehr in Sachsen-Anhalt?

Peter Panitz: Wir haben grundsätzlich eine sehr angespannte Lage bei der Qualität der Angebote. Sowohl was die Pünktlichkeit betrifft als auch die Zugausfälle. Die Ursachen dafür sind durchaus vielfältig. Das geht schon mal damit los, dass es sehr, sehr viele Baustellen der DB Netz AG an der Infrastruktur gibt.

Und daneben haben wir aber auch ein Personalthema. Das betrifft die DB-Netz-AG, die Besetzung von Stellwerken und es geht um die Triebfahrzeugführer der Eisenbahnverkehrsunternehmen, wo in den letzten Monaten auch eine erhöhte Ausfallquote vorhanden gewesen ist, die zu einer erheblichen Zahl von Zugausfällen geführt hat.

MDR SACHSEN-ANHALT: Wenn ein Zug ausfällt oder lange Verspätung hat, wirkt sich das auch auf das ganze System aus. Woran liegt das?

Das hat mehrere Ursachen, die einfach schon technologisch bedingt sind. Wir haben ja einen Fahrplansystem, was darauf aufbaut, dass in den großen Knotenbahnhöfen Anschlüsse zu anderen Zügen vorhanden sind. Das heißt, wir haben Verknüpfungen zwischen den einzelnen Linien. Aber mit diesen Linien benutzen wir oft auch dieselben Gleise.

Wenn der eine Zug zu spät ist, dann verschiebt er in der Zeit auch einen anderen Zug. Dann haben wir leider auch noch eine Reihe von eingleisigen Strecken, die natürlich in ihrer Kapazität eingeschränkt sind, weil die Züge oft warten müssen, bis die Strecke frei ist. Das ist sehr komplex vernetzt.

Wir haben die Zugzahlen in den letzten Jahren auch immer mehr erhöht, um den Wünschen nach der Attraktivität des Angebots gerecht zu werden — aber auch, um die Nachfrage abzuwickeln. Und das spannt das ganze System an.

Viele Fahrgäste im System sind erstmal sehr schön. Aber sie verlängern auch die Fahrgastwechselzeiten, wie man so schön technisch sagt. Es dauert mitunter länger, bis die Fahrgäste aus- und wieder eingestiegen sind. Und auch das kann im Zweifelsfall dann zu Verspätungen führen.

MDR SACHSEN-ANHALT: Wer im Harz mit der Bahn am Wochenende oder zu Stoßzeiten unterwegs ist, ist häufig in sehr vollen Zügen unterwegs. Manchmal kommen nicht alle Fahrgäste mit. Braucht der Schienenverkehr mehr Kapazität?

Das braucht er auf jeden Fall. Ein Eisenbahnsystem kann man leider nicht von heute auf morgen ändern. Streckenausbauten dauern in der Regel viele Jahre, meistens über zehn Jahre.

Jetzt brauchen wir kurzfristig erst einmal deutlich mehr Kapazitäten. Es sind vor allem längere Züge, die gebraucht werden. Wenn das ein Triebwagenzug ist, muss ein zweiter oder dritter Triebwagen drangehängt oder ein längerer Zug eingesetzt werden. Und die sind schlichtweg nicht da. Und da sind alle Beteiligten dabei, zusätzliche Fahrzeuge zu suchen. Man muss sich aber vorstellen, das machen jetzt in Deutschland fast alle Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen. Die Zahl der Fahrzeuge ist begrenzt. Das heißt, es ist nur eine begrenzte Handlungsfähigkeit da.

Fahrgäste am Bahnhof Eisleben
Es fehlt der Bahn in Sachsen-Anhalt an Fahrzeugen. Bildrechte: Tom Gräbe

Wir haben etliche Fälle im Land, wo wir ganz konkret nach Lösungen suchen. Die sind teilweise zugeschnitten auf die jeweiligen Punkte. Aber es ist eben leider nicht von heute auf morgen lösbar. Da ist sozusagen das notwendige Tempo nicht ganz passfähig zu den doch sehr langen Prozessen, die ein Eisenbahnsystem dann verursacht.

MDR SACHSEN-ANHALT: Die kalte Jahreszeit naht. Der Fahrplanwechsel der Bahn im Dezember steht bevor. Worauf müssen sich Fahrgäste in den nächsten Monaten einstellen?

Also einerseits finden mit dem Fahrplanwechsel auch Verbesserungen statt. Das ist mir wichtig, das hervorzuheben. Wir werden in Richtung Stendal und Uelzen das Angebot deutlich umstrukturieren, sodass man von Magdeburg Richtung Stendal halbstündlich und in Richtung Uelzen stündlich fahren kann. Und wenn jetzt stündlich gefahren wird, stehen einfach mehr Kapazitäten für mehr Fahrgäste zur Verfügung.

Auch im Süden des Landes gibt es Anpassungen. Was die Angespanntheit der Qualität betrifft, bin ich immer dafür, dass wir auch sehr realistisch auf die Situation schauen. Die Problematik der vielen Baumaßnahmen, die wird noch etliche Jahre andauern. Und auch das Thema des Schwellentauschs ist noch nicht abgeschlossen.

Auch der Personalmangel, der ja verschiedene Ursachen hatte, beschäftigt uns noch langfristig. Es sind zum einen ein Thema des demografischen Wandels, weil zurzeit sehr viele Personen in den Ruhestand gehen und nicht im gleichen Maße Nachwuchs vorhanden ist und gewonnen werden kann. Da ist vielleicht in den vergangenen Jahren noch nicht genügend gemacht worden. Die Eisenbahnverkehrsunternehmen haben das aber erkannt und haben jetzt alle ihre Aktivitäten sehr, sehr stark angezogen. Und dann haben wir eine erhöhte Krankenquote. Das betrifft alle Gesellschaftsbereiche.

Verbessern müssen wir auch die Fahrgastinformation. Dass also, wenn Züge ausfallen, das möglichst frühzeitig bekannt ist. Im Zweifelsfall muss man auch sehen, dass man dann Angebote auch planmäßig reduziert. Das ist ja mit einigen Fällen im Raum Halle auch schon passiert. Da sind wir mit den Unternehmen auch weiter im Gespräch, um am Ende zu einem verlässlicheren Angebot zu kommen.

Die Fragen stellte Tom Gräbe.

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MDR (Tom Gräbe)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 10. November 2023 | 07:40 Uhr

1 Kommentar

steka vor 25 Wochen

Ist das ein Wunder, wenn Quereinsteger für Fahzeugbeschaffung und Fahrplan zuständig sind ? Zu kleine und zu wenig Türen bei den ICE's, da ist bei Fahrgastandrang und Minutenaufenthalt Verspätung vorprogrammiert, Umsteigezeiten nur wenige Minuten geplant, folge Frusr wegen zugverpasst, keine Pufferaufenthaltszeiten um Verspätungen ausgleichen zu können. Höchtgeschwindigkeit gleich Fahrplangeschwindigkeit, kommt mir vor wie von googl programmiert, da sind in den Autofahrzeitangaben auch keine rote Ampeln, Staus und Langsamfahrstellen mit eingerechnet. Keine Chance mit höherer Zuggeschwindigkeit Verspätung wieder rauszufahren. und die alte technik ist genau so sicher, im gegenteil funktionier sogar noch wenn die modernen Betriebszentralen durch Hackerangriff lahmgelgt sind und im ganzen Land nichts mehr fährt. Und auch die neuen S-Bahntalenttriebwagen sind für einen schnellen Massenfahrgastwechsel ungeeignet.

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