Eine junge Frau kniet an einer Feuerstelle im Freien, vor ihr ragt ein Zylinder aus Ton mit einer Öffnung am Boden empor.
Die Historikerin Julia Gräf macht Feuer, um Raseneisenerz für den Rennofen vorzubereiten. Bildrechte: MDR / Katharina Häckl

Aktionstag am 1. Mai Eisen, Schmuck & Waffen: Freilichtmuseum bei Salzwedel zeigt germanische Schmiedekunst

30. April 2024, 15:39 Uhr

Am 1. Mai lädt das Freilichtmuseum Zethlingen bei Salzwedel in der Altmark zu einer besonderen Aktion: Zu erleben ist, wie die Elb-Germanen vor 2.000 Jahren Schmuck, Werkzeuge und Waffen schmiedeten. Im sogenannten Rennofen nämlich, wie Historikerin Julia Gräf erforscht hat. Beim ersten Thementag der Saison am 1. Mai 2024 soll ein Nachbau präsentiert und entzündet werden. Zum Schmieden und Metallgießen sind dann auch die Besucherinnen und Besucher der Langobardenwerkstatt eingeladen.

Es hat ein paar Tage gedauert, bis der Rennofen fertig war. Es ist eine Handarbeit aus Ton. Die Säule ist mehr als hüfthoch, unten schauen rund herum Tonrohre hinaus. Nach oben läuft der Ofen schmal zu und ähnelt dadurch ein bisschen einem Vulkan-Krater in Miniatur. Rennöfen waren unabdingbar für das Leben der Langobarden, um Eisen herzustellen.

Erdklumpen und tönerne Scherbe auf zwei Handflächen
Julia Gräf zeigt Raseneisenerz in seiner ursprünglichen Form. Ist die Schlacke erst aus dem Rennofen geronnen, kann das verbliebene Eisen geschmiedet werden. Bildrechte: MDR / Katharina Häckl

Eisen schmieden bei mehr als 1.000 Grad

Die Elb-Germanen siedelten vor etwa 2.000 Jahren auch auf dem Mühlberg in Zethlingen in der Altmark in Sachsen-Anhalt. Historikerin Julia Gräf forscht seit Jahren über ihr Alltagsleben, seit zweieinhalb Jahren in diesem ganz besonderen Freilichtmuseum, der Langobardenwerkstatt. Dort kann sie auch praktisch experiementieren, wie Rennöfen einst funktionierten.

Wenige Meter von ihrem Nachbau macht Julia Gräf dazu auf dem Sandboden Feuer und wirft Raseneisenerz-Stücke hinein. Die kommen danach – durch die Hitze von Wasser und Kohlenstoff befreit – stückchenweise in den Rennofen. Der funktioniere wie ein Schlot aus Ton, erklärt Julia Gräf, mittels Blasebälgen werde das Feuer darunter angeheizt auf Temperaturen zwischen 1.000 und 1.300 Grad:

"Bei 1.300 Grad würde das Eisen selbst schmelzen. Wir wollen aber, dass die Schlacke rausschmilzt, also die Bestandteile im Eisenerz, die wir nicht brauchen können. Die Schlacke rinnt oder rennt dann nach unten. Daher kommt der Name des Ofens."

Geheimes Wissen: Dem Schmied kappte man die Achillessehnen

Doch wie konnten die Langobarden, die Langbärte, wissen, wann die nötige Temperatur in dem Rennofen erreicht ist? Thermometer waren damals noch nicht erfunden. Sie konnten es, wie Julia Gräf erklärt, wahrscheinlich an der Art sehen, wie die Flammen oben aus dem Schlot schlugen, welche Farben das Feuer hatte oder wie die Rauchentwicklung war.

Eine junge Frau kniet an einer Feuerstelle im Freien, vor ihr ragt ein Zylinder aus Ton mit einer Öffnung am Boden empor.
Die Historikerin Julia Gräf macht Feuer, um Raseneisenerz für den Rennofen vorzubereiten. Bildrechte: MDR / Katharina Häckl

Wie man gutes Eisen im Rennofen herstellt, gehörte zur Zeit der Langobarden zum Geheimwissen. Es gab Spezialisten. Julia Gräf berichtet zum Beispiel von Wieland, dem Schmied. Ihm kappte man die Achillessehnen, damit er nicht weglaufen und sein Rennofen-Geheimnis anderswo ausplaudern konnte.

Das im Rennofen gewonnene Eisen wurde frisch geschmiedet – zu Werkzeug und Schmuck, aber auch zu Waffen. Wieland, der Schmied, war also eine Art militärischer Geheimnisträger.

Das gehörte immer mit zum Leben in diesen Gesellschaften: dass man sich verteidigen kann.

Historikerin Julia Gräf über die Elb-Germanen

In Zethlingen in der westlichen Altmark auf dem Mühlberg lebten die Langobarden zwar vor allem als Bauern. Historische Gärten mit alten Gemüsesorten künden davon, ebenso nachgebaute große Wohnhütten mit ihren bis zum Boden reichenden Reetdächern. Aber ganz so friedlich war der Alltag dann doch nicht, wie Historikerin Julia Gräf mit Blick auf die Nachweise von Waffengräbern aus Zethlingen erzählt, darunter "ein paar Reste vom Kettenhemd aus Eisen oder mal ein paar Beschläge von einem Schild. Das gehörte bei diesen Gesellschaften immer mit zum Leben, dass man sich eben auch verteidigen kann."

Langobarden waren fähig und international vernetzt

Die Langobarden waren keine primitiven Langbärte, wie die Historikerin betont. Das zeigten die Eisengewinnung im Rennofen, die Schmiedekunst, die handwerklichen Fertigkeiten beim Verarbeiten von Leder und die Gerichte, die über offenem Feuer oder in Lehmöfen bereitet wurden und die gesamte Gemeinschaft satt machten.

Julia Gräf kommt 2021 mit einer Holzkiepe aus dem historischen Webhaus der Langobardenwerkstatt in Zethlingen.
Historikerin Julia Gräf forscht am authentischen Ort und verwandelt sich hin und wieder selbst in eine Elb-Germanin. Dabei stammt sie aus Baden-Württemberg, also "Römerland", wie sie lächelnd sagt. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Peter Gercke

Zudem seien die Langobarden international vernetzt gewesen. Auf dem Mühlberg habe man zum Beispiel römische Glasperlen und römische Gefäße gefunden. "Man darf die Langobarden nicht unterschätzen. Die haben andere Sachen gewusst als wir heute, aber die haben viel gewusst und viel gekonnt!"

Angebote im Freilichtmuseum: Schmieden, Bogenschießen, Steinweitwurf

Oft sind das Dinge, die wir heutzutage aufwändig wieder erforschen müssen. In der Langobardenwerkstatt in Zethlingen braucht es dafür Neugier, Kopf und Hand. Besucherinnen und Besucher dürfen sich am Rennofen, beim Bogenschießen oder Steinweitwurf gern die Hände dreckig machen oder beim Herstellen von Ledertaschen und Kupferschmuck ihre Fingerfertigkeit beweisen. Für die Langobarden in Zethlingen vor 2.000 Jahren war das Alltag. Etwa zehn Generationen haben nachgewiesenermaßen über mehr als 200 Jahre auf dem Mühlberg gelebt.

Ein Mann mit Brille und Backenbart kniet im Freien am Boden vor einem Feuer und hantiert mit Spatel und Lehm, um einen zylindrischen Ofen zu bauen.
Am 1. Mai lädt das Freilichtmuseum zum Thementag, dann wird auch die Eisengewinnung im Rennofen zu erleben sein. Bildrechte: picture-alliance / ZB | Peter Förster

Wenn alles Raseneisenerz zu Eisen zerschmolzen war und der tönerne Rennofen seinen Dienst getan hatte, wurde er zerstört. Zur nächsten nötigen Eisengewinnung wurde ein neuer Rennofen gebaut.

Der Altmarkkreis Salzwedel ist Träger der Langobardenwerkstatt in Zethlingen. Ohnen seinen enthusiastischen Freundeskreis könnte das Freilichtmuseum aber gar nicht bestehen. Die Ehrenamtlichen verkleiden sich zu Thementagen wie am 1. Mai nach Langobardenart, sie betreuen die Werkstätten und Stände und kümmern sich in ihrer Freizeit um das Gelände, die Gebäude und die Gärten.

Langobardenwerkstatt: Thementag am 1. Mai

Langobardenwerkstatt Zethlingen
Zethlinger Dorfstraße 16a
39624 Kalbe

Die Langobardenwerkstatt Zethlingen ist ein archäologisches Freilichtmuseum auf dem Mühlenberg von Zethlingen, einem Ortsteil von Kalbe, und eine Außenstelle des Johann-Friedrich-Danneil-Museums in Salzwedel. 

Thementag, 1. Mai 2024, ab 11 bis 17 Uhr
Der erste Thementag der neuen Saison dreht sich um die Herstellung und Verwendung von Eisen, Bronze und Co.

Kinder, Familien und Erwachsene sind eingeladen, Handwerkern zuzuschauen und beim Schmieden und Metallgießen auch selbst mitzumachen. Auch Bogenschießen oder Scherbenausgraben stehen auf dem Programm.

Eintritt:
5 Euro, ermäßigt 4 Euro, Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr frei

Anfahrt:
Über die B 71 und Cheinitz ins dann zwei Kilometer entfernte Zethlingen

Quelle: MDR KULTUR (Katharina Häckl), Redaktionelle Bearbeitung: ks

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 30. April 2024 | 12:40 Uhr

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