Daniel Kühnel bei der Vorstellung des Lausitz Festival 2020 21 min
Daniel Kühnel ist Intendant des Lausitz Festivals. Er sieht sich derzeit mit der Kritik konfroniert, dass das Festival lokale Kulturakteure nicht genug einbezieht. Bildrechte: imago images/Rainer Weisflog
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MDR KULTUR - Das Radio Di 12.12.2023 16:23Uhr 20:32 min

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Interview mit Daniel Kühnel Lausitz Festival: Intendant reagiert auf Kritik

13. Dezember 2023, 04:00 Uhr

Das Lausitz Festival steht in der Kritik. Regionale Kulturschaffende werfen der Festivalleitung vor, die Kulturszene vor Ort kaum mit einzubeziehen. Sie fordern in einem offenen Brief ein "echtes Lausitz Festival". Im Gespräch mit MDR KULTUR hat Intendant Daniel Kühnel auf die Vorwürfe reagiert. Kühnel sagte, er höre die Kritik und nehme sie sehr ernst.

MDR KULTUR: Das Festival hat drei Standbeine. Es sollen internationale Stars in die Lausitz kommen. Dann soll es aber auch die Kultur vor Ort regional verankern. Und es soll Besucher anlocken. Jetzt gibt es Kritik, was die Besucherzahlen angeht und was die Kooperation mit den Kulturleuten vor Ort betrifft. Das belegen die Unterschriften der Leute, die sich für ein sogenanntes "echtes Lausitz Festival" zusammengetan haben. Wie möchten Sie auf diese Kritik reagieren?

Daniel Kühnel: Ich möchte zunächst einmal sagen, was wir täglich erfahren, ist sehr, sehr viel Zustimmung. Und dass es Kritik gibt, ist gut. Denn das bedeutet, dass das Festival gesehen wird und dass Menschen das nicht egal ist. Das ist zunächst einmal eine gute Sache. Kritik ist ein Spiegel. Man kann aus Kritik auch immer dazulernen. Das tun wir. Voraussetzungen dafür ist immer, dass es eine konstruktive Kritik ist, die auf etwas hinaus will. Und aus dem Teil der Kritik, die jetzt ausgeübt wird, versuchen wir auch zu lernen. Nicht alle Kritik ist immer konstruktiv. Das gilt es zu unterscheiden.

Lassen Sie es doch einmal konkret werden. Lassen Sie uns auf die Kooperationspartner vor Ort zu sprechen kommen.

Seit der Festival-Gründung im Jahr 2020 haben wir über 24 inhaltliche Kooperationen durchgeführt. Schon die erste Premiere im Lausitz Festival war eine sehr große Kooperation mit dem Staatstheater Cottbus. Es gab Kooperation mit dem Gerhart-Hauptmann-Theater. "Die Seuche" war eine inhaltliche Kooperation, die wir verwirklicht haben.

Blick in einen Hangar auf dem ehemaligen Flugplatz Cottbus mit dem großen, roten Logo des Lausitz Festivals darin. 4 min
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In einem offenen Brief fordern Kulturschaffende aus Brandenburg und Sachsen mehr Mitgestaltungsmöglichkeiten und Transparenz beim Lausitz Festival, u.a. bei den Entscheidungen zum Programm. Grit Krause berichtet.

MDR KULTUR - Das Radio Di 12.12.2023 07:10Uhr 04:00 min

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Sehen Sie prozentual die regionalen Kooperationspartner dort genug verankert? Oder glauben Sie, an der Kritik ist vielleicht was dran und man könnte aufeinander zukommen?

Wenn sich mich prozentual fragen, dann ist es so, dass in dem Jahr zum Beispiel, indem wir die Produktion "Im Berg" im Staatstheater Cottbus finanziert haben, das allein ein Zehntel des künstlerischen Budgets des Festivals ausmachte. Auch Martha Argerich, die nun eine legendäre Pianistin ist, hat einmal mit der Lausitzer Philharmonie und einmal mit den Cottbuser Orchester gespielt. Mit einem fremden Orchester war sie nicht da. Das würde ich auch zu den regionalen Kooperationen zählen. Was das Lausitz Festival nicht sein soll, ist ein Finanzier. Wenn ein Festival einfach nur Geld verteilt, dann ist nicht das getan, was ein Festival tun soll.

Kritik ist ein Spiegel. Man kann aus Kritik immer dazulernen. Das tun wir. Voraussetzungen dafür ist, dass es eine konstruktive Kritik ist, die auf etwas hinaus will.

Daniel Kühnel, Intendant des Lausitz Festivals

Herr Kühnel, Sie weisen ja erst einmal zu 100 Prozent die Kritik zurück ...

... nein, das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt, wir hören die Kritik. Ich habe nicht gesagt, ich weise zu 100 Prozent zurück. Das Gegenteil.

Können Sie sich denn vorstellen, sich mit den Initiatoren dieser Initiative zu treffen und dort auf einen Punkt zu kommen?

Zunächst darf ich in aller Freundlichkeit darauf hinweisen, dass wir das echte Lausitz Festival sind. Es ist nicht nur so, dass ich mir das vorstellen kann. Es wird parallel schon gemacht. Die Unterzeichner dieser Initiative treffen sich mit uns und machen Angebote. Und wenn sie sich erinnern, dass wir schon vor einem Jahr oder vor zwei Jahren miteinander kooperiert haben, sagen sie: Ach so, stimmt. Warum nicht wieder? Und dann fragen wir: Ja, gerne wieder. Aber warum dann diese Opposition, die ja jenseits der Kritik ist? Dann sagen sie: Ja, das war vielleicht nicht ganz der richtige Weg. Also, wir treffen uns bereits mit vielen Unterzeichnern. Das passiert schon.

In der vergangenen Woche haben Sie im Ausschuss für Kultur im Land Brandenburg die Kritiker relativ barsch zurückgewiesen mit den Worten, das Lausitz Festival beziehungsweise die Lausitz werde hier zum Opfer stilisiert. Und das sei unerträglich, weil die Kritiker ein Unterdrücker erfinden, den es in Wahrheit nicht gebe. Das ist schon eine relativ barsche Zurückweisung. Wie kommt es dazu?

Da ging es im Ausschuss heiß her. Ich mache mir darüber Gedanken, wie viele Mitarbeiter die im Lausitz Festival sind und die, ich möchte jetzt nicht pathetisch klingen, ihr Wirken und manchmal sogar ein Schicksal mit dem Lausitz Festival verbunden haben. Und ich frage mich, wie diese Mitarbeitenden und wie diese Künstlerinnen und Künstler darauf reagieren, wenn sie hören: Ja, da kommen irgendwelche Leute, die machen, was sie wollen. Es hat nichts mit uns zu tun und wir werden hier nicht gesehen.

Das ist etwas, was mich tatsächlich sehr bewegt. Das ist ein ein Mechanismus, den nicht gut finde und der gar nicht dem Aufwand entspricht, den wir mit Lust und Inbrunst betreiben, um der Lausitz und der Realität der Lausitz gerecht zu werden. Und wenn man auf der Seite der Kritiker von "Eingeborenen" spricht, die von "kolonialistisch patriarchalen Fremden" unterdrückt werden, dann ist das eine Diktion, die uns wirklich nicht weiterbringt.

Eine Frau mittleren Alters mit braunem halblangem Haar und einem Festivalpass um den Hals lehnt lächelnd  in einem Türrahmen.
Die Filmemacherin Grit Lemke hat ihren Austritt aus dem künstlerischen Beirat des Lausitz Festivals erklärt. "Man habe keinerlei Möglichkeit der Mitgestaltung", sagte Lemke MDR KULTUR.  Bildrechte: FilmFestival Cottbus

Die Arbeit im künstlerischen Beirat wird sehr unterschiedlich bewertet. Es gibt der Beiratsmitglieder, die davon sprechen, dass es einen guten bilateralen Austausch zwischen Festival und den Beiratsmitgliedern gebe. Und es gibt Leute, die sagen, dass die Beiratsarbeit nichts bringen würde, dass der Beirat ein Abnickverein sei. Grit Lemke ist deswegen auch zurückgetreten. Es gibt auch andere ähnliche Äußerungen, die uns vorliegen. Wie empfinden Sie die Arbeit im Beirat? Wie wird dort diskutiert?

Ich habe die Beiratssitzungen als gut empfunden. Die von Ihnen erwähnte Frau Lemke – das kann ich allerdings nicht nachempfinden. Denn ich kann mich nicht erinnern, dass in den Beiratssitzungen, und ich war in allen, Vorschläge kamen, die hätten diskutiert werden können. Das hätte ich mir sehr gewünscht. Ich habe mehr über das Lausitz Festival von Frau Lemke im Ausschuss gehört als jemals zuvor. Das ist auch leicht, weil davor nichts kam.
Weil es kein Interimsbeirat mehr ist, sondern ein fester, bin ich zuversichtlich, dass – auch mit der Kritik, die wir hören und die wir, solange sie kein Zerrbild ist, sondern ein glatter und sauberer Spiegel, auch sehr ernst nehmen – die Beiratsarbeit in Zukunft sehr gut, vielleicht noch besser sein wird.

Quelle: MDR KULTUR (Julia Hemmerling, Stefan Petraschewsky), Redaktionelle Bearbeitung: td

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 12. Dezember 2023 | 08:10 Uhr

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