Grippewelle vor Heiligabend Wie Kinder mit RS-Virus Weihnachten im Krankenhaus verbringen

24. Dezember 2022, 11:06 Uhr

Die Bilder gleichen sich derzeit an Sachsens KinderklinikenTäglich sitzen Eltern mit ihren kranken Kindern in den Wartezimmern, um ein Krankenbett zu bekommen. Obwohl die Lage angespannt ist, können die Kliniken derzeit jedes Kind aufnehmen. Manche Kinder müssen über Weihnachten deswegen im Krankenhaus bleiben. So auch der kleine Luca mit seiner Mutter Sandra.

Ein Clown auf einem Roller lächelt als Abziehbildchen von der Tür ins Zimmer 9 hinein. Dort sitzt Sandra Meinck auf dem Bett mit ihrem 14 Monate alten Sohn Luca und drückt ihn fest an sich. So hat sich die Chemnitzerin Weihnachten sicher nicht vorgestellt. Mit ihren Sohn wird sie die Feiertage alleine auf der Krankenstation verbringen müssen, während der Papa zu Hause mit Lucas drei Geschwistern Heiligabend feiert.

Luca habe am vergangenen Sonnabend Fieber bekommen, sagt Sandra Meinck. Als der Kleine in den nächsten Tagen starke Atembeschwerden und extremen Husten hatte, gab es nur noch einen Weg für die 39-Jährige: ins Krankenhaus. Seit Mittwoch ist die Mutter mit ihrem Jüngsten auf der Akut- und Infektionsstation der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin in der Chemnitzer Flemmingstraße. Diagnose von Luca: Er hat sich mit dem RS-Virus infiziert, erklärt Stationsärztin Dr. Christina Vargas Mora.

Während Dr. Vargas Mora die Lungen und Bronchien von Luca mit einem Stethoskop abhört, weint der Junge auf dem Schoß seiner Mutter. Seine Nase ist verstopft und er hat schweren Husten. Selbst das Schreien bereitet ihm große Anstrengung. Die Kinderärztin erklärt der Mutter mit ruhiger Stimme, warum Luca so schwer Luft bekommt. Gerade kleine Kinder könnten die Sekrete in Lunge und Nase nicht so abhusten wie Erwachsene. Deswegen bekomme Luca zusätzlich Sauerstoff über ein Gerät, so die Kinderärztin: "Wir wollen den Kindern so ein bisschen die Atemarbeit ersparen." Wegen einer Bronchitis bekommt Luca zusätzlich Antibiotika.

Etwa die Hälfte der Kinder mit RS-Virus infiziert

Solche schweren Verläufe wie bei Luca gebe es einige auf der Akut- und Infektionsstation, auf der aktuell 18 Kinder gepflegt würden, sagt Kinderärztin Vargas Mora. Gerade Säuglinge kämen häufig mit dem RS-Virus auf Station. Von den eingewiesenen Kindern hätten etwa die Hälfte das RS-Virus, zehn Prozent Corona und der Rest Influenza, berichtet die Fachärztin für Kinderheilkunde. Und: "Voriges Jahr hatten wir ebenfalls eine ausgeprägte RSV-Welle."

Voriges Jahr hatten wir ebenfalls eine ausgeprägte RSV-Welle.

Dr. Christina Vargas Mora Stationsleiterin der Akut- und Infektionsstation der Kinderklinik Chemnitz

Dr. Vargas Mora bemerke derzeit ein leichtes Abebben des RS-Virus auf ihrer Station. Dafür würden mehr Kinder mit einer Influenza eingeliefert. Die Grippewelle habe dieses Jahr deutlich früher zugeschlagen, so die Kinderärztin. Der Gipfel der Grippewelle sei sonst immer im Januar und Februar gewesen. Eine Höhepunkt sei noch nicht absehbar, denn täglich kämen sechs bis sieben der kleinen Patientinnen und Patienten neu auf Station, so die Stationsärztin.

Kinderklinik komplett ausgelastet

Wie Luca werden wohl einige schwerkranke Kinder das Weihnachtsfest auf dieser Kinderstation verbringen müssen, sagt der Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Dr. Axel Hübler. Nach der Charité und Kinderklinik Buch in Berlin sowie den Kinderkrankenhäusern in Dresden und Leipzig sei die Chemnitzer Kinderklinik mit 86 Betten eine der größten in den neuen Bundesländern.

Dabei seien die Kinderstationen in seiner Klinik aktuell komplett ausgelastet, so Hübler. Die Kinderkliniken würden sich in der derzeitigen Akutlage noch stärker vernetzten: "Die neun regionalen Kinderkliniken tauschen sich wöchentlich darüber aus, wie die Belegungssituation ist." Im Ernstfall könnten Kinder auch während der Feiertage zwischen den Kliniken verlegt werden, so Chefarzt Hübler. Da ähnlich viele Kinder die Klinik verlassen, wie eingewiesen werden, habe aktuell jedoch noch kein Kind an ein anderes Krankenhaus verlegt werden müssen, erklärt Dr. Hübler.

Weniger schwere Verläufe als vor vier Jahren

In der aktuellen Grippewelle sieht der Mediziner auch positive Aspekte, denn: Es kämen weniger Kinder mit schwereren Verläufen auf die Krankenstationen. So mussten laut Hübler in der Grippewelle 2018/2019 zwölf Kinder beatmet werden. Dieses Jahr sei es bisher nur eines. "Der Anteil von schweren Verläufen scheint dieses Jahr geringer. Doch die Anzahl der eingewiesenen Kinder ist höher", verdeutlicht der Chefarzt die aktuelle Lage. Dennoch sei das RS-Virus besonders für kleine Kinder tückisch: "Je kleiner das Kind, desto tiefer werden die Atemwege betroffen." Im Notfall könnten Eltern auch über Weihnachten auf den kinderärztlichen Notdienst zurückgreifen, so der Kinderarzt.

Der Anteil von schweren Verläufen scheint dieses Jahr geringer. Doch die Anzahl der eingewiesenen Kinder ist höher.

Dr. Axel Hübler Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Chemnitz

Mama bleibt Weihnachten mit Sohn im Krankenhaus

Im Zimmer 9 tröstet Sandra Meinck ihren kleinen Luca, der schwer durch seine Nase schnieft. "Ich und Luca werden Weihnachten im Krankenhaus verbringen müssen", sagt sie. Auch wenn sie über Weihnachten auf Krankenstation ohne Papa und die Geschwister bleiben: Für Mama Sandra ist jetzt Lucas Gesundheit am Wichtigsten.

Ich und Luca werden Weihnachten im Krankenhaus verbringen müssen.

Sandra Meinck Mutter eines erkrankten Kindes mit RSV

Stationsleiterin Christina Vargas Mora sagt, dass es Luca etwas besser gehe und macht Hoffnung, dass die beiden in etwa einer Woche die Klinik verlassen könnten. Dennoch werden die Nähe und Wärme der Familie über die Feiertage fehlen. Wegen der akuten Ansteckungsgefahr sei eine größere Feier auf der Kinderstation nicht möglich, bedauert Stationsleiterin Vargas Mora. Auf den Weihnachtsmann muss Luca aber nicht verzichten. Der klopft zu Heiligabend auch an die Zimmertür mit dem lächelnden Clown an und hat ein Geschenk für den tapferen Jungen dabei.

MDR (phb)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 22. Dezember 2022 | 19:00 Uhr

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