Reichsbürger Reisepass vor Reichsfahne Schwarz Weiß Rot
Vor einigen Jahren haben Reichsbürger den "Vaterländischen Hilfsdienst" wiedergegründet. Auch in Sachsen leben Mitglieder. Bildrechte: IMAGO / Christian Ohde

Reichsbürger Paramilitärische Gruppe "Vaterländischer Hilfsdienst" auch in Sachsen

03. Januar 2023, 14:04 Uhr

Anfang Dezember wurden bei einer bundesweiten Razzia 25 Reichsbürger festgenommen. Sie sollen die Absicht gehabt haben, das politische System zu stürzen. Sie hatten den Ermittlern zufolge Schießen geübt und wollten sogenannte Heimatschutzkompanien aufbauen. Auch in Mitteldeutschland. Und es ist nicht die einzige militärische Reichsbürger-Gruppierung.

Ein milder Sonntag im Oktober. Knapp 30 Reichsbürger treffen sich zum Kaffeekränzchen in einer Kneipe am Chemnitzer Stadtrand. Die Flagge des Deutschen Reichs ist aufgehängt. Jemand hat Kekse gebacken, auch in den Farben schwarz-weiß-rot. Man schwatzt über das sächsische Königshaus, wird der Organisator später im Internet festhalten.

Wiederbelebung des "Vaterländischen Hilfsdienstes"

Was skurril klingt, hat einen ernsten Hintergrund: Es handelt sich um ein Treffen des "Vaterländischen Hilfsdienstes". Das sei eine Bewegung, die ursprünglich 1916 gegründet wurde, erklärt Benjamin Winkler von der Amadeu-Antonio-Stiftung, die seit Jahren die Reichsbürgerszene erforscht.

"Beim 'Vaterländischen Hilfsdienst' greift man zurück auf dieses Konstrukt aus dem Deutschen Kaiserreich, was im Grunde eine Art Wohlfahrtsorganisation war. In Teilen aber war es auch eine paramilitärische Organisation an der Heimatfront - also für diejenigen, die nicht an der Front waren, um die Aktivitäten des Militärs zu unterstützen." Somit sei das Militär die Organisation im Hintergrund des 'Vaterländischen Hilfsdienstes' gewesen, sagt Winkler. 

Vor einigen Jahren haben Reichsbürger den "Vaterländischen Hilfsdienst" neu gegründet. Denn in den Augen der Reichsbürger habe das Deutsche Kaiserreich nie aufgehört zu existieren, so Winkler.

Der 'Vaterländische Hilfsdienst' war in Teilen eine paramilitärische Organisation an der Heimatfront.

Benjamin Winkler Amadeu-Antonio-Stiftung

Treffs in Gasthäusern und an Bismarck-Denkmälern

Ein bis drei Mal pro Monat treffe man sich in Gruppengrößen von zehn bis 100 Leuten, in Gasthäusern oder an Bismarck-Denkmälern, auch in Sachsen-Anhalt und Thüringen. "Und dann versucht man sich tatsächlich im Rahmen dieser früheren Armeekorpsbezirke zu organisierten", sagt Winkler. Diese Bezirke seien aufgeteilt auf das frühere deutsche Reichsgebiet. Man versuche diese wiederzubeleben, Menschen zu finden, die sich unter der Flagge des "Vaterländischen Hilfsdienstes" zusammenschließen.

Die Gruppierung hatte allein in Sachsen im vergangenen Jahr rund 180 Mitglieder.

Landesamt für Verfassungsschutz

Nach Angaben des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) hatte die Gruppierung allein in Sachsen im vergangenen Jahr rund 180 Mitglieder. Die Zahl nehme kontinuierlich zu. Der Verfassungsschutz ist alarmiert, teilt die Behörde schriftlich mit: "Das Landesamt für Verfassungsschutz warnt vor der Gruppierung, da sie im Zuge ihrer verfassungsfeindlichen Ausrichtung auf die Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung abzielt und sich entsprechend organisiert." Dem LfV Sachsen seien derzeit im Hinblick auf die Gruppierung jedoch keine Gewaltbezüge bekannt.

 

Landesamt für Verfassungsschutz des Freistaat Sachsen
Mitarbeiter des sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz schätzen die Mitgliederzahl beim "Vaterländischen Hilfsdienst" auf rund 180. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Tino Plunert

Ziel: Wiederherstellung des Deutschen Reiches

Auf ihrer Webseite geben die Reichsbürger offen bekannt, welches Ziel sie verfolgen. Nämlich die "Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit des Deutschen Reiches". Doch noch sei es nicht soweit, heißt es da weiter. Erst wenn die Struktur in Zahl und Funktion einsatzbereit ist, könne der Kaiser aus dem Exil heim ins Reich geholt werden.

Untereinander und auch mit anderen Rechtsextremen seien die Reichsbürger gut vernetzt, sagt Winkler von der Amadeu-Antonio-Stiftung. "Und insofern würde ich denen nicht trauen, dass da nur gesellige Veranstaltungen organisiert werden. Denn wer sagt uns denn, dass dort nicht auch insgeheim an Umsturzplänen gearbeitet wird. Deswegen sollten wir auch mit einem wachen Auge da hinschauen."  

Die nächsten Treffen der Armeekorpsbezirke sind längst geplant. Am 18. Januar dürfte ein größeres stattfinden, denn dann feiern die Reichsbürger den 152. Jahrestag der Proklamierung des Deutschen Reiches.  

MDR

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 03. Januar 2023 | 08:10 Uhr

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