Illustration - Gaspreisbremse, Gaszähler und Gas-Umlage durchgestrichen
Die Energiepreise steigen: Wie sollen Entlastungen aussehen? Und wer soll die bezahlen? Darüber streiten sich Bund und Länder. Sachsens Parteien dauert das alles zu lange. Bildrechte: IMAGO / Political-Moments

Nach Bund-Länder-Runde Sachsens Parteien drängen auf eigene Lösungen für Energiekrise

05. Oktober 2022, 18:06 Uhr

Was ist mit der Verbesserung des Wohngeldes? Wie werden Strom- und Gaspreisbremse umgesetzt? Wird es einen Nachfolger für das Neun-Euro-Ticket geben? Diese Fragen standen am Dienstag auf der Agenda eines Treffens zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und den Ministerpäsidenten der Bundesländern. Mit Antworten taten sie sich allerdings schwer. Sachsens Politiker wollen nicht mehr warten und schlagen eigene Lösungen vor.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat sich nach den Beratungen von Bund und Ländern zur Entlastung von den hohen Energiepreisen enttäuscht gezeigt. "Die Menschen verlieren die Nerven, die Unternehmen wissen nicht mehr, wie es weitergeht. Es dauert alles viel zu lange", meinte er am Mittwoch im ZDF-"Morgenmagazin".

Es sei nach dem Treffen nicht klar, wie die Gaspreisbremse funktioniere, auf welchen Preis man sich hinbewege und welche Entlastung komme. "Selbstverständlich wird der Freistaat Sachsen seinen Beitrag dazu leisten, es braucht aber die richtige Reihenfolge", sagte Kretschmer. Zunächst müsse die Gaspreisbremse geklärt werden. Erst dann wisse man, welche zusätzlichen Instrumente es brauche.

Sächsischer Härtefallfonds im Gespräch

"Das Signal der gestrigen Runde war, dass man sich grundsätzlich schon verständigt hat, diese riesengroße Last gemeinsam zu tragen", blickte Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) nach vorn. Die Länder könnten sich hier nicht aus der Verantwortung nehmen, auch weil sie in den vergangenen Monaten Steuermehreinnahmen durch die Inflation hatten, sagte Dulig MDR SACHSEN.

Wir brauchen ein eigenes Sachsenpaket, um die Lücken zu schließen.

Martin Dulig Wirtschaftsminister von Sachsen

Martin Dulig
Martin Dulig (SPD), Wirtschaftsminister von Sachsen. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild/Sebastian Kahnert

Wirtschaftsminister für eigenes "Sachsenpaket"

Dass die Details der Gaspreisbremse schnell geklärt werden müssen, darin sind sich die sächsischen Koalitionspartner von CDU, Grünen und SPD einig. Die Sozialdemokraten verlangen jedoch, dass Sachsen schon jetzt ein Sondervermögen - ähnlich wie in der Corona-Krise - auf den Weg bringen müsse, auch wenn dafür neue Schulden aufgenommen werden müssten. Dulig betonte, dass alles dafür getan werden müsse, um den sozialen Frieden im Land zu wahren. "Wir brauchen ein eigenes Sachsenpaket, um die Lücken zu schließen, die durch eine Bundesförderung nicht geschlossen werden", so der Wirtschaftsminister.

Auch die Grünen favorisieren einen eigenen Härtefallfonds, um Menschen in Not zu unterstützen. "Wir müssen jetzt hier in Dresden auch über die sächsischen Möglichkeiten sprechen", mahnte Umweltminister Wolfram Günther (Die Grünen) zur Eile.

AfD will Sondersitzung für den Landtag

Die sächsische AfD hat als größte Oppositionspartei für die kommende Woche eine Sondersitzung des Landtages angekündigt. Auf dieser will sie einen Zuschuss von 1.000 Euro für jeden sächsischen Haushalt beantragen. Das Geld solle noch in diesem Jahr an alle Sachsen fließen. Außerdem verlangt die Partei eine Notfallhilfe für Unternehmen, die besonders unter den gestiegenen Energiekosten leiden.

"Es ist bis dato weitestgehend unklar, in welchem Umfang und wann endlich die Sachsen durch die nebulösen Ankündigungen der Bundesregierung entlastet werden", kritisierte der AfD-Fraktionsvorsitzende Jörg Urban. Er geht von einer Unterstützung in Höhe von maximal zehn Milliarden Euro aus. Das sei auf jeden Fall zu wenig, meinte Urban. Die AfD fordert Nachbesserungen von der Bundesregierung und zugleich ein eigenes sächsisches Haushaltsgeld.

Linke spricht von Notsituation

Auch die Linke sieht hier Handlungsbedarf: Sie verlangt, dass der Landtag ein Sondervermögen im Umfang von bis zu drei Milliarden Euro einrichtet, aus der Freistaat umfassende Hilfen bezahlen kann. "Die Staatsregierung schielt auf den Bund, der nicht handelt. Der Ministerpräsident klagt zwar laut, bleibt aber untätig. Wir fordern, dass der Freistaat Sachsen seine Möglichkeiten nutzt und direkte Hilfen für Haushalte mit geringen und mittleren Einkommen, kleine und mittelständische Unternehmen sowie Handwerksbetriebe, Krankenhäuser und Pflegeinrichtungen sowie die Kommunen ermöglicht", sagte Linken-Fraktionsvorsitzender Rico Gebhardt. Man befinde sich in einer Notsituation, denn die Preisexplosion bedrohe akut die wirtschaftliche Existenz vieler Menschen und Firmen im Land.

Die Staatsregierung schielt auf den Bund, der nicht handelt. Der Ministerpräsident klagt zwar laut, bleibt aber untätig. Wir fordern, dass der Freistaat Sachsen seine Möglichkeiten nutzt [...].

Rico Gebhardt Fraktionschef der sächsischen Linken

Enttäuschung bei kommunalen Spitzenverbänden

Enttäuscht reagierten auch der Sächsische Städte- und Gemeindetag (SSG) und der Sächsische Landkreistag (SLKT) auf den Ausgang der Konferenz des Bundeskanzlers mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder. Auch hier hatte man sich Konkretes erhofft. Bert Wendsche, Oberbürgermeister der Stadt Radebeul und Präsident des SSG, drängt auf "zügige Entscheidungen, um den Menschen die Angst zu nehmen, dass sie ihre Energierechnungen nicht mehr bezahlen können, um zu verhindern, dass die Wirtschaft in eine tiefe Rezession rutscht" und auch die Kommunen zu ermutigen, dass sie die Daseinsvorsorge auch im folgenden Jahr bewältigen können. Es reiche einfach nicht, in der Vorwoche einen ‚Doppel-Wumms‘ anzukündigen, um in der Folgewoche alle Beteiligten im Nebel stehen zu lassen.

Es bedarf einer schnellen und klaren Entscheidung zum Energiepreisdeckel, sonst verlieren wir die Unternehmen, die Arbeitsplätze und Wertschöpfung.

Henry Graichen Präsident des Sächsischen Landkreistags

Henry Graichen, Landrat des Landkreises Leipzig und Präsident des SLKT, verwies auf bereits erfolgte Produktionseinschränkungen in der Industrie wegen hoher Energiepreise. Diese bedeuteten ein erhebliches Risiko für die gesamte Wirtschaft und die Beschäftigten. "Hier bedarf es einer schnellen und klaren Entscheidung zum Energiepreisdeckel, sonst verlieren wir die Unternehmen, die Arbeitsplätze und Wertschöpfung!"

Weitere Gespräche zwischen Bund und Ländern

Am Dienstag war das Treffen zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und den Ministerpräsidenten der Länder in Berlin ohne konkrete Ergebnisse zu Ende gegangen. Bis zuletzt eingigte sich die Runde nicht über die Kostenverteilung bei den geplanten Entlastungen. Offen bleiben damit vorerst die Ausgestaltung der Strom- und Gaspreisbremse, eine Nachfolgelösung für das 9-Euro-Ticket und die Verbesserung des Wohngeldes.

Die Gespräche zwischen Bund und Ländern sollen in den kommenden Wochen weitergehen. Kanzler Scholz versicherte, es werde sowohl eine Strompreisbremse, als auch einen Gaspreisdeckel geben. Für drei Entlastungspakete würden insgesamt 295 Milliarden Euro eingeplant. Davon werde der Bund bis zu 250 Milliarden übernehmen.

MDR (ama)/dpa

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 05. Oktober 2022 | 06:00 Uhr

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