Klaus Heckemann, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung in Sachsen, steht in seinem Garten.
Nach 20 Jahren und unmstrittenen Äußerungen zur Eugenik verliert Klaus Heckemann seinen Job als KV-Vorsitzender in Sachsen. Für den hatte er zuletzt eine Grundvergütung von 297.000 Euro im Jahr bekommen. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Robert Michael

Wegen Eugenik-Aussagen Vertrauen erschüttert: Sachsens Kassenärzte wählen Chef Heckemann ab

04. September 2024, 21:32 Uhr

Der Begriff "Eugenik" steht für die Lehre der vermeintlich guten Erbanlagen. Die Nationalsozialisten verübten unter dem Deckmantel der "Eugenik" geschätzt 300.000 Morde an behinderten Menschen zum Zweck der vermeintlichen "Erb- und Rassenhygiene". Der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung in Sachsen, Klaus Heckemann, hat mit Äußerungen von einer "humanen Eugenik" eine Welle der Empörung verursacht. Nun haben ihn die Kassenärzte in Sachsen ab sofort des Amtes entbunden.

Sachsens Kassenärzte haben ihren Vorstandsvorsitzenden Dr. Klaus Heckemann des Amtes enthoben. Das teilte die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen am Mittwochabend mit. Das Vertrauensverhältnis sei nachhaltig gestört und man fühle sich nicht mehr entsprechend der Verantwortung des Amtes vertreten, lautete die Begründung. In einer Sondersitzung befassten sich die Arzt-Vertreter mit umstrittenen Äußerungen Heckemanns zur Eugenetik, die er in einem Editorial geschrieben hatte. Der Text hatte bundesweit Entsetzen und Widerspruch ausgelöst.

Das Vertrauen zwischen Selbstverwaltung und Vorstand wurde erneut schwer erschüttert.

Stefan Windau Vorsitzender der Vertreterversammlung

Der KV-Chef hatte sich in einem offiziellen Text zur Humangenetik geäußert und darin von "Eugenik" in "ihrem besten und humansten Sinn" gesprochen. Er beschrieb eine "Zukunftsvision", bei der Kosten für die Suche nach Mutationen im genetischen Material drastisch optimiert wären. Dann sei denkbar, dass "allen Frauen mit Kinderwunsch eine komplette Mutationssuche" nach allen bekannten vererbbaren, schweren Erkrankungen angeboten werde. Mittels künstlicher Befruchtung und Präimplantationsdiagnostik könnte so die Geburt eines schwerstkranken Kindes ausgeschlossen werden.

KV: "Vertrauen erneut schwer erschüttert"

In der Sondersitzung hätten die KV-Vertreter die Debatte ausführlich diskutiert, hieß es. Man habe auch Heckemann "zu Wort kommen" lassen. Dann sei aus der Mitgliedschaft heraus ein Antrag auf Amtsentbindung gestellt worden. "Von den 37 anwesenden Teilnehmern stimmten 28 für den Antrag. Damit ist Dr. Klaus Heckemann mit sofortiger Wirkung von seinem Amt entbunden", teilte der Vorsitzende der Vertreterversammlung, Dr. med. Stefan Windau, mit. "Die KV Sachsen hat in den vergangenen Tagen bundesweit breit angelegte Kritik auf sich gezogen, die der Hauptausschuss ebenso wie viele KVS-Mitglieder teilen. Das Vertrauen zwischen Selbstverwaltung und Vorstand wurde erneut schwer erschüttert."

Besonders pikant: Der Hauptausschuss der KV Sachsen sagte, Heckemann sei vor Veröffentlichung seines Beitrags von mehreren Seiten, auch aus den maßgeblichen Gremien heraus, gewarnt worden. "Die schlussendliche Entscheidung dazu liegt jedoch in der Verantwortung des Vorstandsvorsitzenden." Das Gremium distanziere sich nachdrücklich von dieser Publizierung.

Heckemanns Sprachwahl und Meinungen in Editorials im KVS-Mitteilungsblatt waren mehrfach in der Kritik. 2022 musste sich der KVS-Chef für seine Äußerungen öffentlich entschuldigen.

Es handelt sich um eine persönliche Meinung und entspricht nicht der der KV Sachsen.

Hauptausschuss der Kassenärztlichen Versammlung Sachsen

Resolution der Ärztevertreter

Zudem verabschiedeten die Vertreterversammlung am Mittwoch einstimmig eine Resolution. Darin heißt es: "Im Bewusstsein, dass wir in unserem Land eine besondere historische Verantwortung haben, treten wir Rassismus, Diskriminierung und einer Verharmlosung der Verbrechen des Nationalsozialismus entschieden entgegen." Bis zur Wahl eines Nachfolgers oder einer Nachfolgerin wird die KV Sachsen von der stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden Dr. med. Sylvia Krug geführt.

Ärzte und Hochschulmediziner hielten Heckemann für untragbar

Sachsens Landesärztekammer hatte sich nach Bekanntwerden des Artikels von Heckemann klar positioniert: Heckemann wecke mit seinen Äußerungen "automatisch Erinnerungen an die deutsche Vergangenheit", teilte die Ärztekammer mit. Dies sei "mit dem ärztlichen Ethos unvereinbar". Es gebe "das Recht eines jeden auf Leben und körperliche Unversehrtheit". Mit seinen Äußerungen habe Heckemann eine Grenze überschritten.

Der Sächsische Hausärztinnen- und Hausärzteverband hielt einen Rücktritt Heckemanns für unvermeidlich. Auch die Dresdner Hochschulmedizin hatte den KVS-Chef in einem offenen Brief an Sozialministerin Petra Köpping (SPD) für dessen Äußerungen scharf kritisiert. Das Uniklinikum und die medizinische Fakultät der TU Dresden werfen Heckemann vor, er baue "unabhängig von den ethisch abstoßenden Äußerungen (...) seine Visionen zur Nutzung der gendiagnostischen Möglichkeiten auf inhaltlich zum Teil grotesk falschen Annahmen auf." Die Mediziner, darunter mehrere Hochschulprofessoren, hielten Heckemann für nicht mehr tragbar.

Auch die Deutsche Gesellschaft für Humangenetik schloss sich mehreren Rücktrittsforderungen an. Dessen Aussagen seien "fachlich falsch sowie aus gesundheitspolitischer und ethischer Sicht unhaltbar."

Sozialministerium: Heckemann wird Verantwortung nicht gerecht

Sachsens Sozialministerin Köpping distanzierte sich ebenfalls von den Aussagen Heckemanns und schloss sich der Kritik der Verbände an. "Aus meiner Sicht werden die Einlassungen seiner Funktion und Verantwortung als Vorstandsvorsitzender der KVS nicht gerecht." Und weiter: "Die Vielzahl entsetzter Reaktionen zeigen, dass diese Aussagen der KVS und damit auch den dort organisierten Ärztinnen und Ärzten schaden." Das Sozialministerium hat zwar die Aufsicht über die KVS, den Vorsitzenden wählt aber die oben im Text genannte Vertreterversammlung.

MDR (kk/kbe)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 04. September 2024 | 22:00 Uhr

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