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In Deutschland ist der Anteil körperlicher Angriffe auf die Presse doppelt so hoch wie im europäischen Durchschnitt. Ein Drittel aller bundesweiten Angriffe gibt es in Sachsen, 73 Prozent davon aus dem rechten Spektrum.

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Europäisches Zentrum für Presse- und Medienfreiheit Studie: Viele Angriffe auf Journalisten in Sachsen

20. Dezember 2023, 13:10 Uhr

Eine Studie des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit in Leipzig untersucht die Zahl der Angriffe auf Journalisten bei Demonstrationen. Dabei zeigt sich: In Sachsen gibt es nicht nur viele Demonstrationen, sondern auch viele Angriffe auf Journalisten, vor allem bei Demos aus dem rechten Spektrum.

In Sachsen gibt es besonders viele physische Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten. Das zeigt die Studie "Feindbild Journalist:in" des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) in Leipzig. Der Politikwissenschaftler Patrick Peltz vom ECPMF sagte MDR KULTUR, man habe seit 2015 in Sachsen 104 Attacken registriert. Das entspreche etwa einem Drittel aller bundesweiten Angriffe. In Thüringen seien es 19 physische Angriffe gewesen, in Sachsen-Anhalt 12. "Angriffe auf Journalisten sind in der gesamten Bundesrepublik ein Problem. Dennoch sticht die Zahl in Sachsen natürlich heraus", sagte Peltz.

Viele rechtsextreme Demonstrationen in Sachsen

Peltz erklärte, die hohe Zahl lasse sich unter anderem mit dem hohen Demonstrationsaufkommen in Sachsen erklären. So hätten von Januar bis August 2023 zwei Drittel aller rechtsextremen Demonstrationen in Deutschland in Sachsen stattgefunden. "Außerdem wissen wir aus der "Feindbild"-Studie, dass die meisten körperlichen Angriffe aus dem rechten Spektrum erfolgen", so der Politikwissenschaftler.

Der Anteil habe im Jahr 2022 bundesweit bei rund 46 Prozent gelegen. Sieben Prozent der Fälle habe man dem linken Spektrum zugeordnet. Ebenfalls knapp die Hälfte der Fälle habe man nicht eindeutig zuordnen können – "ein großer Teil davon entfällt auf das ideologisch heterogene Umfeld der sogenannten Anti-Corona-Proteste", so Peltz.

Medien Safety Point steht auf Schildern an Polizeiwagen, neben denen Polizisten stehen.
Angriffe auf Journalisten kommen bei Demonstrationen immer wieder vor – besonders häufig in Sachsen. Bildrechte: IMAGO / Arnulf Hettrich

Am Europäischen Zentrum für Presse- und Medienfreiheit in Leipzig blicke man mit Sorge auf die Kommunal- und Landtagswahlen 2024 in Sachsen, aber auch in Sachsen-Anhalt und Thüringen. "Die Politiker der rechtsextremistischen AfD-Landesverbände und Teile des Wählermilieus agieren kontinuierlich gegen die freie Presse. Und aus vielen Vorfällen wissen wir, dass es nicht nur bei Worten bleibt", erläuterte Peltz. Der jüngste Fall eines Journalisten, der bei einer AfD-Veranstaltung in Thüringen zunächst geschlagen wurde und anschließend Schrauben in seinen Autoreifen vorfand, illustriere das sehr drastisch.

Lokaljournalisten besonderer Bedrohung ausgesetzt

Lokaljournalisten sind bei ihrer Arbeit aus Sicht des ECPMF besonders bedroht. "Sie werden häufig öffentlich markiert durch Personen, die bei Demonstrationen und anderen Veranstaltungen auftreten. Das führt dazu, dass sie von Menschen vor Ort erkannt und häufig in ihrer Berichterstattung eingeschränkt werden." Zum anderen lebten sie in Regionen, in denen viele Menschen voneinander wüssten, wo sie wohnten. "Das birgt auch die Gefahr, dass sie zu Hause bedroht werden oder beispielsweise das Auto bekannt ist", so Peltz. Aus Gesprächen mit Betroffenen, aber auch aus Studien wisse man, dass das Folgen habe: "Journalisten ziehen sich teilweise zurück oder berichten anders", erklärte Peltz bei MDR KULTUR.

Alarmierende Zahlen zur Pressefreiheit in Europa 2023

Das ECPMF beobachtet die Presse- und Medienfreiheit nicht nur in Deutschland, sondern europaweit. Kurz vor Ende des Jahres sei das Monitoring noch nicht komplett abgeschlossen, betonte Peltz. "Die vorläufigen Zahlen sind jedoch alarmierend." Während 2022 in Europa 871 Verstöße registriert worden seien, seien es 2023 bisher 1.004 – ein Anstieg von rund 13 Prozent. Zugenommen hätten Fälle, die unter Zensurmaßnahmen fallen sowie Einschränkungen im Bereich juristischer Vorkommnisse, etwa strategische Zivilklagen gegen Journalisten, einschränkende Gesetze oder gar Überwachung.

Eine abwehrende Hand wird einem Kameramann entgegengestreckt.
Auf Demonstrationen werden Journalisten häufig an ihrer Arbeit gehindert. Bildrechte: IMAGO / ZUMA Wire

Quelle: MDR KULTUR, redaktionelle Bearbeitung: vp, hki

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR am Morgen | 20. Dezember 2023 | 07:10 Uhr

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