Junge schalfend im Bett mit Fieberthermometer.
Durch Streptokokken-Bakterien gibt es derzeit viele Erkrankungen bei Kindern, Ärzte beklagen Engpässe bei der Antibiotika-Versorgung. (Symbolbild) Bildrechte: Colourbox.de

Interview Leipziger Mediziner: Gehäuft bakterielle Infektionen bei Kindern

05. Mai 2023, 12:40 Uhr

Bei Kindern und jungen Erwachsenen treten gehäuft schwere bakterielle Infektionen auf. Auslöser sind Streptokokken-Bakterien. Zur Behandlung ist ein Antibiotikum nötig und hier zeigen sich wieder Lieferkettenprobleme. MDR SACHSEN hat mit dem Direktor der Kinderklinik am Leipziger Uniklinikum, Wieland Kieß, über die Situation gesprochen.

Herr Kieß, Sie beobachten aktuell viele bakterielle Infektionen bei Kindern. A-Streptokokken sind vermehrt im Umlauf. Das sind die Bakterien, die auch Scharlach auslösen.

Wieland Kieß: Ja, wir stellen fest, dass in den vergangenen vier Monaten durch Streptokokken hervorgerufene Infektionen bei Kindern, aber auch bei jungen Erwachsenen deutlich zugenommen haben. Das ist nicht nur deutschlandweit so, sondern im europäischen Ausland und auch in Australien und den USA.

Sind das die Nachwirkungen der Corona-Lockdowns?

Es liegt auch an Corona. Während der Lockdowns, also als sich auch die Kinder weniger getroffen haben, gab es weniger Virusinfektionen in der Bevölkerung. Das holen die Kinder jetzt nach. Infolge solcher Virusinfektionen kommt es unter anderem auch zu bakteriellen Infektionen. Das ist nicht neu, aber es häuft sich.

Und woran liegt es noch?

Wir haben immer noch zu viele ungezielte Antibiotika-Verordnungen in Deutschland. Viele Infektionen, gerade bei Kindern, sind schlicht und weg nur Virusinfektionen. Die sollte man eben nicht mit Antibiotika behandeln, weil sonst Keime, die wir jetzt sehen, resistent werden und Antibiotika nicht mehr helfen.

Prof. Dr. Wieland Kiess
Prof. Wieland Kieß leitet die Kinderklinik an der Uniklinik in Leipzig. Bildrechte: Stefan Straube/ukl

Was hilft bei Scharlach?

Das richtige Medikament gegen Streptokokken ist nach wie vor das gute alte Antibiotikum Penicillin. Das wirkt sehr gut. Im Moment habe wir allerdings das Problem, dass in manchen Apotheken Penicillin-Saft gar nicht verfügbar ist. Das ist ein Thema, wo wir uns wirklich alle schleunigst darauf besinnen müssen, dass Arzneimittel wieder in Deutschland hergestellt werden, damit keine Lieferketten abbrechen können. 

Allerdings bereiten Ihnen die Scharlachfälle weniger Sorgen.

Ja. A-Streptokokken lösen nicht nur Scharlach aus, sondern eine ganze Reihe anderer Erkrankungen. Sie können zu Lungenentzündungen, Infektionen der Nieren führen, können Mittelohrentzündungen auslösen bis hin zu Mastoiditis. Scharlach-Fälle mit hohem Fieber und Erbrechen hatten wir bei uns hier in der Klinik weniger. Die anderen durch Streptokokken hervorgerufenen Infektionen, die sind allerdings zehnfach häufiger als in den Vorjahren.

Was ist eine Mastoiditis?

Das ist eine Komplikation der Mittelohrentzündung und zwar eine schwere Infektion durch Streptokokken in den luftgefüllten Knochenräumen um das Ohr herum. Daraus kann sich eine Knochenvereiterung bis hin zum Hirnabszess entwickeln, was dann operiert werden muss.

Wie kann man sich vor einer Ansteckung mit Streptokokken schützen?

Frische Luft und gesunde Ernährung helfen. Kinder mit Streptokokkeninfektion sollten bis sie gesund sind, also das Fieber weg ist und sie mit Antibiotika behandelt worden sind, zu Hause bleiben. Also fünf Tage lang sollten sie mindestens nicht in die Kita oder Schule gehen. Die Ansteckung geschieht über Tröpfcheninfektion. Ansonsten kann man sich nicht dagegen impfen. Es wird aber daran gearbeitet.

MDR (ama)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 05. Mai 2023 | 06:00 Uhr

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