Menschen in einem Gerichtssaal 2 min
Im Video: So startete der Mordprozess fast 20 Jahre nach der Tat in Schöten im Weimarer Land. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Prozess-Auftakt Ehemann soll Mörder beauftragt haben: Wie Ermittler den Verdächtigen auf die Spur kamen

19. Dezember 2023, 07:00 Uhr

Am Landgericht Erfurt hat am Montag ein Prozess gegen vier Männer begonnen, die am Mord an einer 35-jährigen Frau vor knapp 20 Jahren beteiligt gewesen sein sollen. Der Fall war nach ergebnisloser Ermittlung eigentlich schon zu den Akten gelegt worden, doch dann erhob die Staatsanwaltschaft dennoch Anklage.

MDR-Autorin Antje Kirsten
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Im Januar 2004 wird in dem kleinen Ort Schöten bei Apolda eine junge Frau mit mehreren Schüssen getötet. Die 35-jährige Speditionskauffrau war früh gegen 3:45 Uhr auf dem Weg zur Arbeit. Von ihrem Grundstück musste sie durch eine enge Gasse und dort beim Abbiegen auf die Hauptstraße kurz stoppen. Das war der Moment, auf den der Killer gewartet haben musste. Mit sieben Schüssen in Kopf und Bauch wurde die Frau getötet.

Soko "Käfer" sicherte Dutzende Spuren, befragt 500 Personen

Für die Ermittler war schnell klar: Das war eine Hinrichtung. Die teilweise 30-köpfige Soko "Käfer" sicherte Dutzende Spuren, befragte im Laufe der Jahre 500 Personen. Dennoch musste der rätselhafte Mordfall 2006 als ungelöst zu den Akten gelegt werden.

Der entscheidende Tipp kam laut Oberstaatsanwalt Rainer Kästner-Hengst Jahre später aus dem Gefängnis. Ein Insasse wollte zunächst Zeuge vom Hören-Sagen sein. "Inzwischen vertritt er die Auffassung, gar nichts gesehen und gehört zu haben. Er sagt, er habe in einem Haftraum einen Zettel mit entsprechenden Hinweisen gefunden", sagt Kästner-Hengst.

Wir haben jahrelang intensiv ermittelt. Zunächst waren verdeckte Ermittler im Einsatz, dann haben wir Peilsender, Kameras eingesetzt. Es gab eine Telefonüberwachung. Das Ganze war enorm teuer.

Rainer Kästner-Hengst Oberstaatsanwalt

Angeklagte gerieten schnell ins Visier der Ermittler

Ins Visier der Ermittler waren die Angeklagten schnell geraten. Nur fehlten die Beweise. "Wir haben aufwendig jahrelang intensiv ermittelt. Zunächst waren verdeckte Ermittler im Einsatz, dann haben wir Peilsender, Kameras eingesetzt. Es gab eine Telefonüberwachung. Das Ganze war enorm teuer", so Kästner-Hengst.

Angeklagt hat der Oberstaatsanwalt nun Mord aus Habgier. Der damalige Ehemann der 35-Jährigen soll den Mörder angeheuert haben. Ein weiterer Mann soll Schmiere gestanden und ein Dritter das Fluchtauto gefahren haben. Für den Mord soll der Ehemann 30.000 Euro in Aussicht gestellt haben. Außerdem soll er einem der Männer 2.000 Euro Schulden aus Drogengeschäften erlassen haben.

"Die Täter hatten also finanzielle Motive. Sie sind bezahlt worden. Das ist die These. Ob sie sich im Verfahren bestätigt, wird man sehen", sagt der Oberstaatsanwalt. Als Motiv gilt das Scheidungsverfahren, in dem sich der damalige Ehemann damals am Amtsgericht Apolda mit seiner Frau stritt. Aus Sorge, dabei viel Geld zu verlieren, soll er den Mord in Auftrag gegeben haben.

Angeklagte wollen sich vor Gericht nicht äußern

Die vier Angeklagten sitzen seit dem Frühjahr in Untersuchungshaft. Über ihre Verteidiger ließen sie am Montag jeweils mitteilen, sich nicht zur Sache äußern zu wollen. "Mein Mandant wird sich schweigend verteidigen", sagte die Anwältin des Hauptangeklagten.

Die Männer sind zwischen 43, 46 und 61 Jahre alt. Laut Oberstaatsanwalt droht dem Anstifter das gleiche Strafmaß wie den Tätern. Da unterscheide das Gesetz nicht. Für Mord sieht das Gesetz eine lebenslange Freiheitsstrafe vor.

Knapp 20 Jahre nach der Tat schweigen die mutmaßlichen Täter, und ihre Anwälte brachten am Montag die Verteidigungsstrategie mit einem Wort auf den Punkt: unschuldig. Anwalt Juri Goldstein sagte MDR THÜRINGEN: "Alle acht Verteidiger werden im Verfahren ein Ziel haben. Wir wollen beweisen, dass unsere Mandanten unschuldig sind. Wir gehen davon aus, dass die Beweisaufnahme nicht die Schuld der Angeklagten bestätigen wird."

Mordprozess mit mehr als 30 Verhandlungsterminen geplant

Für das Mammutverfahren sind schon jetzt über 30 Termine angesetzt. Der Prozess stößt auf großes Interesse. Zum Auftakt fanden nicht alle Zuschauer Platz im Gerichtssaal. Der erste Prozesstag war aber bereits nach wenigen Minuten zu Ende. Es war nur die Anklage verlesen worden. Danach berieten sich die Anwälte noch mit ihren Mandanten. Bevor der mutmaßliche Mörder in Handschellen wieder abgeführt wurde - alle anderen drei Angeklagten kamen ohne Handschellen -, gab es von einer Zuschauerin noch einen innigen und langen Kuss.

Der Nebenklagevertreter bat die Journalisten um Verständnis: Auch er will nichts sagen und hofft wohl nur, nach fast 20 Jahren in diesem Prozess endlich die Wahrheit zu erfahren. Warum wurde 2004 die junge blonde und von allen als äußerst attraktiv beschriebene Frau kaltblütig hingerichtet?

Die 35-Jährige hatte sich bereits von ihrem Ehemann getrennt, wohnte mit ihrem Scheidungsanwalt zusammen und starb nach sieben Schüssen aus einer neun Millimeter Beretta-Pistole.

MDR (kir/dr)

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Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 18. Dezember 2023 | 18:10 Uhr

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