Fotografien René Burris "Die Deutschen" in Erfurt: Eine Reise durch die ost- und westdeutsche Identität

19. November 2023, 12:18 Uhr

In der aktuellen Debatte um ost- und westdeutsche Identität und Geschichte zeigt die Kunsthalle Erfurt derzeit René Burris "Die Deutschen". Rund 200 Fotos der Werkserie wurden ausgewählt und werden teils erstmals öffentlich präsentiert. Der Blick ins Nachbarland hat den Schweizer "Magnum"-Fotografen fast ein Leben lang begleitet. Nach Erfurt soll die Ausstellung in weiteren Museen in Deutschland und Frankreich gezeigt werden.

Zahlreiche historische Schlüsselmomente des 20. Jahrhunderts hat der Schweizer "Magnum"-Fotograf René Burri (1933–2014) mit seiner Kamera festgehalten. Doch sein unbefangener Blick auf das damals frisch geteilte Deutschland und seine fotografische Bestandsaufnahme der Nachkriegszeit wurden hierzulande zunächst eher unterkühlt aufgenommen. "Es gibt diesen überlieferten Spruch aus der FAZ: 'So hässlich sind wir gar nicht!'", erzählt der Schweizer Kurator der Erfurter Ausstellung Daniel Blochwitz. "Das hat eine Weile gebraucht, bis man in Deutschland die Qualität und die Tiefe dieser Arbeit gesehen hat."

Wer sind die Deutschen?

Die Idee der Ausstellung begann gewissermaßen vor acht Jahren, als Daniel Blochwitz die Wohnung René Burris kurz nach seinem Tod besuchen konnte. Die Witwe Clotilde Burri "hat mir dort das ganze Konvolut der 'Deutschen' gezeigt, das ich bisher auch nicht kannte. Da fasste ich dann relativ schnell den Entschluss: Das muss nochmal richtig aufgearbeitet und gezeigt werden."

Rund 200 Fotografien Burris werden auf drei Etagen der Kunsthalle Erfurt gezeigt. Das Gros der Bilder entstand kurz vor und nach dem Mauerbau. Doch Burri hat die Serie noch bis in die 90er-Jahre hinein erweitert. Als Schweizer mit einer deutschen Mutter wollte er sich diesem Land nähern, das er in seiner Kindheit zunächst als bedrohlichen Nachbarn kennengelernt hatte.

Unveröffentlichte Bilder aus Thüringen

Dabei unterscheiden sich DDR und BRD manchmal auf den ersten Blick gar nicht so sehr, wie der Gang durch die Ausstellung zeigt. Manchmal muss man zweimal hinsehen, um zu erkennen, wo ein Bild aufgenommen wurde. René Burri habe mit den Erwartungen der Leute gespielt, glaubt Blochwitz: "Er hat ja dann auch mit den Verlegern zusammen die Bildauswahl gemischt und das Eine neben das Andere gestellt."

Das haben wir versucht in der Ausstellung mit aufzugreifen: dass Erwartungen immer wieder untergraben werden und dass das Eine dem Anderen ziemlich ähnlich ist.

Daniel Blochwitz, Kurator der Erfurter Ausstellung

Für die Ausstellung in der Kunsthalle Erfurt hat der Schweizer Kurator tief im Archiv der Familie Burri gegraben, einige Fotografien der Serie sind deshalb auch erstmals öffentlich zu sehen. Darunter auch Motive aus Thüringen. Neben bekannten Weimar-Bildern zeigt die Ausstellung Fototapeten mit Kontaktbögen einzelner Filme sowie Fotos aus Erfurt. "Wir haben schon beim Aufbau davon gesprochen, dass es ja vielleicht möglich sein könnte, dass sich ein Besucher oder eine Besucherin meldet und sagt: Das ist doch mein Vater, meine Mutter oder das bin ich! Also wir sind gespannt, ob so etwas passiert", hofft die Erfurter Kuratorin Susanne Knorr.

Bilder, die Geschichte einfangen

Eine Auswahl aus der Serie "Die Deutschen" wurde zuletzt 1998 in Deutschland gezeigt. Nun sei es spannend, 75 Jahre Nachkriegs- und über 30 Jahre Nachwendezeit mit der Gegenwart abzugleichen, findet Daniel Blochwitz. Es sei ein Thema, das "gerade in der heutigen Zeit wieder für uns ganz wichtig geworden ist," sagt auch Susanne Knorr. Gerade im Hinblick auf aktuelle Publikationen, die eben dieses Thema der Deutschen – Ost und West – beleuchten. "Und hier mit diesem vermeintlich 'neutralen' Blick eines Schweizers, das war ein Thema, wo wir gesagt haben: Ja, funktioniert!"

Mehr Informationen zur Ausstellung "René Burri: In Deutschland"
bis zum 11. Februar 2024

Kunsthalle Erfurt
Fischmarkt 7
99084 Erfurt

Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag von 11 bis 18 Uhr, am Donnerstag von 11 bis 22 Uhr

Geschlossen am 24. und 31. Dezember, am 25. Dezember und am 1. Januar von 13 bis 18 Uhr geöffnet, am 26. Dezember von 11 bis 18 Uhr geöffnet

An jedem 1. Dienstag im Monat ist der Eintritt frei.

Nach dem 11. Februar soll die Ausstellung in weiteren Museen in Deutschland und Frankreich Station machen.

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 19. November 2023 | 09:40 Uhr

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