Schnuppertage Goldkehlchen für den Weltmeisterchor gesucht

25. Januar 2023, 20:47 Uhr

Nach einer Flaute in der Corona-Zeit hofft das Musikgymnasium Rutheneum in Gera auf steigende Bewerberzahlen. In dieser Woche konnten interessierte Achtklässler zwei Tage reinschnuppern: Gesang und Bühnenpräsenz, aber auch Musiktheorie und -geschichte standen auf dem Plan.

Noch ein bisschen schüchtern singen einige "Schnupperkinder" beim Musiktheorie-Workshop mit - kräftig unterstützt von Elftklässlern aus der Musik-Spezialklasse. Erst "You've got a friend", später einen 500 Jahre alten Choral auf Latein. Lehrer Benjamin Stielau fragt die Sänger, was ihnen besser gefallen hat. Die Jüngeren bevorzugen eindeutig den Popsong, die Älteren das klassische Stück. "Na, ich frage in zwei Jahren nochmal", sagt Stielau mit einem Augenzwinkern. Er ist begeistert von den jungen Interessenten: "Wir haben viel geschafft in der kurzen Zeit. Das lässt hoffen." Auf die Frage, ob er Talente erkannt hat, nickt Stielau: "Die Gabe, Musik zu machen, das merkt man innerhalb von Sekunden, ob das geht oder nicht geht."

Wichtig ist der Spaß am Musikmachen.

Benjamin Stielau Lehrer am Geraer Musikgymnasium

Spaß an der Musik ist Voraussetzung

Zum zweiten Mal bietet das Rutheneum die Workshop-Tage an, um Interessierte von der Musikspezialklasse zu überzeugen. 18 Jugendliche haben sich angemeldet, 20 bis 25 Plätze kann die Schule anbieten. Sechs Workshops an zwei Tagen standen auf dem Programm: Musiktheorie und -geschichte, aber auch Gesang und Bühnenpräsenz wurden geübt. "Wichtig ist der Spaß am Musikmachen", betonen sowohl Lehrer Stielau - früher selbst Schüler am Geraer Musikgymnasium - und die Leiterin der Spezialklassen Elke Arnold. Die Bewerber sollten gern singen und nach Möglichkeit ein Instrument spielen. "Das ist aber keine Voraussetzung", betont Arnold. Die Jugendlichen sollen einfach Freude am Musikmachen haben. Besonders viel Wert wird in Gera - anders als am Musikgymnasium in Weimar - auf den Chorgesang gelegt. Immerhin räumt der Konzertchor regelmäßig national und international Preise ab und gewann 2015 in der New Yorker Carnegie-Hall sogar die inoffizielle Chor-Weltmeisterschaft.

Wir hatten zwischenzeitlich Angst, unsere Klassen nicht vollzukriegen.

Elke Arnold Leiterin der Musikspezialklassen

Trotz der Erfolge hatten die Geraer vor allem in der Corona-Zeit Probleme. "Wir hatten zwischenzeitlich Angst, unsere Klassen nicht vollzukriegen", erzählt Arnold. Gerade mal je etwa 15 Neuntklässler fingen 2020 und 2021 an. Auf Dauer zu wenig für den Konzertchor, der aus den Musikschülern besteht. Im vergangenen Jahr war die Musikklasse mit 20 Jugendlichen wieder gut besetzt. Dennoch hofft Arnold auf zahlreiche Bewerber. Bei der Qualität mache man keine Abstriche. "Unser Chor hat viele Wettbewerbe gewonnen. Wir wollen ein gewisses Niveau halten", betont die Leiterin der Spezialklassen.

Mühsamer Kampf um fähige Bewerber an Spezialschulen

Das Rutheneum Gera ringt aber nicht als einzige Spezialschule in Thüringen um Bewerber. Zwar stabilisieren sich nach dem Rückgang in der Corona-Zeit aktuell wieder die Bewerberzahlen - das hat eine Umfrage von MDR THÜRINGEN unter den neun Spezialschulen für Musik, Sport, Sprachen und Naturwissenschaften ergeben - dennoch gibt es fast überall mehr oder minder große Sorgen.

So hofft auch der Leiter des Weimarer Musikgymnasiums auf steigende Bewerberzahlen für die Eignungsprüfung im März. "2022 hatten wir etwa 40 Bewerber zum Vorspielen eingeladen, vor Corona waren es um die 60", sagt Gerold Herzog. "Viele junge Leute stellen sich die Frage, ob Musik ihnen eine tragfähige Zukunft bietet. Denken wir nur mal an das eingeschränkte Angebot in der Corona-Zeit", sagt der Weimarer Musikschulleiter.

Der Schulleiter der Goetheschule Ilmenau hofft dagegen, im kommenden Schuljahr statt einer sogar zwei Spezialklassen für Mathematik und Naturwissenschaften eröffnen zu können. Robby Krämer sagte MDR THÜRINGEN, er erwarte nach dem erfolgreichen Tag der offenen Tür Mitte Januar deutlich mehr Bewerber, als es Plätze gibt. Die Spezialgymnasien in Jena und Erfurt verzeichnen dagegen noch immer weniger Bewerber als vor der Pandemie. Die Spezialklassen werden dennoch nicht mit Schülern aufgefüllt, die den deutlich höheren Anforderungen nicht gerecht werden. Das würde die Jugendlichen überfordern und das wolle niemand, sind sich die Verantwortlichen einig.

An den Thüringer Sportgymnasien in Jena, Erfurt und Oberhof sind die Bewerberzahlen nach Angaben der Schulleiter weitgehend stabil. Dort werden die Schüler jedoch von den jeweiligen Landesverbänden und Landestrainern für einen Besuch an der Sportschule vorgeschlagen. Das Erfurter Sportgymnasium hofft sogar, künftig wieder mit drei fünften Klassen ins Schuljahr zu starten.

Workshop-Tage überzeugen Jugendliche

Die interessierten Jugendlichen in Gera sind von den Workshop-Tagen begeistert. "Ich habe Spaß am Singen und will unbedingt Klavier lernen. Gut finde ich auch das zusätzliche 13. Jahr der Musikspezialklassen - die haben im Schnitt meist ein besseres Abi als die normalen Klassen", erzählt Magnus. Celine spielt Flöte, seit sie vier Jahre alt ist. Und hat an den beiden Schnuppertagen entdeckt, dass sie auch das Chorsingen mag. "Musik ist Teil meines Lebens", sagt sie und wird sich wohl für die Spezialklasse bewerben. Auch ihre Banknachbarin hofft sehnsüchtig darauf, dass sie angenommen wird.

Interessierte können sich noch bis zum 20. Februar bewerben. Und vielleicht stehen auch Celine und Magnus bald als Teil des preisgekrönten Geraer Konzertchors auf den Bühnen dieser Welt. An der ersten großen Konzertreise nach den mageren Corona-Jahren wird im Rutheneum aktuell schon wieder geplant: Im Herbst soll es auf Konzertreise in den Westen der USA gehen.

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MDR (cfr)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 25. Januar 2023 | 19:00 Uhr

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