Neues Schuljahr Hunderte Schulplätze in Thüringen müssen verlost werden
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17. August 2023, 16:40 Uhr
Nicht jeder Schulanfänger oder Wechsler in die fünfte Klasse kommt auch auf seine Wunsch-Schule. Oftmals ist kein Platz mehr. Betroffen sind vor allem die Städte. Als letztes Mittel müssen Plätze dann verlost werden.
In manchen Thüringer Schulen wird es im kommenden Schuljahr eng. Wie Anfragen von MDR THÜRINGEN an die fünf Thüringer Schulämter ergaben, werden auf breiter Front Klassen vergrößert, um mehr Schüler unterbringen zu können. Das macht die Vergabe von Schulplätzen mitunter schwierig.
In Erfurt sind etwa 2.000 Schüler vom Übergang in die fünfte Klasse betroffen. Damit sei in vielen Fällen auch der Wechsel der Schule verbunden, sagt Schulamtsleiter Ralph Leipold, verantwortlich für den Bezirk Mittelthüringen.
Gerade in Erfurt seien Räume knapp. "Etwa 120 Schüler hingen deswegen lange in der Luft." Inzwischen seien alle untergebracht. Für die Gesamtschule "Friedrich Schiller" habe es beispielsweise 108 Anmeldungen gegeben - für 44 freie Plätze.
Das sagt das Thüringer Schulgesetz
Wenn der Bedarf die Kapazität in diesem Maß überschreitet, greift Paragraf 15a des Thüringer Schulgesetzes "Auswahlverfahren an allgemein bildenden Schulen". Darin ist festgehalten, wie die Schulen vorgehen, wenn die Plätze nicht reichen. Zunächst geht es nach der Wohnortnähe. Wer am nächsten an der Schule wohnt, genießt ein Vorrecht.
Dann wird berücksichtigt, ob Geschwister die Schule schon besuchen. Das gilt an Grundschulen - ab der fünften Klasse zählen aber erst die Geschwister und dann der Schulweg. Dann kommt noch hinzu, ob ein bestimmtes Fremdsprachangebot zählt. Auch pädagogische Konzepte können eine Rolle spielen.
Das Los als letzte Lösung
Letztlich wird geschaut, ob der Zweitwunsch für eine bestimmte Schule möglich ist. Wenn nach all diesen Kriterien immer noch Schüler ohne Schulplatz sind, wird gelost. Von den etwa 2.000 Plätzen in der fünften Klasse in Erfurt habe man etwa 160 Mal losen müssen. Weitere Fälle gebe es in den ersten Klassen. "Da sind gerade in Erfurt schon zehn Schulen betroffen", sagt der Schulamtsleiter. In Weimar sind es vier, in Sömmerda und Apolda jeweils eine.
Von Apolda müssen derzeit sogar Schüler nach Kranichfeld pendeln - zum Missfallen des Schulamts. "Da ist derzeit auch keine Lösung in Sicht", sagt Leipold. Den Transport besser zu organisieren wäre Sache des Schulträgers - und das ist der Kreis Weimarer Land. "Da kümmert sich der Kreis einfach nicht", so Leipold.
Auch in Gotha sind drei Grundschulen und vier weiterführende Schulen betroffen, eine weitere in Arnstadt ebenfalls. Das Ostthüringer Schulamt vermeldet ebenfalls Fälle mit Verlosungen, ohne allerdings konkrete Schulen oder Orte zu nennen. Von mehreren Ämtern ist allerdings zu erfahren, dass das Problem eher die Städte betreffe.
Neue oder größere Klassen gebildet
Teilweise wurden wegen steigender Schülerzahlen auch neue Klassen gebildet oder bestehende Klassen aufgestockt. Das gibt zum Beispiel das Schulamt Südthüringen als Lösung an. Sei die Aufnahmekapazität einer Schule erschöpft, erfolge die Zuweisung an eine andere Schule, wenn der Schulweg abgesichert ist.
In Nordthüringen gebe es durch Zuzüge aus anderen Regionen sowie Kinder mit Migrationshintergrund "eine gewisse Zahl offener Fälle", schreibt das Schulamt Nordthüringen in Worbis. Hier wurden zum Beispiel im Kyffhäuserkreis an einem Standort außerhalb der Schulen sechs Räume speziell für Sprachklassen angemietet. Die offenen Fälle würden aber permanent abgearbeitet.
Manche Eltern nicht einverstanden
Der stellvertretende Leiter des Schulamts Ostthüringen, Henry Fischer, sagte, es gebe dann auch Probleme mit Eltern, die nicht immer einverstanden seien. "Das ist manchmal schwierig für uns."
Verantwortlich für die Lage ist einerseits, dass es für Geflüchtete aus der Ukraine keine Wohnortbindung gibt. "Es zieht die Menschen dann eher in die Städte", sagt der Mittelthüringer Schulamtsleiter Leipold. In Erfurt komme deutlich erschwerend hinzu, dass die Stadt seit Jahren hinter den Ausbauvorhaben ihres eigenen Schulnetzplans zurückhänge.
"Da soll seit Jahren an mehreren Standorten ausgebaut und erweitert werden, aber da passiert zu wenig", sagt Leipold. Man könne in vielen Gebäuden die Klassen nicht größer als 24 oder 26 Schüler werden lassen, weil es die Größe der Räume gar nicht zulasse.
Was der Bildungsminister Helmut Holter (Linke) zu fehlenden Lehrern sagt, trifft auch auf die Schulplätze zu: Grundsätzlich nimmt die Zahl der Schüler eher ab, aber wie viele Menschen als Geflüchtete ins Land kommen, so wie 2022, das ist schwer vorherzusehen.
MDR (gir/sar)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 17. August 2023 | 19:00 Uhr
goffman am 18.08.2023
Ich glaube, wir reden aneinander vorbei.
Ein Beispiel:
A --12--B-----3----------
A und B sind die Schulen, 1,2 und 3 sind die Kinder, die Striche sind die Abstände. Alle drei Kinder wollen auf Schule B, diese hat aber nur Platz für zwei Kinder. Kind 3 kommt aufgrund der oben benannten Auswahlkriterien definitiv auf Schule B, da keine andere Schule in vertretbarer Nähe existiert, für Kind 1 und 2 sind die Wege zu den Schulen A und B in etwa gleich weit, sie haben keine Geschwister und auch inhaltlich vom Schulprofil her kann keine Präferenz definiert werden, zwischen ihnen wird also gelost und eins muss eben halt auf Schule A.
Der Ausgangspunkt der Diskussion war, dass ein Kind, das neben einer Schule wohnt, aufgrund des Loses einen unverhältnismäßig weiteren Weg in eine andere Stadt auf sich nehmen müsse. Dem ist nicht so.
Milo am 18.08.2023
@goffman:
Die Wege zu den Schulen sind doch ohnehin schon oft sehr weit - gerade im ländlichen Raum. Es macht also schon einen Unterschied, ob ich zur nächsten Grundschule fahren muss oder ggf. in eine andere Gemeinde - selbst wenn es "nur" die Kinder trifft, die dann am nächsten an der anderen Schule wohnen.
Und es gibt ja auch auch die Möglichkeit, dass die umliegenden Schulen eben keine Plätze haben - wer dann Pech beim Losen hat muss ggf. noch viel weiter fahren.
goffman am 18.08.2023
Das Abitur ist nicht nur für Studenten sinnvoll. Die Anforderungen der modernen Arbeitswelt steigen.
Mich stört es nicht, wenn mein Tischler Abitur hat, CNC-Kenntnisse sind oftmals Standard und Buchhaltung und Vertrieb digital.
Und die Zahlen zu Studienabbrechern in Thüringen habe ich leider nicht gefunden. Haben Sie dafür eine Quelle? Und auch dafür, dass die Anforderungen an das Abitur gesunken sind?
Ich habe nur gefunden, dass der Anteil an akademischen Abschlüssen zugenommen hat, was prinzipiell gegen Ihre Behauptung spricht und in der heutigen Zeit wünschenswert ist.