MINT-Studiengänge Frauen an der TU Ilmenau: Anteil wächst langsam, aber stetig

08. März 2023, 18:58 Uhr

Frauen sind in den naturwissenschaftlich-technischen Studiengängen der Hochschulen und Universitäten nach wie vor unterrepräsentiert. An der TU Ilmenau ist seit 2000 der Anteil der Studentinnen von etwa zehn auf 20 Prozent gestiegen. MDR Thüringen hat mit der Gleichstellungsbeauftragten der TU Ilmenau über Hürden gesprochen, vor denen Frauen und Mädchen nach wie vor stehen.

Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik (MINT) gelten immer noch häufig als "typisch männlich". In einer Umfrage der Internationalen Hochschule mit Sitz in Erfurt waren 70 Prozent der befragten Schülerinnen an MINT-Themen interessiert. Gut 80 Prozent gaben an, dass sie generell an einem Studium interessiert seien. 40 Prozent der Mädchen fühlten sich jedoch mit diesen Themen überfordert.

Dabei gaben sie mehrheitlich an, dass sie im Freundes- und Familienkreis keine Frauen kennen, die in MINT-Berufen arbeiten. Die Einschätzung der eigenen Fähigkeiten, wie der Unterricht in den Schulen gestaltet wird und mögliche finanzielle Hürden während des Studiums wurden als Gründe für das fehlende Interesse angegeben.

Rollenvorbilder sind wichtig

Doch nicht nur für die Studien- oder Berufswahl können Rollenvorbilder entscheidend sein, sondern auch in der Uni selbst: "Das macht durchaus einen Unterschied. Ich merke, dass es schon eine Wirkung erzielt, wenn ich vor ihnen stehe und kein Professor mit weißen Haaren", sagt Katja Tonisch von der TU Ilmenau.

Sie unterrichtet Physik und ist Gleichstellungsbeauftragte an der Universität. Sind Wissenschaftlerinnen in der Lehre präsent, könnten sich Frauen eher damit auseinandersetzen, ob sie auch nach dem Abschluss in der Forschung tätig sein wollen.

Das macht durchaus einen Unterschied. Ich merke, dass es schon eine Wirkung erzielt, wenn ich vor ihnen stehe und kein Professor mit weißen Haaren.

Katja Tonisch Physikerin und Gleichstellungsbeauftragte an der TU Ilmenau

Um die Anzahl der Studentinnen zu erhöhen, führte die TU Ilmenau im Bereich der Mathematik den Schwerpunkt Wirtschaftsmathematik in einem Masterstudiengang ein. Ergebnis: Der Frauenanteil liegt bei fast 40 Prozent. Denn Frauen würden sich deutlich häufiger für fächerübergreifende Studiengänge entscheiden, erklärt Tonisch.

Anteil der Frauen an der Technischen Universität Ilmenau An der TU Ilmenau haben im Wintersemester 2022/23 insgesamt 4.752 Menschen studiert. Darunter sind 1.381 Frauen, davon sind 122 Promotionsstudentinnen. Im Bereich der Geisteswissenschaften liegt der Frauenanteil bei 60 Prozent, in den Ingenieurswissenschaften bei etwa 20 Prozent. Die Frauenanteile weisen die Studiengänge Medienwirtschaft, Angewandte Medien- und Kommunikationswissenschaft oder auch Biomedizinische Technik sowie Miniaturisierte Biotechnologie auf. Beim wissenschaftlichen Personal liegt der Anteil bei 25 Prozent.

Wettbewerb unter Hochschulen

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sind die meisten Lehrstühle in Deutschland nach wie vor von Männern besetzt. Am niedrigsten ist der Frauenanteil in den Ingenieurwissenschaften. An der TU Ilmenau sind zehn von etwa 100 Professuren weiblich besetzt. Im Bereich Mathematik, Natur- und Ingenieurwissenschaften sind es fünf von etwa 80.

"Das ist zu wenig. Das ist ganz klar und wir sind auch aufgefordert, das zu ändern", sagt Tonisch - und das strebe die Uni auch an. Mit gezielter Werbung und transparenten Berufungsverfahren zum Beispiel. Auf der anderen Seite würden gerade alle Universitäten ihren Frauenanteil erhöhen wollen. Der Konkurrenzdruck sei deswegen groß.

Prekäres Beschäftigungsverhältnis

Aus Tonischs Sicht ist die größte Hürde, warum sich Frauen gegen eine wissenschaftliche Karriere entscheiden, das prekäre Beschäftigungsverhältnis an den Universitäten: "Man hangelt sich von einem befristeten Vertrag zum nächsten."

Die Phase zwischen Studienabschluss und Professur könne etwa zehn bis 15 Jahre andauern. Internationale Konferenzen besuchen, im Ausland tätig sein, ständiges Arbeiten und Publikationen schreiben - das sei in dieser Zeit alles gefordert. Zudem müsse um die wenigen festen Stellen und Professuren gekämpft werden.

Die lange Phase der Unsicherheit ist aber genau der Lebensabschnitt, in dem eine Familie gegründet wird. Häufig seien es immer noch die Frauen, die sich dann einen sichereren Weg suchen würden. "Das heißt, dass Frauen dann eher zum Beispiel ins Wissenschaftsmanagement ausweichen oder in die Lehre", sagt Tonisch.

In anderen Ländern läuft es besser

In Deutschland sind, mit Ausnahme der Professorinnen und Professoren, über drei Viertel des hauptberuflichen Personals an den Hochschulen befristet angestellt. In Frankreich, England oder in den USA sieht das anders aus. "An der Stelle nimmt Deutschland tatsächlich eine Sonderstellung ein und insofern denke ich schon, dass man das ändern kann und muss", findet Tonisch.

Lage in Thüringen

Um Mädchen für MINT-Fächer zu begeistern und sie bei der Studienwahl zu unterstützen, gibt es in Thüringen eine Reihe von Angeboten. So organisiert die Thüringer Koordinierungsstelle Naturwissenschaft und Technik zum Beispiel jährlich eine Sommeruniversität, die Campus-Thüringen-Tour oder schickt MINT-Botschafterinnen an Schulen.

Hochschulen familiengerecht gestalten und Stipendien für Studentinnen und Doktorandinnen - auf vielen Wegen wird versucht, die bestehenden Hürden zu senken und mehr Frauen und Mädchen in die MINT-Fächer zu holen. Der Anteil an Frauen in den naturwissenschaftlich-technischen Studiengängen ist dabei auch abhängig von der jeweiligen Ausrichtung der Hochschule.

Während der Anteil an der TU oder der Hochschule Schmalkalden geringer ausfällt, sieht es beispielsweise an der Bauhaus-Universität Weimar anders aus. Dort studierten im letzten Wintersemester an der Fakultät Bauingenieurwesen 36 Prozent Frauen. Von 221 sind 63 Promovierende.

Der Anteil unter den wissenschaftlichen Mitarbeitenden an der Fakultät ist mit 32 Prozent recht hoch. Allerdings gibt es nur eine weibliche Professorin, von insgesamt 23. Durch sogenannte Tenure-Track-Professuren, die die Karriere planbarer und somit attraktiver zu machen, soll sich das aber ändern.

An der Fachhochschule Erfurt steigt der Frauenanteil seit 2010. Im letzten Jahr haben in den MINT-Fächern knapp ein Drittel Frauen studiert. Mit etwa 60 Prozent war die Studienrichtung Landschaftsarchitektur besonders stark vertreten.

An der Dualen Hochschule Gera-Eisenach in Gera liegt der Frauen-Anteil im Bereich Ingenieurwissenschaften, Elektrotechnik und Informatik bei elf Prozent. Zwei von insgesamt 21 Professuren sind weiblich besetzt. Dabei stehe die Hochschule auch vor dem Problem, dass in der Regel keine Bewerbungen von Frauen eingehen würden.

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MDR (gh)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 08. März 2023 | 07:00 Uhr

5 Kommentare

Erichs Rache am 10.03.2023

@Gucker

"Es ist völlig realitätsfern, in MINT-Fächern unbedingt einen Frauenanteil xyz erreichen zu wollen."

Sehe ich AUCH so!

Im Unterschied zu Ihnen finde ich es aber ERSTREBENSWERT, wenn Frauen WENIGSTENS die GLEICHEN CHANCEN (sic) bekommen, um in MINT-Fächern zu studieren!

Ich kann mich an dieser Stelle daher nur wiederholen:
Schauen Sie sich mal den Film: "Hidden Figures – Unerkannte Heldinnen" an

OHNE Frauen flögen die Amerikaner vielleicht auf den dreckigen Boden, aber garantiert nicht ins Weltall


MDR "Kommentar Kampf um Frauenrechte: Alles muss man alleine machen"

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/landespolitik/frauentag-gleichstellung-frauen-feminismus-kommentar-100.html

Gucker am 09.03.2023

Es ist völlig realitätsfern, in MINT-Fächern unbedingt einen Frauenanteil xyz erreichen zu wollen. Die Interessen und Talente sind immer unterschiedlich. Und ganz platt: Bei der Müllabfuhr will auch keiner eine 50% Frauenquote. oder der Bundeswehr ... Polizei ... Und es wird sich niemals ändern, dass es eindeutig mehr Kindergärtnerinnen als Kindergärtner gibt. Die Leute sollen studieren, was ihnen liegt und ggf. Spaß macht. Quotenregelungen bei Studienplätzen haben schon in der DDR nicht funktioniert.
Ach ja, der Plural von Student/Studentin lautet die Studenten. Studierende sind etwas ganz anders. Wenn ich beispielsweise die Speisekarte im Restaurant durchgehe, dann bin ich ein Studierender :) Auch ist ein Mitarbeitender im weitesten Sinne nur ein Helfer - die Mitarbeiter (Plural) stellen wiederum eine genau abgrenzbare Gruppe mit festem Status innerhalb eines Unternehmens dar.

Kopfschuettler am 09.03.2023

Das Streben nach der Parität, dort wo ein Männerüberschuss besteht, ist einfach nur nervig. Warum nur muss alles gleich gesetzt werden, wo doch an anderen Stellen die Vielfalt gepriesen wird?
Wenn im öffentlichen Dienst 70 Prozent Frauen arbeiten, regt sich doch auch keiner auf.
Die Dachdeckerinnung muss bestimmt Dachdecker:inneninnung heißen noch bevor die 50 Prozent Frauenquote auf den Dächern erreicht ist.
Wo man hinsieht nur noch Ideologie.

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