Historische Leitung Quellwasser für das Welterbe Wartburg
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03. September 2023, 13:12 Uhr
Schöne Lage, schwierige Lage: Wenn eine Burg oben auf einem Felsen thront, dann hat das auch Nachteile. Die Wasserversorgung ist in der Regel sehr aufwändig. Für die Wartburg bei Eisenach wurde dieses Problem Ende des 19. Jahrhunderts vergleichsweise elegant gelöst: Eine etwa 28 Kilometer Leitung befördert seither Quellwasser aus dem Thüringer Wald hinauf zur Burg - und das ganz ohne Pumpen, allein durch den Höhenunterschied. Das spart bis heute Kosten, hat aber auch einige Tücken.
- Die Wartburg hat einen echten Wassermeister, der sich um die Wasserleitungen kümmert.
- Das Trinkwasser auf der Wartburg kommt seit dem 19. Jahrhundert aus mehreren Quellen.
- Doch der Klimawandel macht dem Wassermeister zu schaffen, denn Trinkwasser wird auf der Burg gebraucht.
Als die Wartburg im 19. Jahrhundert eine Art Renaissance erlebte und in Teilen neu aufgebaut wurde, galt es auch, eine moderne Lösung für die Wasserversorgung zu finden. Es gab verschiedene Ideen, berichtet Steffen Lieder, der heutige Wassermeister der Burg.
So wurde überlegt, Wasser vom Dorf Thal aus hoch zur Burg zu pumpen. Das wäre zu der damaligen Zeit technisch schon machbar gewesen, weil der Höhenunterschied nicht so groß war wie zur Stadt Eisenach. Doch setzte sich ein anderer Vorschlag durch: Eine Leitung von mehreren Quellen bei Ruhla, die mit rund 28 Kilometern zwar deutlich länger war, aber den natürlichen Höhenunterschied von fast 200 Metern nutzte und deshalb ganz ohne Pumpen auskam.
Alte Karten als Arbeitsgrundlage
Wie genau das geplant und gebaut wurde, kann Steffen Lieder anhand der alten Karten in Plakatgröße zeigen. Kopien davon liegen auf dem Tisch in seiner Werkstatt. Arbeitskarten, sagt er, die sie auch in den Wald mitnehmen, wenn es etwas zu finden oder zu reparieren gilt.
Außer um die Leitung zu erhalten, haben wir keine Nebenkosten - beispielsweise für Pumpen.
Schnitte von einzelnen Bauwerken, der Verlauf der gusseisernen Leitung mit Entfernungen und Höhenangaben, alles ganz exakt. Lediglich drei der insgesamt 23 durchnummerierten Karten fehlen. Die damalige Entscheidung für die Leitung war weitsichtig, sagt Lieder: "Das war sehr schlau. Außer um die Leitung zu erhalten, haben wir keine Nebenkosten - beispielsweise für Pumpen." Strom braucht es lediglich, um ab und zu Filter zu reinigen.
Vom "Bären" zum Bergfried
Beim "Bären" kommt das Wasser in die Burg. Der schmale Raum im Südende des Palas wird so genannt, weil sich dort einst ein Bärengehege befunden haben soll. Lieder öffnet zwei schwere Holztüren im Boden. Darunter verborgen die wichtigsten Wasserleitungen: die ankommende, die weitergeführt wird durch den mittelalterlichen Palas in den höchsten Turm, den Bergfried.
Eine zweite, in der das Wasser zurückkommt und dann, vom "Bären" aus, in das Rohrnetz der Burg verteilt wird. Vorher wird es in einer UV-Anlage bestrahlt, um Keime abzutöten. Vom Rohwasser zum Trinkwasser ist es bereits auf dem Weg zur Burg aufbereitet worden. Das Wasser durchläuft Filter, um das überschüssige Eisensulfat zu binden. Es wäre sonst zu sauer.
Wasserreservoir im höchsten Turm
Und warum der Weg über den Turm? Das hat zwei Gründe, erklärt Lieder und folgt der Leitung vom "Bären" in den Bergfried. Die schmale Wendeltreppe läuft der Wassermeister täglich hoch. Er hört schon unten: Das Rauschen klingt gut, alles in Ordnung.
Nach etwa 80 Stufen ist das Ziel erreicht. Ein zylinderförmiger eiserner Behälter füllt den Turm fast vollständig aus. Er fasst 30 Kubikmeter und ist mit einer Plane überspannt. Zum einen dient der Behälter als Speicher, zum anderen aber auch als eine Art Puffer.
Das Wasser kommt wegen des großen Höhenunterschieds mit hohem Druck durch die Leitung in die Burg gerauscht. Der Behälter unterbricht den Druck, gibt das Wasser kontrolliert wieder ab. Was zu viel ist, fließt durch einen Überlauf aus dem Turm in den Wald.
Drei Quellen bei Ruhla versorgen die Wartburg
Vom Wasserreservoir sind es nur wenige Stufen zum schönsten Rundumblick, den die Wartburg zu bieten hat. Steffen Lieder deutet vom Bergfried über den Thüringer Wald Richtung Süd-Südost. "Da hinten, noch hinter dem Alexanderturm, liegen die Quellen", zeigt er.
Drei sind es insgesamt, die das Wasser für die Burg liefern. Die Meininger Quelle, die Stollenquelle und die Granitquellen fließen zunächst in zwei, dann in einer Leitung Richtung Wartburg. Die höchste Quelle liegt auf über 600 Metern Höhe.
Havarien durch Rohrbrüche
Der Wassermeister ist aber nicht nur auf der Wartburg unterwegs, sondern auch im Wald entlang der 28 Kilometer langen Leitung. "Da ändert sich ständig etwas", sagt er. "Der Wald ändert sich ständig, immer wieder fahren sie was kaputt, es fällt etwas um."
Sobald der Druck sinkt - es anders rauscht im Turm - ist klar: Es gibt eine Havarie, und die Ursache, meist ein Rohrbruch, muss möglichst schnell gefunden werden. "Wenn vom Sammelbehälter am Hohen Bruch kein Wasser mehr reinkommt, dann haben wir maximal fünf Tage Zeit", sagt Steffen Lieder.
Den Fehler möglichst schnell finden
Besonders schwierig ist es, wenn das Wasser nicht an der Oberfläche austritt, sondern im Boden versickert. Aber mittlerweile wurden alle Schieber wieder in Gang gesetzt und sogenannte Anbohrschellen eingebaut, um den Rohrbruch möglichst schnell zu finden.
Dabei helfen auch moderne Technik und Messgeräte. Und natürlich die jahrelange Erfahrung: Steffen Lieder ist bereits seit 1997 Wassermeister der Wartburg und von Haus aus Gas- und Wasserinstallateur.
Wenn vom Sammelbehälter am Hohen Bruch kein Wasser mehr reinkommt, dann haben wir maximal fünf Tage Zeit.
Eisen setzt sich in der Leitung ab
Seit Jahren wird auch an der Leitung gebaut. Denn das Wasser enthält zwar wenig Kalk und Chlor, aber dafür sehr viel Eisensulfat. Das reagiert mit dem Sauerstoff, den die gusseiserne Leitung auf Dauer durchlässt und setzt sich ab, erklärt Lieder. In seiner Werkstatt kann er das an einem Stück Leitung zeigen.
In der Vergangenheit wurden einige Teilstücke schon durch PE-Rohre ersetzt. Aber mittlerweile gehen sie anders vor, sagt Lieder, denn die Wasserleitung ist seit dem vergangenen Jahr technisches Denkmal: "Deshalb fräsen wir das nur noch Stück für Stück aus und die Leitung bleibt, wie sie ist. Gut für die nächsten 100 Jahre!" Erst in der vergangenen Woche haben sie weitere 700 Meter Leitung fertiggestellt, insgesamt ist ein Drittel der Gesamtstrecke geschafft.
Klimawandel spürbar
Zu dem, was sich im Wald ändert, gehört auch der Klimawandel - und der macht Steffen Lieder Sorgen. Die Wassermengen aus den Wartburg-Quellen werden bereits seit Jahrzehnten gemessen, erzählt er. "Wenn ich so die Entwicklung sehe, was vor allen Dingen im Sommer 2018 los war bei uns – da war es eng."
Bisher ist die Wartburg in seiner Amtszeit nie trockengelaufen. Damit das auch in Zukunft nicht passiert, will der Wassermeister ein weiteres Quellgebiet der Wartburg, das schon um 1900 erschlossen wurde, ertüchtigen und ans Netz bringen. Für diesen zusätzlichen Puffer für die Versorgung hofft er auf grünes Licht von den zuständigen Behörden.
Wasser wird gebraucht und geschätzt
Denn das Wasser wird auf der Burg und im benachbarten Hotel gebraucht. Künftig sollen acht Kubikmeter am Tag an den Betreiber des geplanten Gasthauses auf der Hohen Sonne gehen. Der Standort wurde immer schon über die Wartburg-Wasserleitung versorgt.
Der Großteil wird als Brauchwasser genutzt, vor allem für die Toiletten. Aber das gute Quellwasser aus dem Thüringer Wald wird wegen der geringen Härte auch als Tafelwasser geschätzt. Im Café und im Hotel wird es in Karaffen ausgeschenkt.
Höchstverbrauch zum Weihnachtsmarkt
Der Verbrauch schwankt stark mit den Besuchern. Am höchsten ist er, sagt Lieder, beim Wartburg-Weihnachtsmarkt, an Ostern und Pfingsten. Dann wird innerhalb von fünf Stunden so viel Wasser verbraucht wie in ruhigeren Zeiten an fünf Tagen. Der Wassermeister bleibt gelassen: "Hat immer gereicht, wird auch in Zukunft reichen. Hoffe ich."
MDR (ask)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 03. September 2023 | 18:00 Uhr