Der Redakteur | 19.10.2022 Wie neue Stromspeicher bei der Energiewende helfen

20. Oktober 2022, 18:00 Uhr

In Eisenach ist ein neuer Stromspeicher eingerichtet worden. Einer der größten in Europa. Er soll helfen, das Stromnetz stabil zu halten. Was es damit auf sich hat, hat Thomas Becker recherchiert.

Thomas Becker
Bildrechte: MDR/Christoph Falkenhahn

"Wartburg", so heißt einer der größten Batteriespeicher für Strom in Europa. Er steht bei Eisenach, ist erst seit einigen Tagen am Netz und bislang etwas unter dem Radar geflogen. Das liegt auch daran, dass das Unternehmen Smart Power, das den Speicher gebaut hat und betreibt, noch recht jung ist. Aber das Speicher-Thema segelt ohnehin ein wenig im Windschatten der Diskussion um grüne Energieerzeugung.

Was kann der neue Wartburg?

Mehr Leistung als dieser "Wartburg" hatte noch keiner. 60 Megawatt sind es, so viel wie 1.621 "Wartburg 353" zusammen. Der Strom reicht theoretisch einen Tag lang für 11.000 Zwei-Personen-Haushalte. Aber er ist trotzdem nicht dafür gebaut, eine windstille dunkle Nacht zu überbrücken. Er soll vielmehr helfen, das Stromnetz stabil zu halten und ist dabei schneller von null auf 100 als jeder "Wartburg" vor ihm. Ein Batteriespeicher kann extrem schnell reagieren, sagte der Projektleiter bei Smart Power, Matthias Obermeyer.

Ein Batteriespeicher kann extrem schnell reagieren. Wir könnten innerhalb von 200 Millisekunden unsere 60 Megawatt liefern.

Matthias Obermeyer, Projektleiter bei Smart Power

Diese "Beschleunigung" schafft kein Gaskraftwerk, nicht einmal ein Pumpspeicherwerk. Goldisthal benötigt vom Stillstand auf volle Leistung (1.060 Megawatt) etwa 100 Sekunden, ein Gasturbinenkraftwerk mehrere Minuten. Das waren bisher wichtige Regelungselemente, wenngleich natürlich klar ist, dass ein Pumpspeicherwerk im Gegensatz zum Gaskraftwerk keinen Strom liefert, sondern nur zwischenspeichert.

Das Thema Netzregelung rückt aber mit dem Ausbau erneuerbarer Energien verstärkt in den Fokus. Dabei gelten die Gesetze der Physik: Es muss immer ziemlich genau so viel Strom produziert werden, wie abgenommen wird. Deswegen braucht man kurzfristig manchmal jemanden, der wahlweise Strom kurzfristig abnimmt oder ausliefert. Diese kurzfristig benötigte Energie sei jedoch sehr teuer, so der Sprecher der Thüringer Energienetze (TEN), Martin Schreiber.

Diese kurzfristig benötigte Energie ist sehr teuer.

Martin Schreiber, Sprecher Thüringer Energienetze (TEN)

Der neue "Wartburg" hängt an einem der sieben Thüringer Übergangspunkte der Teag-Tochter TEN ins große europäische Netz. Und er bekommt noch zwei kleine "Brüder", wie Benjamin Dausch sagt, Sprecher von Smart Power. "In Eisfeld entsteht ein zwölf Megawatt-Speicher und in Hildburghausen einer mit 12,6 Megawatt."

Physisch sind das wahlweise Container, wie wir sie von den Schiffen kennen, oder Gebäude aus Beton ähnlich einer Werkhalle. Darin verborgen: viel Technik und - vereinfacht ausgedrückt - Batterien. Die Hallen stehen aber nicht alleine in der Landschaft, sondern zum Beispiel an einem Umspannwerk und fallen dort deshalb weniger auf.

Was bedeutet das für unser Landschaftsbild?

Dass wir auch künftig Energie brauchen, dürfte klar sein. Bisher haben wir dafür die Landschaft umgegraben (Stichwort Braunkohle), Bergkuppen weggesprengt (Stichwort Pumpspeicherwerk), die Luft verpestet (Stichwort Kohle- und Gaskraftwerke) oder den nächsten Generationen Müll beschert (Stichwort Atomstrom). Alle zusammen haben aber gut harmoniert.

Nun schalten wir die sehr zentral gelegenen und ebenso mächtigen wie trägen Anlagen ab und ersetzen diese durch viele kleinere, dezentrale, die - um ein Bild zu zeichnen - im Wind flattern wie die Äste an einem Baum. Diese müssen nun harmoniert werden vom Dirigenten und das geschieht auch mit Hilfe solcher Regel-Speicher.

In der öffentlichen Diskussion wird immer nur über den Ausbau erneuerbaren Energie gesprochen, aber nicht über Speicher.

Benjamin Dausch, Sprecher von Smart Power

Neben diesen Regelanlagen brauchen wir künftig aber auch stationäre Akkus, die längere "Dunkelphasen" überbrücken können. "In der öffentlichen Diskussion wird immer nur über den Ausbau erneuerbaren Energie gesprochen, aber nicht über Speicher", so Smart Power-Sprecher Benjamin Dausch.

Pumpspeicherwerke können das - neben ihrer Regelungsaufgabe - schon in einem gewissen Rahmen. Die größten Thüringer Pumpspeicherwerke Goldisthal, Bleiloch und Hohenwarte I und II können von jetzt auf gleich bis zu 12,6 Gigawattstunden Strom zur Verfügung stellen. Das produzieren unsere drei letzten Atomkraftwerke in acht Stunden. Es ist also möglich, relevante Mengen zu speichern, um die "Dunkelphasen" zu überstehen. Übers ganze Jahr 2021 gerechnet kamen bei den drei Meilern 34.000 Gigawattstunden zusammen.

Das Oberbecken des Pumpspeicherwerks Hohenwarte II
Oberbecken des Pumpspeicherwerks Hohenwarte II: Die vier größten Thüringer Pumpspeicherwerke Goldisthal, Bleiloch und Hohenwarte I und II können von jetzt auf gleich bis zu 12,6 Gigawattstunden Strom zur Verfügung stellen. Bildrechte: MDR/Loréne Gensel

Zum Vergleich: Unsere Windräder schafften 2021 das Dreifache. Weil aber unsere Atomkraftwerke 2021 nur noch zwölf Prozent unseres Stroms bereitstellten, ist auch klar: So wichtig unsere Pumpspeicherwerke für die Europäische Netzstabilität auch künftig sein werden, neue Pumpspeicherwerke in den benötigten Größenordnungen sind schlicht nicht umsetzbar. Speicherparks hingegen schon.   

Wie speichern wir nun zeitnah unseren Strom?

Wasserstoff wird uns hier nicht helfen können, selbst wenn der ganz sicher relevant werden wird für die Energiewende. Das stationäre Umwandeln von Strom in Wasserstoff und wieder zurück ist hingegen energetisch sehr verlustreich. Da ist es klüger, den Strom direkt zu speichern. Stichwort: Akku.

Um die 200 Jahre alt ist der Bleiakku nun schon und mindestens 50 Jahre davon hat sich entwicklungstechnisch nichts mehr groß getan. Die Erfindung tragbarer Unterhaltungsgeräte zwangen die Japaner dann aber doch, die Lithiumbatterie zur Serienreife zu führen. Diese ist aber nun auch in unseren Autos gelandet, obwohl wir wissen, dass die abbaubaren Ressourcen an Lithium und anderen kritischen Rohstoffen schon für unsere Mobilität nicht reichen werden, geschweige denn für den stationären weltweiten Massenbetrieb.

 Das verfügbare Lithium reicht vielleicht für eine bis eineinhalb Milliarden Fahrzeuge.

Prof. Dr. Michael Stelter, Fraunhofer IKTS in Arnstadt 

Als Alternative ist deshalb Natrium ins Visier geraten, kurioserweise hat die Autoindustrie im Zuge der Ölkrise schon einen großen Entwicklungssprung verantwortet, die Angelegenheit dann aber zu den Akten gelegt. Leider fällt der Kapazitätsvergleich Lithium-Akku zu Natrium-Akku heute um den Faktor 1,5 zu Ungunsten des Natriums aus. Deshalb ist Natrium wohl eher etwas für unsere stationären Speicher als zumindest gegenwärtig für Autos oder für Handys und genau so wird es auch kommen. Und das ziemlich sofort.

Die erste Produktionsstätte in Schwarze Pumpe in der Lausitz wird gerade gebaut und damit biegen auch die Thüringer Forscher und Entwickler vom Fraunhofer IKTS in Hermsdorf und Arnstadt auf die Zielgerade ab. Der große Vorteil ihrer Erfindung: Die Rohstoffe sind weltweit nicht limitiert und müssen auch nicht so kritisch gewonnen werden, wie eben unter anderem Lithium oder Kobalt.

Alles, was wir für die neuen Akkus brauchen, ist ausreichend verfügbar, sagt Prof. Stelter. Wir reden von Natrium, Nickel (oder Eisen) und Keramik und landen am Ende bei Preisen, die sich sehen lassen können.

Dafür haben wir in Hermsdorf und Arnstadt viele Jahre geforscht.

Prof. Dr. Michael Stelter, Fraunhofer IKTS in Arnstadt

Die Platz-Frage: Pumpspeicherwerk gegen Fußballplatz

Um ein Gefühl dafür zu entwickeln, was die neuen Natrium-Akkus können, schauen wir uns noch einmal ein Pumpspeicherwerk an. Über Goldisthal wurde 1965 das erste Mal nachgedacht, dann wurde geplant und gerodet und das Projekt wieder gestoppt. 1988 ging‘s weiter. 1993 startete das Planfeststellungsverfahren für den umstrittenen Bau. 2003 war die Eröffnung. Alleine die ersten Rodungen in den 1970er-Jahren kosteten zwei Quadratkilometer Wald = 200 Hektar = 200 Fußballfelder. Das Ganze als Natrium-Akkuspeicher ausgelegt, hätte nur sehr wenige Fußballfelder verbraucht und auch keine Berge umgestaltet. So könne ein kleineres Pumpspeicherkraftwerk durch Batteriecontainer auf einer Fläche von zwei Fußballfeldern ersetzt werden, sagte Michael Stelter vom Fraunhofer IKTS in Arnstadt.

Ein kleineres Pumpspeicherkraftwerk kann ich ersetzen durch Batteriecontainer auf einer Fläche von zwei Fußballfeldern. Damit kann ich einen mittleren Windpark für mehrere Stunden wegspeichern. 

Prof. Dr. Michael Stelter, Fraunhofer IKTS in Arnstadt

Mehr als ein paar Stunden Speicherdauer sind meistens auch gar nicht nötig. Sehr sinnvoll ist auch die Kombination von Speichern mit Solarparks, denn die Sonne geht planbarer auf als der Wind weht. Wolken reduzieren zwar den Ertrag, aber eine Grundlast bleibt, es kann weiter "geerntet" werden. Entsprechend lässt sich leicht ausrechnen, welche Kapazitäten die Batterien haben müssen für welche Solarkraftwerksgröße.

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Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 19. Oktober 2022 | 16:40 Uhr

21 Kommentare

Armin C. am 22.10.2022

@Eulenspiegel
Mag sein, dass ich nicht so ein Technik-Fuchs wie Sie und einige andere bin. Das will ich gar nicht bestreiten. Ihr Wissen und Ihre Sachkenntnis scheinen beachtlich zu sein (dies ist ernst gemeint!). Ebenso beim Autor des Artikels, der seine gesammelten umfangreichen Informationen hier präsentiert, und dies hier und da aufzulockern versucht, wie mit dem "Wartburg".
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Wie auch immer, eines von vielen ernsten und umfangreichen Themen, mit denen wir jetzt konfrontiert sind. Und um diesem Ernst und Umfang standhalten zu können, ist ab und zu mal Humor und auch Ironie nötig. (Ich hoffe, Sie haben diese erkannt, auch ohne extra Kennzeichnung?).
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Übrigens, kennen Sie Marika Rökk? Die hat mal gesungen:
"Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da..."
;-) ;-) ;-)

Eulenspiegel am 22.10.2022

Hallo Armin
Bei einem Stromspeicher der ausschließlich dazu da ist das Netz zu stabilisieren sind die 60 Megawatt in 200 Millisekunden sehr wichtig. Und im Prinzip werden dies 60 Megawatt ja auch nur so lange gebraucht bis die eigentlichen Energiespeicher betriebsbereit sind.
Aber ich habe den Eindruck das sie schon von diesen einfachen Zusammenhängen überfordert sind.

Eulenspiegel am 22.10.2022

Hallo Ralf
Ich zitiere sie:
"Legt man die im Artikel abgegebenen 2 Hektar für den Speicher und die von mir berechneten 651.000 Speicher zugrunde (auf Basis Nettostromverbrauch 2021), so kommt man auf einen Flächenverbrauch in etwa der Größe Thüringens."
Aber dies Speicher sind ja nur da um das Netz zu stabilisieren. Die eigentlichen Energiespeicher sind ja ganz wo anders. Zum Beispiel in Norwegen. Darum ist alles was sie schreiben nur Blödsinn.

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