Junge Bäume Die Suche nach der neuen Waldgeneration

28. Dezember 2022, 18:30 Uhr

Der Wald ist im Jahr 2022 weiter unter Druck geblieben. Die Schäden sind hoch, vor allem durch den Borkenkäfer. Aber wie sieht der stabile Wald der Zukunft aus - und wie gelingt es, ihn anzupflanzen?

Der Wald hat in Thüringen auch in diesem Jahr gelitten, vor allem unter der langen Trockenheit bis in den Herbst. In manchen Regionen sind Fichten mittlerweile fast ausgestorben. Zeit für einen Neuanfang: Fast zwei Millionen neue Bäume wurden im Freistaat 2022 gepflanzt. Mit einem Mix an Baumarten und Methoden sowie wissenschaftlicher Begleitung versuchen Forstleute herauszufinden, wie der Waldumbau für den Klimawandel gelingen kann.

Am Herrschaftsweg in der Nähe von Marksuhl im Wartburgkreis ist der Wald an manchen Stellen so, wie ihn Revierförster Uwe Simon gern häufiger hätte: Es gibt große und kleine Bäume, dicke und dünne, Nadel- und Laubholz. "Seit 30 Jahren wirtschaften wir so", erklärt er. "Keine Kahlschläge, sondern immer nur einzelne Bäume von der Fläche runternehmen. So schaffen wir Licht, dass sich die kleinen Bäume entwickeln können."

Förster: Es braucht nur Licht und Jagd

Die nächste Waldgeneration steht sozusagen schon untendrunter bereit. Naturverjüngung, das ist das Ideal: Die Bäume sorgen selbst für Nachwuchs, indem sie Samen verbreiten. Dazu brauche es eigentlich nur Licht und Jagd, sagt Forstamtsleiter Ansgar Pape. Und der Förster sorgt dann für die richtige Mischung der Baumarten.

Doch klappt das mit dem langsamen Generationswechsel nicht mehr wie gewünscht, weil sich seit 2018 alles beschleunigt hat: Viel schneller als befürchtet fallen die alten Bäume. In diesem Jahr ist die Schadholzmenge laut der Landesanstalt Thüringenforst ähnlich hoch wie im Vorjahr: etwa vier Millionen Festmeter (Waldschadensbericht 2022 als pdf-Download)

Das liegt in erster Linie am Borkenkäfer, und deshalb sind vor allem Regionen betroffen, wo noch viele Fichten standen, nämlich Süd- und Ostthüringen und die Höhenlagen des Thüringer Waldes. In Nord- und Westthüringen sind die meisten Fichten bereits abgestorben - so auch im Revier von Uwe Simon.

Aber wir dürfen uns nicht den Frust von den toten Bäumen holen, sondern müssen unseren Optimismus aus der neuen Waldgeneration schöpfen.

Ansgar Pape, Leiter des Forstamts Marksuhl

Wo einst dunkler Fichtenwald stand, muss jetzt wieder neuer Wald wachsen. Und dabei werden verschiedene Wege ausprobiert. Auf einer eingezäunten Fläche ein Stück weiter am Herrschaftsweg hat Uwe Simon vor fünf Jahren Weißtannen aussäen lassen. Der Samen ist so fein, dass er mit Sand vermischt wird. Alle zwei Meter wurde ein Schnapsglas davon in den Boden gebracht.

Das Ergebnis präsentiert Simon gern: kräftige Pflanzen, drei, vier auf einem Fleck, gerade mal 30 Zentimeter hoch. Die Weißtanne wachse langsam, erklärt Ingolf Profft vom Forstlichen Forschungs- und Kompetenzzentrum Gotha. Sie bildet zunächst eine Pfahlwurzel aus und geht erst später in die Höhe. Aber diese Wurzel sorgt dafür, dass der Baum in Stürmen stabiler steht und nicht so schnell in Trockenstress gerät.

Artentipps zum Klimawandel

Profft ist im Kompetenzzentrum von Thüringenforst für Klimafolgen, Waldbau und Versuchswesen zuständig. Schon lange vor den ersten Trockenjahren 2018/19 habe man den Klimawandel ernst genommen, sagt er, und versucht, 50 Jahre in die Zukunft zu schauen. Seit 2011 gibt es eine Baumartenempfehlung für die Thüringer Forstämter, je nach Region und Boden.

Jetzt schaut er sich im Revier Marksuhl an, wie sich die jungen Kulturen entwickeln - und ist zufrieden: "Die Weißtannen sind aus dem Gröbsten raus, solange der Zaun dicht bleibt. In Kombination mit Buche oder Eiche kann das hier ein fantastisches Waldbild werden." Noch aber brauchen die kleinen Bäume viel Pflege: Die schnell wuchernden Ranken von Brombeeren und Himbeeren müssen zweimal im Jahr weggeschnitten, der Zaun regelmäßig kontrolliert werden.

Traubeneichen trotzen der Trockenheit

Die nächste eingezäunte Fläche gefällt Revierförster Uwe Simon und Forstamtsleiter Ansgar Pape besonders gut: Auf einem Hektar Fläche wurden dort vor zwei Jahren 7.800 Traubeneichen gepflanzt. Er sei selbst überrascht, wie gut die Eiche hier stehe, sagt Simon. "Die Sommer haben nicht geschadet."

Zaun gegen hungriges Wild

Auch in den anderen Revieren des Forstamtes, stellt Pape fest, sehen die neu gepflanzten Eichen bisher am besten aus. Und: "Man sieht auch hier wieder, wie ein Zaun Wunder wirkt", sagt Pape. Ohne Wild haben sich auch andere Baumarten wie Kiefer, Lärche, Buche und Vogelbeere auf der Fläche angesiedelt. "Das wird ein schöner Mischwald werden."

Bis zu 80 Prozent Verlust nach dem Aufforsten

Im ganzen Land sind laut Thüringenforst in diesem Jahr knapp zwei Millionen junge Bäume gepflanzt worden, fast so viele wie im Rekordjahr 2021, als 2,1 Millionen Setzlinge in den Boden kamen. Das Wetter, vor allem die lange Trockenheit, hat es ihnen nicht leicht gemacht. Von Verlusten bis zu 80 Prozent berichtet die Landesanstalt. Auch Ingolf Profft spricht von "extrem ungünstigen Witterungsbedingungen" für die Aufforstung.

Trotzdem sei man mit der Wiederbewaldung ein ganzes Stück vorangekommen. Große Unterschiede gibt es auch im Forstamt Marksuhl. Insgesamt 200.000 Jungbäume wurden gepflanzt. "Wir haben wirklich tolle Anwuchserfolge bei einigen Flächen, bei anderen großen Ausfall", sagt Ansgar Pape. "Speziell das Nadelholz ist nicht so gut angewachsen in diesem Jahr."

Stümpfe schützen junge Bäume

Unweit der Wilhelmsbuche am Sallmannshäuser Rennsteig zwischen Marksuhl und Oberellen muss Revierförster Uwe Simon Waldbesuchern häufiger erklären, was da passiert ist. An einem Südhang stehen zahlreiche zwei Meter hohe Stümpfe von abgestorbenen Fichten. Aus gutem Grund: Sie helfen dem Nachwuchs, kleinen Douglasien und Küstentannen, die auf die Westseite dieser Stubben gepflanzt wurden.

Das hat gleich mehrere Vorteile, sagt Simon: Die jungen Bäume sind vor der Sonne geschützt, der Regen aus westlicher Richtung läuft an den Stümpfen ab und versorgt die Pflanzen. Und bei der Pflege finden die Waldarbeiter die Bäumchen schneller. Obwohl kein Zaun sie schütze, sind mehr als 80 Prozent angewachsen, sagt Simon. "Für zwei trockene Sommer sehr gut." Und für die Waldbesucher ist eine Informationstafel aufgestellt worden, die die Vorteile dieser sogenannten Stockachselpflanzung erklärt.

"Rückgrat der Holzindustrie"

Küstentanne und Douglasie, beides robuste Nadelbaumarten aus Nordamerika, könnten die Fichte gut ersetzen, sagt Ingolf Profft. Ohne Nadelholz gehe es nicht, das sei "das Rückgrat der Holzindustrie", ein wichtiger Rohstoff gerade für den Bau.

Und die Stockachselbepflanzung? Zukünftig müsse man noch stärker auf diese Variante setzen, sagt Profft. Die Stubben speicherten das Wasser noch besser, "für das ganze Ökosystem ist das ein guter Weg". Der Klimawandel sei für alle neu, man müsse lernen, waldbaulich damit umzugehen und nicht immer wieder bei Null anzufangen.

Küstentannen und Bergahorn

Deshalb ist eine wissenschaftliche Versuchsfläche zu dieser Pflanzform im Schabig entstanden, einem Tal zwischen Wünschensuhl und Oberellen. Auch dort wuchs einst dichter Fichtenwald. Nun stehen an den hohen Stubben kleine Bergahorn-Schösslinge.

Uwe Simon zeigt: Sie wurden mit einer klebrigen Flüssigkeit bestrichen, um Wild abzuschrecken. Zusätzlich wurden auf einer gegenüberliegenden Fläche tote Fichten vollständig stehen gelassen. So soll verglichen werden, ob die Jungpflanzen dort von dem zusätzlichen Sonnenschutz durch die abgestorbenen Bäume profitieren.

Optimismus für die nächste Generation

"Auch für uns ist das spannend", sagt Ansgar Pape. Die vergangenen Jahre mit den hohen Verlusten seien für die Forstleute emotional hart gewesen. "Aber wir dürfen uns nicht den Frust von den toten Bäumen holen, sondern müssen unseren Optimismus aus der neuen Waldgeneration schöpfen." Ob all diese Wege zu einem stabileren Mischwald führen, der das Risiko künftiger Ausfälle verringert? „Das werden erst unsere Nachfolger erleben“, sagt Pape. Die Ergebnisse der Forschung auf den heutigen Versuchsflächen könne voraussichtlich erst die nächste Generation effektiv nutzen.

MDR (csr)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Fazit vom Tag | 28. Dezember 2022 | 18:00 Uhr

11 Kommentare

martin am 29.12.2022

Ja, wenn sich die Menschheit komplett zurückzieht und man ihm genügend Wald-Generationen Zeit lassen könnte. Wer aber schneller eine Lösung anstrebt, sollte die Hände nicht in den Schoß legen....

aufdemberg am 29.12.2022

Für alle waldinteressierten empfehle ich Mal den Herrn Peter Wohlleben auf YouTube zu suchen.
Ansichten eines Försters der sehr gute Ansichten und Erklärungen für die Zukunft unseres Waldes hat.

Atze71 am 29.12.2022

Das wird er sicher auch machen. Nur die Zeit hat der Mensch nicht. Nicht ohne Grund heißt es "Forstwirtschaft".
Wir Menschen brauchen Holz für viele Anwendungen. Nadelholz war bisher ein schneeller Holzlieferant (siehe Schwarzwald, Menschen gemacht). Wir werden es nicht mehr erleben was am Ende erfolgreich war....

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