Ein Kind gibt einem Erwachsenen die Hand. 4 min
Audio: Die Urteile der Woche hier zum Nachhören. Bildrechte: imago images/Shotshop

Urteile der Woche Bundesverfassungsgericht stärkt Rechte von Pflegekindern

09. September 2023, 05:00 Uhr

Fast täglich werden im Gerichtssaal wichtige Urteile gesprochen, die Einfluss auf unser Leben haben können. MDR AKTUELL präsentiert Ihnen die drei interessantesten dieser Woche in Kurzform.


Verfassungsgericht stärkt Rechte von Pflegekindern

Bundesverfassungsgericht (Az: 1 BvR 1088/23)

Familie Wiesenbach hat sich vier Jahre lang von Geburt an um ein Pflegekind gekümmert. Nun bekommt das Paar Besuch vom Jugendamt: Man befürchte, die Wiesenbachs seien mit der Betreuung des Kindes überfordert. Die leibliche Mutter sei drogenabhängig gewesen und aufgrund dessen sei das Kind in seiner Entwicklung deutlich verzögert. Im Kindergarten sei es immer wieder in Konflikte mit anderen Kindern verwickelt. Das Jugendamt übergibt deshalb das Kind überraschend an andere Pflegeeltern. Diese hätten mehr Erfahrungen im Umgang mit solchen Auffälligkeiten und Entwicklungsverzögerungen, heißt es zur Begründung. Die Wiesenbachs aber klagen.

Letztlich entschied das Bundesverfassungsgericht: "Wägt man die Rechte von Kind, leiblichen Eltern und Pflegeeltern ab, dann muss immer das Kindeswohl im Zentrum stehen. Pflegeeltern können sich außerdem nicht in gleicher Weise wie leibliche Eltern auf das im Grundgesetz verankerte Recht zum Schutz der Familie berufen. Bei der Entscheidung über den Verbleib des Kindes muss aber immer auch bedacht werden, wie stark das Kind darunter leiden kann, wenn die Verbindung zu einer inzwischen vertrauten Familie abbricht." In diesem Fall bleibt das Kind in den Händen der neuen Pflegefamilie.


Gesetzliche Krankenversicherung muss Cannabiskosten nicht übernehmen

Sozialgericht Osnabrück (Az: S 46 KR 160/22)

Werner Wehrmann hat Probleme, die psychiatrisch, orthopädisch und lungenfachärztlich behandelt werden müssen. Bei seinem Arzt gibt er an, dass ihm nur der Konsum von Cannabis helfen würde – damit könne er die Schmerzen einigermaßen ertragen. Nur damit habe er seine Probleme im Griff, Medikamente, stationäre Aufenthalte oder Rehabilitationsmaßnahmen hätten ihm nicht geholfen. Sein Arzt verschreibt ihm deshalb Cannabisblüten zur Vaporisation auf Privatrezept. Dafür fallen monatlich 430 Euro an, die Herr Wehrmann von der gesetzlichen Krankenversicherung zurückfordert. Dort jedoch ist man der Ansicht, dass andere Behandlungsmöglichkeiten noch lange nicht ausgeschöpft seien.

Das Sozialgericht Osnabrück schloss sich an: "Zwar leidet der Kläger an einer Erkrankung, die seine Lebensqualität klar beeinträchtigt. Allerdings müssen zunächst alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sein, bevor die Cannabiskosten ersetzt werden. Diese alternativen Behandlungsarten sind sogar in den Entlassungsberichten nach den stationären Aufenthalten aufgelistet." Zunächst müssen also Alternativmöglichkeiten genutzt werden. Erst dann können unter Umständen die Cannabiskosten von der Krankenkasse ersetzt werden.


Theaterstück ist keine unzulässige Einflussnahme durch Lehrkräfte

Verwaltungsgericht Hannover (Az: 6 A 2084/20)

Die Schülerinnen und Schüler am Buntenbach-Gymnasium führen bei einem Theater-Workshop ein politisches Theaterstück auf. Es heißt "Danke dafür, AfD" und setzt sich kritisch mit Aussagen von AfD-Politikern auseinander. Das Textbuch haben die Workshop-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer selbst verfasst. Nach der Aufführung sehen Teile der AfD-Ortsgruppe die geforderte Neutralität des Staates in der Schule verletzt. Lehrkräfte hätten zwar dafür zu sorgen, dass alle zulässigen politischen Positionen im Unterricht geäußert werden könnten. Beleidigende oder rechtswidrige Äußerungen müssten aber unterbunden werden. Schulen dürften politischen Aktivismus nicht unterstützen.

Dieser Argumentation folgte das Verwaltungsgericht Hannover nicht: "In Schulen dürfen durchaus politische Theaterstücke aufgeführt werden. Diese sind von der Kunstfreiheit der Schüler gedeckt. Hier wurde das Theaterstück sogar von den Schülerinnen und Schülern eigenständig erarbeitet. Eine inhaltliche Einflussnahme durch die Lehrer lag nachweislich nicht vor. Die Lehrkräfte waren auch nicht verpflichtet, die Entstehung und Aufführung des Stücks zu verhindern." Die Schülerinnen und Schüler haben hier also alles richtig gemacht.

*Alle Namen wurden von der Redaktion geändert.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 09. September 2023 | 08:17 Uhr

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