Eine Bronzestatue der römischen Göttin Justitia mit Waage und Richtschwert in der Hand
Justitia gilt als Symbol der Gerechtigkeit. Bildrechte: picture alliance / dpa | Arne Dedert

Urteile der Woche Krankenkassen haben erweiterte Leistungspflicht

17. Dezember 2022, 05:00 Uhr

Fast täglich werden im Gerichtssaal wichtige Urteile gesprochen, die Einfluss auf unser Leben haben können. MDR AKTUELL präsentiert Ihnen die drei interessantesten dieser Woche in Kurzform.


Krankenkassen müssen bei chronischer Müdigkeit leisten

Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen (AZ: L 4 KR 373/22 B ER)

Anton Angermann* ist aufgrund zahlreicher Erkrankungen schwerbehindert und pflegebedürftig – bei ihm ist ein chronisches Fatigue-Syndrom festgestellt worden. Dabei ist man ganz besonders schnell und langanhaltend erschöpft, ein normaler Alltag ist für die Betroffenen kaum zu bewältigen. Bei seiner Gesetzlichen Krankenkasse beantragte er zwei Arzneimittel, die ihm deutlich helfen könnten. Die Kasse lehnt ab, weil die medizinisch-wissenschaftlichen Voraussetzungen für eine Verordnung nicht gegeben seien. Herr Angermann jedoch argumentiert, er sei mit seiner Grunderkrankung im System der Gesetzlichen Krankenversicherung nicht hinreichend versorgt.

Am Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen war man auf seiner Seite: "Gibt es im Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung für eine Erkrankung keine Standarttherapien, hat sie eine gegenüber der bisherigen Versorgung erweiterte Leistungspflicht. Die schließt auch Präparate ein, für die Leistungsvoraussetzungen nicht vorliegen."

In diesem Ausnahmefall muss die Krankenkasse für die Medikamente zahlen.


Twitter muss ehrverletzende Tweets auf Antrag löschen

Landgericht Frankfurt am Main (Az: 2-03 O 325/22)

Wie sollte oder muss die Kurznachrichten-Plattform Twitter umgehen mit ehrverletzenden Tweets? Konkret geht es um den baden-württembergischen Antisemitismusbeauftragte Michael Blume. Bei Twitter war wahrheitswidrig behauptet worden, er habe eine Nähe zur Pädophilie und er habe einen Seitensprung gehabt. Außerdem sei er in antisemitische Skandale verstrickt.

Das Frankfurter Landgericht stellte fest, dass diese Behauptungen unbewiesen seien und erkennbar darauf abzielten, in emotionalisierender Form Stimmung gegen den Mann zu machen. Er verlangte nun umgehend die Löschung der ehrverletzenden Tweets. Hier dazu das Urteil der Richter: "Twitter hätte die Verbreitung solcher Kommentare unverzüglich unterlassen und einstellen müssen. Das gilt auch für alle wortgleichen und sinngemäßen Wiederholungen. Allerdings hat Twitter keine allgemeine Überwachungspflicht im Hinblick auf alle seine Nutzer. Eine Prüfpflicht besteht nur bei einer beanstandeten Persönlichkeitsrechtsverletzung."

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Es kann mit der Berufung zum Oberlandesgericht Frankfurt angefochten werden.


Chef zahlt bei Corona-Infektion Schadensersatz für geplatzte Hochzeit

Landesarbeitsgericht München (AZ: 4 Sa 457/21)

Paul Paulicke* ist Geschäftsführer einer Immobilienfirma. Er kommt zurück aus dem Urlaub in Italien mit Erkältungssymptomen. Am Tag darauf fährt er mit einer angestellten Immobilienfachfrau ohne Mund-Nasen-Schutz in einem PKW zu Eigentümerversammlungen. Auf der Versammlung nimmt er Abstand von anderen mit dem Hinweis, er habe sich erkältet. Kurze Zeit später wird bei ihm das Coronavirus nachgewiesen.

Für seine Angestellte ordnet er eine Quarantäne an. Doch dies hat für sie gravierende Folgen: Ihre geplante kirchliche Trauung mit anschließender Hochzeitsfeier mit 99 Gästen kann nicht stattfinden. Die Feier muss storniert werden. Wer kommt für die Kosten auf? Am Landesarbeitsgericht München entschied man so: "Der Geschäftsführer hat hier gegenüber der Arbeitnehmerin klar seine Fürsorgepflicht verletzt. Er hätte nicht mit ihr trotz Erkältungssymptomen längere Zeit in einem Auto fahren dürfen. Der vorgeschriebene Sicherheitsabstand von 1,5 Metern konnte so nicht eingehalten werden. Außerdem hätte der Geschäftsführer bei Krankheitssymptomen zu Hause bleiben müssen."

Weil er diese Vorgaben missachtet hat, zahlt der Geschäftsführer die Stornokosten von 5.000 Euro an seine Angestellte.

*Alle Namen wurden von der Redaktion geändert.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 17. Dezember 2022 | 06:00 Uhr

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