Eine Bronzestatue der römischen Göttin Justitia mit Waage und Richtschwert in der Hand
Justitia gilt als Symbol der Gerechtigkeit. Bildrechte: picture alliance / dpa | Arne Dedert

Urteile der Woche Betreuungsanteil von mehr als 60 Prozent gilt als alleinerziehend

29. Dezember 2023, 15:53 Uhr

Fast täglich werden im Gerichtssaal wichtige Urteile gesprochen, die Einfluss auf unser Leben haben können. MDR AKTUELL präsentiert Ihnen die drei interessantesten dieser Woche in Kurzform.


Betreuungsanteil von mehr als 60 Prozent gilt als alleinerziehend

Bundesverwaltungsgericht Leipzig (Aktenzeichen: 5 C 9.22)

Maria Materne* ist Mutter von siebenjährigen Zwillingen. Vom Vater der Kinder lebt sie getrennt. Die Eltern teilen sich die Betreuung. Alle zwei Wochen von Mittwochnachmittag bis Montagmorgen ist der Nachwuchs beim Vater – die restliche Zeit entsprechend bei der Mutter. Für den Mann ist das auch die Begründung, keinen Unterhalt zu zahlen. Er sieht seine Expartnerin in dieser Betreuungskonstellation nicht als alleinerziehend. Maria Materne klagt den Unterhalt ein und hat nun eine höchstrichterliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig erhalten.

Die Richter geben ihr Recht. Als alleinerziehend gilt der Elternteil, der mehr als 60 Prozent der Betreuungszeit übernimmt: "Die Regelung knüpft an die prekäre Situation von Alleinerziehenden an. Diese besteht darin, dass sie das Kind hauptsächlich betreuen und so wegen des Ausfalls des anderen Elternteils besonders belastet sind. Eine solche Belastung ist auch dann gegeben, wenn der Schwerpunkt der Betreuung ganz überwiegend bei nur einem Elternteil liegt. Wer wie viel das Kind betreut, muss rein nach der Zeit errechnet werden, die das Kind in der Obhut des einen oder anderen Elternteils verbringt. Wechselt die Betreuung tageweise, kommt es darauf an, wo das Kind zu Tagesbeginn ist."


Gericht untersagt Werbung für "klimaneutrales Bier"

Landgericht München I (Aktenzeichen: 37 O 2041/23)

Holger Hopf betreibt eine Bier-Brauerei. Seine Produkte bewirbt er auf den Flaschen mit den Begriffen "CO2 positiv" und "klimaneutrale Herstellung". Ein ebenfalls auf der Flasche angebrachter QR-Code führt zu den gewünschten Informationen zur Klimabilanz. Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs sieht das nicht nur kritisch, sondern klagt auch. Begründet wird der juristische Schritt unter anderem mit dem Vorwurf des Greenwashing – also einer Form der Öffentlichkeitsarbeit, die eine besonders umweltfreundliche Firmenphilosophie vorgaukelt, diese aber nicht erfüllen kann.

Auch die Richter des Landgerichts München I urteilen gegen den Bierproduzenten: "Die Werbung ist irreführend und verstößt gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb. Es bestehen erhebliche Zweifel bei der Berechnung der Klimabilanz, außerdem fehlen Angaben zu etwaigen Kompensationsmaßnahmen."


Behinderte dürfen für persönliche Assistenz eigene Altersgruppe bevorzugen

Europäischer Gerichtshof (Aktenzeichen: C-518/22)

Hannah H. ist 28 Jahre alt, Studentin und körperlich dauerhaft eingeschränkt. In allen Lebensbereichen des Alltags ist sie auf Unterstützung angewiesen und bekommt diese auch durch einen Assistenzprofi über diverse Dienstleistungsstellen. Hannah wünscht sich in ihrer Anzeige Bewerberinnen, die am besten zwischen 18 und 30 Jahre alt sein sollten. Eine etwa 50-jährige abgelehnte Bewerberin sieht sich deshalb wegen ihres Alters diskriminiert und fordert eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz.

Der Fall landet vor dem Europäischen Gerichtshof und gibt der Studentin recht: "Behinderte Menschen dürfen bei der Suche nach persönlichen Assistenten eine bestimmte Altersgruppe bevorzugen. Nach deutschen Rechtsvorschriften ist ausdrücklich vorgeschrieben, den individuellen Wünschen von Menschen mit Behinderungen bei der Erbringung von Leistungen der persönlichen Assistenz zu entsprechen. Eine geäußerte Bevorzugung von Assistentinnen einer bestimmten Altersgruppe ist geeignet, die Achtung des Selbstbestimmungsrechts der Menschen zu fördern."

*Alle Namen wurden von der Redaktion geändert.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 16. Dezember 2023 | 06:25 Uhr

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