Leipzig, 10.04.2019, Innenstadt, Elektomobilität , Im Bild: e-Autos und Ladesäule
Bei der Zahl der E-Autos auf den Straßen liegt der Osten weit hinter dem Westen zurück, dabei werden in ostdeutschen Autofabriken die meisten Elektrofahrzeuge gebaut. Bildrechte: imago images / PicturePoint

Zukunftstour E-Autos in Mitteldeutschland – für die meisten zu teuer

03. Juli 2023, 09:26 Uhr

Der Großteil der aktuell 48,8 Millionen zugelassenen Pkw in Deutschland sind klimaschädliche Verbrenner, aber der Anteil der E-Autos wächst. Die meisten der hierzulande gebauten Stromer kommen aus Autofabriken in Ostdeutschland – gefahren werden sie vor allem im Westen. Was sind die Gründe für die Zurückhaltung der ostdeutschen Autofahrer?

Zahl der Elektroautos stark gestiegen

Im Mai 2023 sind bundesweit 42.700 batteriegetriebene Autos neu zugelassen worden, knapp 50 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Das entspricht einem Marktanteil von 17,3 Prozent, bei mehr als 200.000 neu zugelassenen Verbrennern. Besonders beliebt über alle Antriebsarten hinweg waren laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) erneut Stadtgeländewagen (SUV), die fast drei von zehn Neuzulassungen ausmachten.

Im gesamten vergangenen Jahr machten reine E-Autos (17,7 Prozent) und Hybridautos (Verbrenner+E-Motor/13,7 Prozent) knapp ein Drittel der neu zugelassenen Pkw aus. Zum Jahreswechsel waren erstmals mehr als eine Million E-Autos in Deutschland erfasst. Doch es gibt große regionale Unterschiede.

Warum liegt Ostdeutschland bei E-Autos weit zurück?

Auf die im Mai bundesweit knapp 43.000 neu zugelassenen reinen E-Autos entfielen laut KBA nur 921 auf Sachsen, 509 auf Thüringen und 446 auf Sachsen-Anhalt. In den anderen ostdeutschen Flächenländern sieht es ähnlich aus. Zum Vergleich: In NRW, Bayern und Baden-Württemberg waren es zusammen 24.000 neue E-Autos. Was sind die Gründe für das starke Gefälle?

Patrick Plötz vom Fraunhofer-Institut für Systemforschung führt das vor allem auf die deutlich geringere Kaufkraft im Osten zurück. Er sagte MDR AKTUELL, bei E-Autos handele es sich fast ausschließlich um höherpreisige Neuwagen. Da fehle im Osten einfach häufig das Geld.

Die Verkaufszahlen nach Herstellern in diesem Jahr belegen die relativ hohen Preise für Elektroautos: Spitzenreiter sind VW mit knapp 50.000 und Tesla mit gut 37.000 verkauften Wagen in den ersten fünf Monaten. Dahinter folgen Mercedes mit etwa 20.000 und BMW mit knapp 15.000 Neuzulassungen. Bei den Zulassungszahlen in deutschen Großstädten schafft es neben dem Sonderfall Berlin nur Leipzig in die Top 10.

Ein Markt für preiswertere E--Gebrauchtwagen muss sich erst noch entwickeln. Außerdem wurden zum Jahreswechsel die Förderprämien für Autos mit Elektroantrieb gesenkt oder für Hybridautos sogar gestrichen. In Kombination mit hohen Strompreisen sind das weitere Negativpunkte.

Wo bleiben die preiswerten E-Modelle?

Die Nische und den Markt für preiswerte E-Autos versuchen derzeit chinesische Anbieter zu besetzen. Plötz zufolge kostet etwa das Kompaktmodell MG 4 Electric des chinesischen SAIC-Konzerns deutlich weniger als ein vergleichbarer ID.3 von Volkswagen. Der Preisvorteil resultiere aus den Standortvorteilen der Chinesen beim Material, niedrigeren Löhnen und nicht zuletzt staatlicher Subventionierung. Doch bis sich neue Marken am Automarkt durchsetzten, werde es noch dauern.

Allerdings hat sich der Marktanteil chinesischer Elektroautos im ersten Quartal mehr als verdreifacht. Von Januar bis März stammten laut Statistischem Bundesamt gut 28 Prozent aller importierten E-Autos aus China. Im Vorjahresquartal waren es noch 7,8 Prozent. Überlassen Mercedes, BMW und VW das untere Preissegment der Konkurrenz?

Der Verband der deutschen Autobauer hält sich zu Plänen für kleine und preiswerte E-Wagen bedeckt. VDA-Sprecher Simon Schütz sagte MDR AKTUELL, zur Preispolitik könne man sich "aus kartellrechtlichen Gründen nicht äußern". Auch er sieht Europa im Preiskampf benachteiligt. China stärke seine Autobauer massiv mit direkten Subventionen und einem "bevorzugten Zugang zu Energie, Rohstoffen, Halbleitern und Batterien. So können sie ihre Produkte viel günstiger anbieten". Deutschland müsse darauf reagieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Der VDA forderte von der Politik bessere Rahmenbedingungen. Schütz sagt: "Standortpolitik muss also ganz oben auf der politischen Agenda stehen."

Schafft unser Stromnetz den Umstieg auf Elektromobilität?

Energiewirtschaftsexperte Plötz widerspricht dem weit verbreiteten Irrglauben, dass unser Stromnetz den schnellen Umstieg auf E-Mobilität generell nicht verkrafte. Die Netze würden seit vielen Jahren mit entsprechenden Kapazitäten ausgebaut und die Regeln für weitere Flexibilität im Netz angepasst. Das sei langfristig im Netzentwicklungsplan berücksichtigt und festgeschrieben. Dennoch befürwortet er einen möglichst noch schnelleren Netzausbau, um die Energiewende in Deutschland abzusichern.

Unser Stromnetz ist kein Problem beim Umstieg auf Elektromobilität.

Patrick Plötz Leiter Energiewirtschaft beim Fraunhofer-Institut ISI

So sieht es mit Ladestationen in Mitteldeutschland aus

Keine Rolle beim Rückstand der E-Autos im Osten spielt Plötz zufolge das Angebot an Ladestationen. Hier seien die drei mitteldeutschen Länder mit jeweils mehr als 1.000 öffentlichen Ladepunkten und etwa 700 Schnellladesäulen in Sachsen, sowie knapp 500 in Thüringen und etwa 420 in Sachsen-Anhalt recht gut aufgestellt.

Etwas anders sehen das die deutschen Autokonzerne. VDA-Sprecher Schütz sagte MDR AKTUELL, 2024 stellten deutsche Autobauer weltweit mehr als 160 E-Modelle bereit. Damit diese auch hierzulande gekauft werden, müsse das Ladenetz deutlich verbessert werden. Deutschland sei "noch weit davon entfernt, dass Menschen an jedem Ort und zu jeder Zeit ihr E-Auto laden können".

Dabei hat Deutschland bei der Ladeinfrastruktur aufgeholt. Laut ADAC gibt es aktuell bundesweit knapp 100.000 öffentliche Ladepunkte. Je Straßenkilometer hat Deutschland nach den Niederlanden und der Schweiz demnach das drittdichteste Stromtankstellennetz beliebter Urlaubsländer, mit 38 Ladestellen pro 100 Kilometer.

Bei einer anderen Rechnung liegt Deutschland im EU-Vergleich im oberen Mittelfeld. Bundesweit kommt eine Stromzapfsäule auf etwa 1.000 insgesamt zugelassene Pkw (egal ob Verbrenner oder Alternativantrieb). Der europäische Durchschnittswert liegt bei 887. Weit vorn sind auch wieder die Niederlande mit einem Ladepunkt je 100 Wagen und Norwegen mit einer Stromzapfsäule je knapp 150 ingesamt neuen Zulassungen. Dahinter folgen dann einige Länder mit 300 bis 700 Autos je Ladepunkt. Schlusslichter sind Griechenland sowie weitere Staaten in Ost- und Südosteuropa, wo nur ein öffentlicher Ladepunkt auf viele Tausend Pkw kommt.

Ladekabel und Anschlüsse sind vereinheitlicht

Plötz sieht mittlerweile auch kaum noch Probleme bei verschiedenen Auto-Marken sowie unterschiedlichen Ladekabeln und Anschlüssen an Ladestationen diverser Netzbetreiber. Das sei in Deutschland und Europa inzwischen weitgehend standardisiert. Es reiche in der Regel ein Typ2-Stecker, gegebenenfalls mit Schnellladeadapter (CCS). Dazu komme für den Notfall noch ein Kabel mit Stecker für die normale Schuko-Steckdose. Doch die hat E-Autofahrer Plötz nach eigener Aussage erst ein, zwei Mal in anderthalb Jahren gebraucht. Nur Tesla habe sein eigenes Ladenetz, öffne sich aber wohl demnächst auch für andere Marken.

Etwa anders sieht es bei den sogenannten Ladekarten aus. Da haben Netzbetreiber und Anbieter von Ladestationen meist ihre eigenen Karten und Tarife. Zwar kann man mit einer Karte auch die Ladesäulen anderer Anbieter nutzen. Doch wer immer den günstigsten Strom zapfen will, braucht dann auch verschiedene Ladekarten. Neben den Finanzen sieht Plötz als mögliche weitere Hürde beim Umstieg auf E-Mobilität Anpassungsprobleme an die neue Technologie. Vielen Menschen falle es nicht leicht, sich umzustellen.

Dazu kommen Fragen der Ladezeiten und Zweifel, wie ökologisch E-Autos überhaupt sind - vor allem die Batterien. Dabei zeigen verschiedene Studien die vorteilhafte Ökobilanz von Elektroautos. Doch es gibt auch Sicherheitsfragen. Der hohe Anschaffungspreis für Elektroautos und Vorbehalte schrecken offenbar viele Menschen ab. Das zeigt das Meinungsbarometer "MDRfragt".

MDR AKTUELL

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 02. Juli 2023 | 19:30 Uhr

51 Kommentare

emlo vor 43 Wochen

"... es gibt auch nicht deutsch Autohersteller..." - Richtig! Volvo ist z.B. kein deutscher Hersteller und bringt schon heute keine reinen Verbrennermodelle mehr auf den Markt. Ab 2030 bauen die nur noch Elektroautos. Sie können ganz sicher sein, dass auch Volvo seine Autos verkaufen will.

RicoK vor 43 Wochen

Wir stehen gerade vor der Entscheidung. Unser Diesel Kombie hat nun 350.000 Km weg und ist 18Jahre alt. Erspart haben wir die letzten Jahre gute 15.000€. Bei einem E-Auto Preis von mind.35.000€ kaufe ich doch lieber einen gebrauchten Diesel mit 40.000km auf der Uhr. Diese sind z.b Opel Insignia für ab 16.000€ zu haben. Wenn ich sehe wieviel Diesel und Benziner noch hier herum fahren und sehe wie teuer Stromer sind, fällt die Entscheidung leicht. Jedenfalls hat man dann für die nächsten 10-15 Jahre wieder ein Familientaugliches Auto. Auch wenn die Wartungskosten ein wenig höher sind. Viele hier im Osten können sich ein E-Auto nicht leisten. Es wird sich alles entwickeln, aber es braucht Zeit. Noch ist es zu früh für Familien über ein E-Auto nachzudenken.

goffman vor 43 Wochen

Wieso nicht? Selbst die 10 Jahre alte Batterie lässt sich als stationärer Speicher weiterverwenden und hat somit noch mehr als den Materialwert. Und ansonsten dürfte der Verschleiß beim E-Auto deutlich niedriger sein, als beim Verbrenner. Es gibt halt einfach nicht so viele Bauteile, die überhaupt verschlissen werden können.

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