Vorbericht "Was bleibt": Theater über jüdisches Leben in Dessau damals und heute
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29. November 2024, 12:48 Uhr
Am Anhaltischen Theater in Dessau beschäftigt sich mit einem alten wie aktuellem Thema: Antisemitismus. Das Stück "Was bleibt" wird am 29. November 2024 uraufgeführt und erzählt am Beispiel der Dessauerin Julie von Cohn-Oppenheim und ihrer Familie von jüdischem Leben in der Stadt – damals und heute. Regisseurin Carolin Millner will damit vor allem beim jüngerem Publikum Vorurteile abbauen. Ein Probenbericht.
- Das Anhaltische Theater Dessau erzählt mit dem Stück "Was bleibt" aus dem Leben Jüdin Julie von Cohn-Oppenheim.
- Ihre Familiengeschichte ist eng mit Dessau verbunden – das spiegelt sich auch im Bühnenbild.
- Mit dem Stück will die Regisseurin Carolin Millner bei Jugendlichen Vorurteile abbauen.
Drei Frauen, ein Mann und eine alte Familiengeschichte. Es wird viel gesprochen und auch immer mal wieder gesungen. Das ist wichtig, denn dieser intensive Abend braucht sie, diese Momente des Durchatmens. Eine alte jüdische Volksweise, das "Trotz alledem" aus den 1848er-Revolutionszeiten, und eine Wagnerparodie gehören zum musikalischen Repertoire des Abends.
Ausgedacht und in Szene gesetzt von Carolin Millner. "Ich interessiere mich schon länger für jüdisches Leben im deutschsprachigen Raum", sagt die junge Regisseurin, die auf dem Theater gern dokumentarisch ihre fundierten Rechercheergebnisse mit fiktionalen Elementen zu einer eigenen Erzählung verknüpft.
Stück über wichtige Familie der Dessauer Stadtgeschichte
Und genau so ein Stück hat nun auch das Dessauer Theater bei ihr in Auftrag gegeben. Bei ihren Recherchen ist Carolin Millner auf Julie von Cohn-Oppenheim gestoßen, die sie zur zentralen Figur ihres Stücks machte. Das einzige Kind einer jüdischen Bankiersfamilie, die im 19. Jahrhundert in Dessau lebte und es zu etwas gebracht hatte. Der Vater avancierte sogar zum Hofbankier in Berlin.
Reich waren sie, doch sie wussten auch abzugeben, agierten als Wohltäter für die Öffentlichkeit, engagierten sich für das Wohl der Stadt und der Benachteiligten, waren von ihren Mitbürgern aber trotzdem nicht wohlgelitten. Egal, ob als Großkapitalist oder kleines Kind, ihnen wehte immer und überall mehr als nur ein Hauch von Ablehnung entgegen.
In einer Zeit, in der der Eindruck entsteht, viele würden nur Ich, Ich, Ich denken, wollen wir an eine Frau erinnern, die immer gedacht hat: Wir, Wir, Wir. Aus Liebe zu ihrer Stadt Dessau hat sie sich entschieden, das Erbe ihres Großvaters und Vaters zu verteilen, hat ein Armenstift gegründet und sich so für die Gesellschaft eingesetzt.
Die vier Darsteller auf der Bühne spielen sich in stets wechselnden Rollen durch diese alte Geschichte, die am Ende auch etwas mit dem gerade in unseren Tagen wieder aufkommenden Antisemitismus zu tun hat.
Bühnenbild erinnert an Palais von Cohn-Oppenheim in Dessau
Die Bühnen- und Kostümbildnerin Maylin Habig hat schon mehrfach mit Carolin Millner zusammengearbeitet. Dieses Mal hat sie einen eher abstrakten Bühnenraum auf der offenen Bühne des Alten Theaters geschaffen, der symbolisch die Fundamente des Palais freilegt, das sich Julie von Cohn-Oppenheim in Dessau bauen ließ, um darin ihren alten Traum von einem eigenen literarisch-kulturellen Salon zu verwirklichen.
Ein Haus, das sie – Ironie der Geschichte – niemals lebend betreten sollte, in dem sie aber offensichtlich nach ihrem Tod im Jahr 1903 aufgebahrt wurde. Später zog hier die Gauleitung der Nazis ein. Im Krieg schwer beschädigt, wurden seine Reste später abgetragen.
Theater will Jugendliche mit rechtem Weltbild erreichen
Die alte Geschichte kann nun aber – trotz alledem und alledem – wie im Stück gesungen wird, wiedererzählt werden. Für wen, will ich von Carolin Millner wissen. Da zögert die junge Theaterfrau kurz und gibt eine dann doch überraschende Antwort: Sie wünsche sich Jugendliche, die sich über die Geschichte ihrer Stadt Gedanken machen.
Am liebsten wären ihr die, die mit den jetzigen Verhältnissen unzufrieden sind, Angst vor "Überfremdung" haben und sich, wie sie sagt, "eigentlich eine Arisierung wünschen". "Denn ich glaube, die anderen, die denken schon darüber nach."
Halten wir fest: Dieses Stück ist ein Angebot, um anhand einer alten Geschichte ins Nachdenken über das Heute zu kommen. Ein Angebot für alle, in welche Richtung deren Gedanken auch immer gehen mögen. Ein Angebot, das für das Theater spricht.
Weitere Informationen zum Stück
"Was bleibt. Das Leben der Familie Cohn"
Schauspiel von Carolin Millner nach biografischen Motiven von Julie von Cohn-Oppenheim (Uraufführung)
Adresse:
Altes Theater/Studio
Anhaltisches Theater Dessau
Lily-Herking-Platz 1, 06844 Dessau-Roßlau
Termine:
29. November 2024, 19 Uhr (Premiere, ausverkauft)
30. November 2024, 19 Uhr
03. Dezember 2024, 18 Uhr
06. Dezember 2024, 19 Uhr
3. Januar 2025, 19 Uhr
6. Januar 2025, 19 Uhr
8. Januar 2025, 15 Uhr
Redaktionelle Bearbeitung: vp
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR am Nachmittag | 28. November 2024 | 16:10 Uhr