Gymnasium in Halle Eine Klassenfahrt ohne Lehrer

10. Juli 2023, 09:20 Uhr

Eine Klassenfahrt ohne Lehrer ist vermutlich der Traum vieler Schüler und Schülerinnen. Für den 10. Jahrgang des Lyonel-Feinigers-Gymnasiums in Halle ist er wahr geworden. Neun Tage waren die Jugendlichen allein mit dem Zug und dem Rad in Deutschland unterwegs.

Begeistert waren die Eltern von dem Projekt zuerst nicht. Neun Tage sollen ihre Kinder, die alle zwischen 15 und 16 Jahren alt sind, alleine – ohne Lehrer – auf Klassenfahrt gehen? Kopfschütteln überall. Es brauchte eine Menge Überzeugungsarbeit, erzählt Verena Balatka, Lehrerin und Initiatorin des Projekts. Doch am Ende stand fest: Der 10. Jahrgang des Lyonel-Feininger-Gymnasiums in Halle fährt alleine auf Klassenfahrt.

Als einzige erwachsene Aufsichtspersonen waren Lehramtsstudenten dabei, hierzu wurde eigens eine Kooperation mit der Martin-Luther-Universität Halle (MLU) unterzeichnet. Sie sollten jedoch nur eingreifen, wenn auf der ungewöhnlichen Klassenfahrt irgendetwas schief läuft. Zum Glück ist das nicht passiert.

Herausforderung für Lehrer und Schüler

Das ungewöhnliche Projekt nennt sich "Herausforderung" – und das war es auch. Nicht nur für die Jugendlichen, auch für die Lehrer. Denn es hat fast ein Jahr gedauert und jede Menge Kraft und Energie gebraucht, um alles vorzubereiten, erzählt Verena Balatka. Dafür habe es Workshops gegeben.

Alle hatten mehrere Monate Zeit, ihre Reiserouten individuell zu planen. Denn sie sollten ja selbst entscheiden, wohin es geht.

Verena Balatka Lehrerin

Insgesamt waren 80 Schüler und Schülerinnen in 20 kleineren Gruppen zu dritt, zu viert oder zu sechst quer durch Deutschland unterwegs. Jeder von ihnen hatte 120 Euro dabei. Damit mussten sie alles bestreiten: Essen, Trinken, Unterkunft, Reisekosten. Und dann ging es los. Während die einen mit dem Fahrrad bis an die Ostsee radelten, wanderten andere durch die Altmark oder schlugen sich als Straßenmusiker in Dresden durch.

Als Straßenmusiker in Dresden unterwegs

Die 16-jährige Edda Dammann war mit ihren zwei besten Freundinnen mit dem Fahrrad und mit dem Zug unterwegs. Ihr Ziel war Dresden. Mehrere Tage blieben sie dort und zelteten auf dem Campingplatz. Am Nachmittag ging es in die Innenstadt zum Musizieren. Denn die größte Herausforderung für die drei war es, sich als Straßenmusikerinnen zu versuchen.

Ich wollte schon immer mal Straßenmusik machen, aber hier in Halle habe ich mich das nie getraut. Jetzt bei der krassen Klassenfahrt wollte ich das einfach mal ausprobieren.

Edda Dammann Schülerin

Für die 16-Jährige und ihre Freundinnen war es eine tolle Erfahrung, auf der Straße Musik zu machen. Und das Beste sei gewesen, dass sie sich Geld dazu verdienen konnten. An guten Tagen lagen 30 Euro pro Stunde im Hut.

Mit dem Fahrrad an die Ostsee

Moritz Wenzel hat sich nicht für Musik, sondern für Muskelkater entschieden. Der 16-Jährige ist 500 Kilometer mit dem Fahrrad gefahren. Sein Ziel: Wellenrauschen und Strand. Zusammen mit Mitschülern ist er bis an die Ostsee gefahren. Es war anstrengend, aber schön, erzählt Moritz. Die Erfahrungen, die er bei dieser Klassenfahrt ohne Lehrer gesammelt hat, seien unbezahlbar.

Ich kann es nur jedem weiterempfehlen. Es war richtig cool und auf jeden Fall ein geniales Erlebnis. Man muss das mal gemacht haben.

Diese Klassenfahrt wird jeder der 80 Schüler und Schülerinnen des Lyonel-Feininger-Gymnasiums in Halle wohl niemals vergessen – und auch die Eltern und Lehrer nicht. Denn die haben natürlich aufgeatmet, als alle Jugendlichen nach neun Tage wieder heil und gesund in Halle gelandet sind.  

MDR (Stefan Bringezu, Fabienne von der Eltz) | Erstmals veröffentlicht am 07.07.2023

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 07. Juli 2023 | 12:40 Uhr

5 Kommentare

Muko am 08.07.2023

Eben das war zu deiner Zeit so, als man auf den Trabant gefühlt 20 Jahre warten musste, 50 Ostmark viel Geld war....
Aber wir leben im hier und jetzt!
Ein Großteil der Jugend ist abhängig vom Smartphone, sitzen vor der Konsole oder schimmeln vor sich hin. Also hat die Lehrerin doch alles richtig gemacht 😉

Aka67 am 08.07.2023

Dieser Artikel macht mich sprachlos, nicht wegen seiner Kreativität, sondern wegen seiner offenbar nicht wahrgenommenen Banalität. Warum? Der Artikel beschreibt original meine Sommerferien in der 70er und 80er Jahren. Ja, da haben wir absolut genau auf diese Weise unsere Ferien verbracht, wir benötigten dazu - na ja, wenn wir alles bedenken wollten - ca. 2 Wochen Vorbereitungszeit, kein Jahr. Unsere Eltern mussten auch nicht lange über die möglichen Gefahren informiert und anschließend von unseren Zielen überzeugt werden. Wir sind sogar ins (sozialistische) Ausland gefahren, mit dem Rad, dem Zug....wir hatten die "Kraxe" auf dem Rücken und haben uns um uns selbst gekümmert.
Das, was wir dafür nicht hatten, war Schulzeit. 9 Tage!!! Was soll denn das? An meiner Schule macht man Klassenfahrten, um die Gemeinschaft zu stärken, nicht um Eltern zu überreden, ihre Kinder mal von der Leine zu lassen.
Und wir hatten nicht einmal Handys...

mcheike am 08.07.2023

Endlich mal mitgedacht. Das heißt Schule ja in erster Linie, aufs Leben vorbereiten. Bitte keine Eintagsfliege, dies sollte überall so laufen und nicht nur auf Klassenfahrten.
Dann freu ich mich auf die Jugend von heute, selbständig, kreativ, Herausforderungen annehmen und bewältigen. Ja das brauchen wir mehr.
Für die Eltern war es höchstwahrscheinlich schwieriger, das auszuhalten. Alles richtig gemacht 👍.

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