In einem Dachraum aus Holz stehen zwei große Bildschirme, auf denen Filme laufen.
Die Werkleitz Gesellschaft feiert in diesem Jahr 30. Jubiläum und widmet sich, wie hier bei einem Festival, der Medienkunst. Bildrechte: Werkleitz/Falk Wenzel

Werkleitz Gesellschaft feiert 30 Jahre Medienkunst in und aus Sachsen-Anhalt

29. September 2023, 05:01 Uhr

Die Werkleitz Gesellschaft feiert am Freitag ihr 30-jähriges Bestehen. Sie wurde 1993 von Film- und Kulturschaffenden aus den neuen und alten Bundesländern im Saaledorf Werkleitz gegründet. Die Künstlerkommune entwickelte sich in den Folgejahren zum "Global Village" und hat inzwischen mit Halle einen neuen Standort gefunden.

Eigentlich interessierte sich der Mitgründer der Werkleitz Gesellschaft Peter Zorn, als er einen Freund in Berlin besuchte, für das Betriebssystem Linux . In der damaligen Firma des Freundes gab es allerdings bereits Internet und Zorn sagte: "Das brauche ich!" Wenig später richtete er eine Standleitung ins Dorf Werkleitz ein, dem damit weltweit ersten Dorf mit Internet. Da ist sich zumindest Peter Zorn sicher.

Ich sage immer: www steht für Word Wide Werkleitz!

Peter Zorn, Mitbegründer der Werkleitz Gesellschaft

Medienkunst und digitale Kunst im Global Village

Mittlerweile sind Peter Zorns hüftlange Dreadlocks gefallen. Seine Energie und Wachheit sind geblieben. Dass er immer wieder den Begriff Medienkunst beschreiben muss, nervt ihn - aber nur am Rande. Zorns simple Definition: "Medienkunst ist alles, wofür man Strom braucht."

Eine schwarz-weiß Fotografie zeigt mehrere Männer, die an einem Tisch mit weißer Tischdecke sitzen, einige heben die Arme.
Bei der Gründung der Werkleitz Gesellschaft 1993 war Peter Zorn dabei. (Dritter von Links) Bildrechte: Werkleitz

Der Begriff Medienkunst habe sich etabliert. Mittlerweile redet man von "digitalen Künsten" und die Mittel dafür verändern sich täglich. Waren die Studierenden von damals froh über eine Internetleitung, arbeiten die Künstlerinnen von heute für ihre Installationen mit KI. Alles ist erlaubt, wenn es denn die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen, künstlerischen oder auch globalen Themen bedeutet.

Der Medienkunst geht es laut Zorn wie allen Künsten. Künstlerinnen und Künstler beschäftigten sich mit brandheißen Themen, die auch in den Feuilletons verhandelt würde, "egal ob KI, Klimawandel, Gesellschaftsformen und -systeme", sagt Zorn und ergänzt: "Natürlich haben wir Themen wie Populismus und Kapitalismus auch schon eigene Festivals gewidmet", ergänzt er.

Halle als neuer Standort für die Werkleitz Gesellschaft

Mit der Festlegung von Halle als dem Medienzentrum des Landes Sachsen-Anhalt zog auch die Werkleitz Gesellschaft in die Metropole an der Saale. Hier betreut sie weiter Künstlerinnen und Künstler in Residenzen, veranstaltet Biennalen und Festivals, verleiht Technik, lehrt klassische Medienkunst. Die erste Biennale Deutschlands erhielt 2002 den Preis "Besondere Ausstellung" des Internationalen Kunstkritikerverbandes. Ulrich Wickert kündigte sie in den Tagesthemen als "documenta des Ostens" an. Nur ein Beispiel von vielen.

Eine Frau betrachtet eine Kunstinstallation, bei der eine Seifenblase in einem durchsichtigen Kasten schwebt.
Seit 2008 ersetzt das Werkleitz-Festival die Biennale und begeistert wie hier 2015 mit Ausstellungen das Publikum. Bildrechte: picture alliance / dpa | Hendrik Schmidt

Internationale Beachtung von Werkleitz-Projekten

Peter Zorn nennt zwei weitere Höhepunkte, auf die er besonders stolz ist: Mit Hilfe und in der Werkleitz Gesellschaft entstanden "The Great Chinese Firewall" und der Film "Revision" von Philip Scheffner.

In dem Dokumentarfilm "Revision" von Philip Scheffner geht es um zwei in Vorpommern von Jägern erschossene Roma-Männer. Deren Tod konnte 20 Jahre später durch den Film aufgeklärt werden und die Familien erhielten eine Entschädigung.

International sorgten die beiden Online-Künstler Christoph Wachter und Mathias Jud 2008 mit einer Technik für Aufsehen, mit der Löcher in "The Great Chinese Firewall" geschlagen werden konnten. Zehn Jahre wurde ihr "picidae-Server" verwendet, um in China zensierter Webseiten innerhalb des Landes aufzurufen. Nicht ohne Ironie stellt Peter Zorn nun fest: Die New York Times hat über "The Great Chinese Firewall" geschrieben, weltweit gab es Aufruhr deswegen. Aber in Halle hat es keinen interessiert. Auch das macht globale Kunst aus.

Peter Zorn, ein Mann mit dunklen Haaren, einer randlosen Brille, er trägt ein dunkles Hemd.
Peter Zorn ist seit 30 Jahren Teil der Werkleitz Gesellschaft und gründete den Verein 1993 mit. Bildrechte: Werkleitz

30 Jahren nach der Gründung zieht es Werkleitz aufs Land

Seit 2008 liegt die Leitung von Werkleitz nun in den Händen des Direktors Daniel Herrmann. In den vergangenen Jahren befasste dieser sich mit vielen Künstlerinnen und Künstlern aus der ganzen Welt und mit den Transformationsprozessen im von Bergbau gezeichneten Mansfelder Land. Knapp 30 Jahre nach der Gründung hat es Werkleitz also wieder aufs Land gezogen.

Redaktionelle Bearbeitung: lig, bh

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR Kultur am Morgen | 29. September 2023 | 08:40 Uhr

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