Ein Amazon-Banner weht vor dem zukünftigen Amazon Verteilzentrum, das im Herbst 2019 seinen Betrieb aufnehmen soll. Damit wird das bestehende Logistiknetzwerk um ein Verteilzentrum erweitert.
Nach Teutschenthal kommt Amazon wohl nicht mehr. (Symbolbild) Bildrechte: picture alliance / dpa /dpa-Zentralbild | Martin Schutt

Unternehmen kommt nicht Das Geisterlager von Amazon in Teutschenthal

14. März 2024, 10:49 Uhr

2021 erfolgt die hoffnungsvolle Grundsteinlegung für ein Verteilzentrum von Amazon in Teutschenthal. Die Halle ist schnell gebaut. Doch als die Corona-Pandemie abebbt, geht offenbar auch das Interesse an Online-Bestellungen zurück. Die Hoffnung der Gemeinde auf Arbeitsplätze und Gewerbesteuereinnahmen erfüllt sich nicht. Aber der Bürgermeister bleibt zuversichtlich. Unklar bleibt jedoch, was aus der leerstehenden Halle wird.

  • Hohes Tempo beim Bau der Halle für Amazon in Teutschenthal: Alle klopfen sich auf die Schultern.
  • Ein Berliner Maklerbüro soll offenbar die Amazon-Altlast vermarkten.
  • Der Nach-Corona-Effekt: Der Versandhandel braucht dieses Lager in der Logistikbranche im Moment nicht mehr.

Amazon kommt nach Teutschenthal: Die Karriere eines weiteren Logistikstandortes für den Online-Händler beginnt mit einem Paukenschlag. Innerhalb von wenigen Monaten wird in der Saalekreis-Ortschaft ein Projekt verwirklicht, das an Schnelligkeit zunächst nichts zu wünschen übrig lässt.

Im Januar 2021 erfolgt die hoffnungsvolle Grundsteinlegung. Am Jahresende schon ist die 5.000-Quadratmeter große Halle hochgezogen, der großzügige Parkplatz für Dutzende Transporter und Pkw angelegt und die Ampel für die Inbetriebnahme dieses neuen Verteilzentrums auf Grün umgestellt. Immerhin sollen hier mindestens 85 Arbeitsplätze entstehen.

Kartenausschnitt mit dem Standort des Amazonlagers nördlich von Teutschenthal und südlich von Bennstedt
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Amazon ist in Teutschenthal angekündigt, kommt aber nicht

Der Bürgermeister von Teutschenthal, Tilo Eigendorf, (UBV, Unabhängige Bürgervereinigung) frohlockt denn auch seinerzeit: "Es ist für unseren Standort und die Region ein bedeutendes Signal, dass sich ein Unternehmen wie Amazon hier ansiedelt. Die Errichtung der Logistikeinheit stellt einen Meilenstein in der gewerblichen Entwicklung unserer Gemeinde dar." Der Investor, der amerikanische Projektentwickler Scannell Properties, betont die gelungene Zusammenarbeit zwischen allen Parteien und klopft sich auf die Schultern für das hohe Tempo bei der Umsetzung.

Ein Baufahrzeug auf einer Baustelle
Der Grundstein war Anfang 2021 gelegt und Ende des Jahres war die Halle schon fertig. Bildrechte: MDR

Doch wer schließlich nicht kommt, ist der Besteller dieses Bauwerks: Amazon. Denn statt im Frühjahr 2022 die weithin sichtbare Immobilie zu beziehen, ist es plötzlich sehr still um den Online-Riesen. Die Halle steht seitdem leer – wie offenbar auch weitere Hallen, die Amazon in aller Eile deutschlandweit hochgezogen hat. Doch offenbar haben die Verbraucher ihre Online-Bestellungen nach dem Corona bedingten Nachfragehoch wieder zurückgefahren, und so gewachsene Logistik-Kapazitäten überflüssig gemacht.

Keine Illusionen mehr in Teutschenthal

Die Gemeinde Teutschenthal jedenfalls macht sich keine Illusionen mehr über diese Geisterimmobilie. Vielmehr sei Tilo Eigendorf jetzt durch ein Berliner Maklerbüro angeschrieben worden, das offenbar die Amazon-Altlast vermarkten soll. Dabei sei dem Bürgermeister aufgefallen, dass in dem Prospekt mindestens neun weitere Hallen bundesweit angepriesen werden, die offenbar das gleiche Schicksal wie die Teutschenthaler Immobilie erleiden.

Ein Baufahrzeug auf einer Baustelle 1 min
Bildrechte: MDR
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Der Online-Versandhändler Amazon plant zwei neue Großprojekte: In Halle soll ein Sortierzentrum mit 160 neuen Arbeitsplätzen entstehen. Und auch im Saalekreis baut der Versandriese eine neue Anlage.

MDR S-ANHALT Mi 03.02.2021 19:00Uhr 00:41 min

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/halle/saalekreis/video-amazon-verteilzentrum-teutschenthal-neubau-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video

"Ich weiß", so der Bürgermeister im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT, "dass sich auch schon Logistikunterunternehmen aus der Region für die Halle interessiert haben, doch bislang ohne angebissen zu haben." Zudem müsste wohl die Anlage komplett umgestaltet werden, die ja seinerzeit auf Paket-Zustellung für den Endkunden konzipiert wurde und nicht für die Zwischenlagerung von Paletten-Frachten.

Pakete laufen 2021 über ein Laufband in einer Halle.
In der Amazon-Halle von Teutschenthal rollen keine Pakete über die Bänder. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Bodo Schackow

Abbau von Arbeitsplätzen in Brieselang

Nach den Corona-Boom-Jahren schnallt der amerikanische Onlinehändler den Gürtel offenbar enger. Im brandenburgischen Brieselang ist im vergangenen Sommer ein großes Logistikzentrum mit immerhin 600 Mitarbeitern geschlossen worden. Weltweit hatte das Unternehmen Anfang vergangenen Jahres 18.000 seiner zuvor mehr als 1,5 Millionen Stellen gestrichen, im März kündigte Amazon den Abbau weiterer 9.000 Jobs an.

Das Geisterlager von Teutschenthal hat für die Gemeinde erst einmal keine negativen Folgen. Der Verkehr hat erst einmal nicht zugenommen. Freilich, die geplatzten Arbeitsplätze wiegen umso schwerer, als sich auch die Großbäckerei Schäfer's aus der Saalekreis-Gemeinde zurückgezogen hat.

Derzeit laufen Verhandlungen mit dem Grundstückseigner, um hier einem wirklich großen Investor Platz zu bieten.

Tilo Eigendorf, Bürgermeister

Bürgermeister bleibt zuversichtlich

Das betreffende Gewerbegebiet sei jedenfalls vollständig an Unternehmen veräußert, sagt Eigendorf. So habe sich jetzt auch ein Unternehmen aus Kabelsketal entschlossen, seine Firma künftig von Teutschenthal aus zu lenken.

Teutschenthals Bürgermeister, Tilo Eigendorf, vor einer Baustelle
Teutschenthals Bürgermeister Tilo Eigendorf schaut nach vorn und macht sich in Bezug auf Amazon keine Illusionen mehr. Bildrechte: MDR

Auch für die neu geplante Gewerbefläche an der A 143 gebe es positive Nachrichten. Diese Flächen hatte Eigendorf auch für den Star-Park II ins Spiel gebracht, der mit der Stadt Halle entwickelt hätte werden können. Das Areal ist jedoch nicht Eigentum der Gemeinde. "Derzeit laufen Verhandlungen mit dem Grundstückseigner, um hier einem wirklich großen Investor Platz zu bieten. Hier hoffen wir, dass wir vielleicht noch im Frühling konkrete Aussagen zu dieser Ansiedlung liefern werden", ist Tilo Eigendorf zuversichtlich.

MDR (Theo M. Lies, Susanne Ahrens), zuerst veröffentlicht am 11.03.2024

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 11. März 2024 | 07:30 Uhr

17 Kommentare

Peter Pan vor 6 Wochen

@Tatrafan
wenn ich in der Stadt in einen laden gehe und etwas kaufen möchte und dann sagt mir der verkäufer, das wäre gerade nicht vorrätig, aber man könnte es bestellen, was ist dann bitte der Vorteil des ladens?
Bestellen kann ich es mir gleich im Internet, dazu brauche ich keinen Laden.
Ansonsten, wenig Parkplätze in den Innenstädten, horrende Parkgebühren, überteuerte Ladenmieten, das ladensterben in den innenstädten hat viele Ursachen.

DanielSBK vor 6 Wochen

Definieren Sie "hohe Preise" ?! Es gibt bei uns ein Geschäft für weiße Ware, da kostet die Markenwaschmaschine weniger wie im Internet und dazu gibt es noch einen Bring- Abholservice inkl. Anschluss.....

DanielSBK vor 6 Wochen

In Frankreich gab es Gemeinden, die sich gegen solche Neubauten gewehrt haben. Waren kleine Dörfer und die Einwohner sind gegen Amazon auf die Straße gegangen mit Plakaten "Stop Amazon" und "Weder hier noch anderswo" .... Erfolgreich. Zudem "kämpft" ja auch Verdi seit über 10 Jahren erfolglos um eine Lohnerhöhung bei Amazon i.H.v. 1€/Stunde. Ich wäre auch für eine Einschränkung bzw. sollte das Porto für Pakete durch die Bundesnetzagentur gesetzlich auf mindestens 30€ pro Sendung angehoben werden. Das wäre eine Win-Win-Situation für den lokalen, stationären Handel und auch für die Paketeschubser in den Verteilzentren, Ausfahrer etc. pp. Dann wird auch keiner mehr 1 Packung Zahnpasta dort bestellen oder Handyhüllen für 1€....

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