Landesbehörden in Sachsen-Anhalt Nicht mal jede zweite Führungskraft stammt aus dem Osten
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Nicht nur in den Bundesbehörden gibt es zu wenig ostdeutsche Führungskräfte – auch in Sachsen-Anhalt sind weniger als die Hälfte aller leitenden Positionen in den Ministerien, Landesämtern und der allgemeinen Justiz mit Ostdeutschen besetzt. Das zeigt eine aktuelle Erhebung von MDR Data. Den Ostbeauftragten der Bundesregierung machen die Zahlen wütend.

- Ostdeutsche Führungskräfte sind in nur in drei Ministerien Sachsen-Anhalts in der Mehrheit.
- Abteilungsleitungen sind wesentlich häufiger mit Westdeutschen besetzt als die hierarchisch niedriger gestellten Referatsleitungen.
- In Sachsen-Anhalts Justiz sind sogar nur 12 Prozent der Führungskräfte in Ostdeutschland geboren.
Nicht einmal jede zweite Führungskraft in Sachsen-Anhalts Ministerien und nachgeordneten Behörden stammt aus Ostdeutschland. Das zeigt eine aktuelle Erhebung von MDR Data. Demnach sind 47,5 Prozent aller Führungskräfte in den Ministerien und nachgeordneten Behörden in den ostdeutschen Bundesländern geboren. In der allgemeinen Justiz sind es nur 11,8 Prozent.
Ostdeutsche in nur drei Ministerien die Mehrheit
Mit 80 Prozent schneidet das Ministerium für Bildung beim Anteil ostdeutscher Führungskräfte am besten ab. Ganz hinten liegen das Ministerium für Justiz und Verbraucherschutz und das Ministerium der Finanzen. Hier kommen nur 35 Prozent der Führungskräfte aus einem ostdeutschen Bundesland, 60 Prozent aus einem westdeutschen Bundesland und fünf Prozent aus Berlin.
"Es ist irritierend, dass in einem ostdeutschen Bundesland doch so viele Positionen, die Entscheidungen über das Land treffen, nicht von Ostdeutschen besetzt werden", kommentierte der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD), die Ergebnisse bei MDR SACHSEN-ANHALT. Erst vor kurzem hatte er selbst eine Studie in Auftrag gegeben und war aufgrund der Ergebnisse zu dem Schluss gekommen, dass es in den deutschen Bundesbehörden zu wenige ostdeutsche Führungskräfte gibt. Nur 7,4 Prozent aller Führungskräfte in den untersuchten Bundesbehörden, Verfassungsorganen und Bundesgerichten sind demnach in den ostdeutschen Bundesländern geboren worden (mit Berlin: 13,9 Prozent).
Das ist Gift für die Demokratie und die Akzeptanz unseres Rechtsstaates.
Nicht nur auf Bundesebene, sondern vor allem in Ostdeutschland selbst sei diese Unterrepräsentanz ein Problem. Für Bürgerinnen und Bürger in ostdeutschen Bundesländern fühle es sich so an, als sei ihr Land "fremdregiert". Das höre Schneider immer wieder, sagte er. "Das ist Gift für die Demokratie und die Akzeptanz unseres Rechtsstaates und das muss sich dringend und ziemlich schnell ändern."
Wer ist ostdeutsch?
Als Ostdeutscher gilt, wer in den ostdeutschen Bundesländern, also in Brandenburg, Berlin, Mecklenburg Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen geboren wurde. Der Geburtsort Berlin wurde separat dargestellt, da dort die Zuordnung zu Ost- bzw. Westdeutschland nicht eindeutig möglich ist. Die Definition richtet sich nach dem Vorbild der Studie des Ostbeauftragten der Bundesregierung.
Der Mangel Ostdeutscher in Führungspositionen habe unter anderem historische Gründe, erklärt Holger Lengfeld, Professor für Soziologie an der Universität Leipzig. Nach der Wende seien alle Führungskräfte im öffentlichen Dienst der DDR entlassen worden. "Man brauchte Leute, die sich mit dem Regelsystem der Bundesrepublik Deutschland auskannten. Das konnten nur Westdeutsche sein".
Für im Westen bereits etablierte Führungskräfte sei es unattraktiv gewesen, nach Ostdeutschland zu ziehen. Deshalb seien vor allem sehr junge Leute angeworben worden, die noch heute vor ihrer Rente stehen und so immer noch die jeweilige Position blockieren.
Mehr Ostdeutsche auf unteren Hierarchieebenen
Im Zuge der Erhebung hat MDR Data bei den Ministerien in Sachsen-Anhalt jeweils erfragt, wie viele der Minister, Staatssekretäre, Abteilungs- und Referatsleitungen und Leitungen der nachgeordneten Behörden in den ostdeutschen Bundesländern geboren wurden.
Betrachtet man die Hierarchieebenen im Einzelnen, zeigt sich, dass auf Ebene der Abteilungsleitungen deutlich weniger Führungskräfte aus Ostdeutschland stammen (19,2 Prozent) als auf der hierarchisch niedrigeren Ebene der Referatsleitungen (51,5 Prozent). Am größten ist der Anteil Ostdeutscher jedoch bei den Ministern und Staatssekretären (54,2 Prozent).
"Je weiter Sie in der Hierarchie runtergehen, desto größer ist der Anteil der Ostdeutschen", bestätigt Lengfeld. Das sei bereits Ergebnis mehrerer Studien gewesen und habe mit den Unterschieden im Bildungssystem zwischen Ost und West zu tun. In Ostdeutschland schließen weniger Menschen Abitur und Studium ab, so der Soziologe.
Der Pool an Personen, die für Führungspositionen in Frage kommen, ist in Ostdeutschland geringer.
Für bestimmte Positionen reiche zwar eine Ausbildung und ein interner Aufstieg. Vor allem für höhere Führungspositionen seien Abitur und Studium jedoch oft Voraussetzung. "Der Pool an Personen, die auch in Zukunft für Führungspositionen in Frage kommen, ist in Ostdeutschland geringer als in Westdeutschland", folgert Lengfeld.
Ein Sonderfall seien die Top-Posten der Minister und Staatssekretäre. Da werde wegen der Repräsentationsfunktion auf eine höhere Quote geachtet. Und dort gebe es, bis auf verbeamtete Staatssekretäre, keine Dauerposten. "Der Wahlmechanismus sorgt permanent für einen potenziellen Austausch der Eliten", so Lengfeld.
In der Justiz liegt die Ost-Quote bei 12 Prozent
Noch drastischer als in den Ministerien ist der Unterschied zwischen ost- und westdeutscher Herkunft in der allgemeinen Justiz in Sachsen-Anhalt. Nur zwei der 17 Führungskräfte (12 Prozent) stammen gebürtig aus Ostdeutschland. Führungskräfte sind hier Präsidenten und Leiter der obersten Landesgerichte, der Landgerichte und der Staatsanwaltschaften des Landes Sachsen-Anhalt.
Bei Juristen sei der historische Hintergrund noch wichtiger als in anderen Bereichen, sagt Michael Steenbuck, Pressesprecher des Landgerichts Stendal. Nach der Wiedervereinigung habe man Personal gebraucht, das mit dem bundesdeutschen Rechtssystem vertraut gewesen und für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eingestanden sei. "Bei vielen Juristen, die sich im Staatsdienst der DDR befanden, war dies nicht gewährleistet".
Deshalb sei es gut und nötig gewesen, dass viele Posten zunächst mit Personen aus den westdeutschen Bundesländern besetzt worden sind. Steenbuck geht davon aus, dass schon bald, wenn eine neue Generation an Juristen die Führungsriege besetzt, Ostdeutsche in der Überzahl sein werden.
Zu spät für eine Ost-Quote
Derselben Meinung ist Sachsen-Anhalts Wissenschaftsminister Armin Willingmann (SPD). "Ich bin mir sicher, dass das Problem, über das wir heute reden, sich in 20 Jahren erledigt haben wird", sagt er im Streitgespräch bei MDR SACHSEN-ANHALT. Willingmann ist der Ansicht, eine Quotenregelung käme zu spät. Die hätte es direkt nach der Wiedervereinigung gebraucht. Inzwischen, in einer Generation, die nach der Wende geboren ist, spiele die Herkunft aus Ost oder West vielleicht keine Rolle mehr.
Der Ostbeauftragte Carsten Schneider dagegen ist überzeugt: "Von alleine geht nichts. Im Gegenteil, Eliten rekrutieren sich immer wieder selbst aus ihren Netzwerken heraus." Seiner Meinung nach braucht es mehr Sensibilität und mehr politisches Handeln. Gegen eine Ost-Quote ist auch er. Ostdeutsche sollen bei der Besetzung von Führungspositionen vielmehr gezielt unterstützt, ermutigt, befähigt und gefördert werden. Denn sonst könne es passieren, dass die nächste Generation von Eliten wieder genauso besetzt wird wie zuvor.
MDR (Katharina Forstmair, Lucas Riemer, Lars Frohmüller)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 19. März 2023 | 19:00 Uhr
Wessi vor 5 Tagen
@ W.Merseburger...und wir im Westen haben hinzunehmen, daß bis zu 25% im Osten Kräfte wählen deren Ungeist 1945 hinweggefegt hätte sein müssen.Diesen übelsten Ungeist den weite Teile des Westens durch 1968 endgültig verdammt haben?Das sollen wir uns bieten lassen?NIEMALS.Das ist nämlich genau der Konflikt der in den letzten Jahren, ganz allein in Verantwortung jener Leute im Osten neu hochgekocht worden ist.Im Osten, nicht durch den Osten, denn es sind auch NUR 25% oder so.Ich darf daran erinnern, daß die Hauptschreihälse genauso aus dem Westen (wo niemand sie haben will) kommen, wie all' die hier geschilderten fleissigen Menschen mit Westhintergrund in den Verwaltungen (um die, nur die, gehts in diesem Beitrag)...die könnten wir bei uns im Westen sicherlich gut gebrauchen.Aber...sie haben sich für EUCH entschieden.Übrigens noch was: die Probleme der BRd vor 1990 sind lange her ud es sind ja nicht unbedingt die Journalisten die meinen in der DDR wäre alles schlecht gewesen...
Wessi vor 5 Tagen
Es geht hier um Beschäftigte in Staatspositionen, nicht um Arbeitslose. @ GEWY.Erst Linkspartei, jetzt AfD.25 %.Und wer die Wortwahl der neuen Nazis wie "Gutmensch" gebraucht...Nachtigall...!Jana, als Ostdeutsche, hat im Übrigen genug gesagt und Recht.Mediator ist ostdeutsch, andere auch.Und ja: es gibt ein paar REchtsextreme im WEsten.Bei Ihnen könnten sie behaupten, sie wollten Regierungen stellen.Ekelhaft. 25% der Bürger im Osten haben aus dem Mordregime der Großeltern nichts gelernt
GEWY vor 5 Tagen
@Wessi, Ich habe mich auf Statistiken bezogen und da erscheinen ebnen keine Stadtstaaten sondern Bundesländer. Weiter. Sie verfälschen doch wenn Sie behaupten: "Im Westen wählt man nicht extremistisch." Also wenn "Nur" , falsch ist, na wo denn da, wenn Sie auf Unterschiede hinweisen. Und ein Beispiel (Arbeitslose) was ich einen anderen User zur Klarstellung angeboten habe hier völlig falsch zu interpretieren, auszuquetschen und mit Wahlen zu verknüpfen, ist doch Gegenstand ihrer Post und nicht von mir. Und wer Ihrer Meinung nach "reihenweise ... nicht konform gehen " will mit mir , ist mir völlig egal. Auch dass Sie mir unterstellen, dass ich Menschen die 1990 gekommen sind um hier zu arbeiten, als vermutlich nicht erwünscht ansehe, ist völlig falsch und zeigt mir nur wie hilflos Sie nach Argumenten suchen um keine andere Meinung aufkommen zu lassen. Sie haben einen Standpunkt und ich auch . Den anderen sein Meinung aufzwingen geht gar nicht.